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3 Anfälle im Rahmen von Autoimmun-Enzephalitiden und Autoimmun-Epilepsien Christian G. Bien Fallbeispiel 3.1
ОглавлениеDieser 49-jährige Patient bemerkte seit Weihnachten zunehmende, anhaltende Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen. Er wiederhole z. B. die gleichen Fragen, teilweise könne er sich an Dinge nicht mehr erinnern (z. B. habe er sich nicht mehr daran erinnern können, dass seine Bekannte schon vor mehreren Jahren Oma geworden ist). Auch neue Inhalte konnte er sich nicht mehr merken. Zudem war er schnell erschöpft, schlief früh ein, war ängstlich, antriebslos und schnell reizbar. Es träten seitdem auch immer wieder aus dem Magen aufsteigende Gefühle auf, was über mehrere Stunden angehalten habe. Eine Gastroskopie ging ergebnislos aus. Ein wegen seiner »Verwirrtheit« angefertigtes Hirn-MRT zeigte eine Veränderung im Bereich des rechten Temporallappens ( Abb. 3.1A).
Abb. 3.1: Serielle koronare FLAIR-MRT des Falles 1. Die initial bestehende Signal- und Volumenzunahme des rechten Hippokampus (A) geht nach scheinbarer Normalisierung (B) im Verlauf in eine Hippokampusatrophie rechts über (C, D).
Die weitere Diagnostik in der neurologischen Akutklinik deckte Antikörper gegen Leucine-rich Glioma Inactivated Protein 1 (LGI1) auf. Eine Tumorsuche endete negativ. Es wurde eine Kortison-Therapie und – da man die aufsteigenden Gefühle richtigerweise als bewusst erlebte autonome Anfälle (epigastrische Auren) deutete – eine Therapie mit Levetiracetam begonnen. Die Gedächtnisstörungen nahmen zu, und der Patient verhielt sich aggressiv. Fünf Plasmapheresen und parallel ein rasches Ausschleichen des Kortisons besserten zwar das MRT-Bild ( Abb. 3.1B), nicht aber sein Befinden. Der Patient wünschte die Verlegung ins Krankenhaus Mara. Hier wurden auch andere bewusst erlebte autonome Anfälle, nämlich pilomotorische Anfälle (»von den Beinen aufsteigende Schauer«) herausgearbeitet. Insgesamt zu diesem Zeitpunkt zwei Anfälle pro Woche. Testpsychologisch zeigte sich eine Störung des freien Abrufs einer 30 min zuvor gelernten Wortliste. Das MRT zeigt inzwischen eine leichte Hippokampussklerose ( Abb. 3.1C). Die LGI1-Antikörper lagen im Serum bei einem Titer von 1:640, im Liquor 1:4, der spezifische Antikörperindex war zu niedrig, um eine intrathekale Synthese der LGI1-Antikörper annehmen zu können. Wir führten Prednisolon 80 mg/d ein, das für vier Wochen beibehalten werden und danach wöchentlich um 10 mg/d reduziert wurde. Parallel begannen wir – im Hinblick auf ein späteres Einsparen von Kortison – mit einer Azathioprintherapie (2,5 mg/d). Die 1.000 mg Levetiracetam pro Tag tauschten wir wegen der mutmaßlichen Nebenwirkung Aggressivität gegen Lacosamid 200 mg/d aus. Bei der Verlaufskontrolle nach vier Monaten berichtete der Patient, direkt nach Entlassung aus der stationären Behandlung anfallsfrei geworden zu sein. Das Prednisolon hatte er soeben selbsttätig abgesetzt. Neuropsychologisch war die Abrufstörung verschwunden. Das MRT war unverändert ( Abb. 3.1D). Die LGI1-Antikörper im Serum waren auf 1:80 gefallen. Nach weiteren vier Monaten waren trotz Senkung der Lacosamid-Dosis auf 50 mg/d die Anfälle nicht wiedergekehrt. Das MRT war unverändert. Die neuropsychologische Leistung war unbeeinträchtigt. Der LGI1-Antikörpertiter war auf 1:20 gesunken. Wir empfahlen das Absetzen des Lacosamid und ein Ausschleichen des Azathioprin (200 mg/d) in monatlichen 50-mg-Schritten.
Kommentar: Es handelt sich um eine limbische Enzephalitis mit LGI1-Antikörpern, die zu einer verbalen Neugedächtnisstörung und zu Temporallappenanfällen führte. Unter einer konsequenten Kortison- (und Azathioprin-)Therapie ging der Antikörpertiter stark zurück. Alle Beschwerden klangen ab, die Anfälle sistierten sogar sehr rasch. Eine leichte rechtsseitige Hippokampussklerose bliebt zurück. Dieser Patient hat keine Epilepsie, sondern hatte (für mehrere Monate) akut-symptomatische Anfälle.