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3. Ohne Angst verschieden sein: Mündiger Glaube ist pluralitätsfähig

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Entfernt sich der eigene Glaube vom eigenen Leben, entsteht eine zunehmende Dissonanz, die sich kognitiv und emotional zeigen kann. Mündiger Glaube zeigt sich genau da, wo diese Dissonanz überwunden wird und die Beziehungsebene zu Gott, zu den Menschen und zu mir selbst gelebt wird (Mt 22). Nochmal zurück zu Ines. Die letzte Frage in dem Interview war, was sie sich für die christlichen Gemeinden wünsche:

„Die wollen immer so radikal sein und das geht schon bei den Kindern los und dann in der Jugendgruppe weiter. Die sind noch so jung und müssen aber alle der gleichen Meinung sein wie der Pastor und plappern am besten alles nach. Also, das ist meine Erfahrung in den verschiedenen Freikirchen, in denen ich war, und dann brechen sie irgendwann aus und wenden sich radikal ab oder sie bleiben halt in der Spur. Diese zwei Extreme habe ich kennengelernt. Aber sie entwickeln keinen eigenen Glauben, nichts Eigenes. Das finde ich so fahrlässig.“

Mündigkeit zeigt sich ganz praktisch in den eigenen Verhaltensweisen. Gerade deshalb ist es wichtig, den eigenen Glauben immer wieder zu prüfen und zu entwickeln. Der Theologe Roger Mielke drückte das einmal so aus: „Freiheit des Glaubens bedeutet, dass ich in einem Prozess lebenslanger Entwicklung, Veränderung und Reifung der werde, der ich in den Augen Gottes bin.“5 Glaube ist kein „extra Ding“, sondern ein lebendiger Teil meines Lebens. Und gerade weil sich mein Kontext und mein Leben verändern, ist es wichtig, über den eigenen Referenzrahmen nachzudenken, den eigenen Lebenswandel zu reflektieren und zu fragen, inwieweit mein Glaube authentisch ist und wo mein Leben und mein Glaube sich voneinander entfernt oder vielleicht sogar entfremdet haben. Wo haben sich Zweifel und Unglaube eingeschlichen und breitgemacht und wie gehe ich damit um? Hier gilt es also anzusetzen, wenn wir einen geistlich mündigen Glauben fördern wollen. Denn so unwägbar das Leben mit all seinen wunderbaren, aber auch tiefen Momenten ist, so unwägbar ist auch der eigene Glaube, denn er ist tief verwoben mit dem eigenen Leben und der eigenen Biografie. Der Praktische Theologe Klessmann schreibt dazu: „Wenn unsere Lebenswirklichkeit in so hohem Maß von Ambiguitäten und Ambivalenzen durchzogen ist, muss sich das auch im Glauben, in der religiösen Orientierung spiegeln; andernfalls stellt der Glaube einen nicht integrierbaren Fremdkörper im Alltag der Menschen dar.“6 Dies gilt umso mehr für die Zeiten, in denen wir gerade leben. Die Herausforderung, vor der wir heute stehen, ist, dass wir einander immer weniger verstehen, ja, es scheint nicht übertrieben, wenn wir feststellen, dass wir in einer Zeit der Polarisierung leben, in der sich sowohl politisch als auch religiös die linken und rechten Ränder verhärten und Konflikte und Streitigkeiten sich immer schneller zu Kulturkämpfen um Identität ausweiten. Es scheint so, als nähmen wir die Geschehnisse um uns herum ganz unterschiedlich wahr. Auch durch diese gesellschaftlichen Differenzerfahrungen in einer sich verändernden pluralen Gesellschaft wird der Glaube herausgefordert. Was machen, wenn lieb gewonnene Glaubensgeschwister etwas ganz anderes glauben? Wenn der eigene Glaube und die eigene Glaubenserfahrung infrage gestellt werden? Der typische fundamentalistische Reflex wäre: Es gibt nur wahr und unwahr, richtig oder falsch, schwarz oder weiß. Aber vielleicht ist es nicht so einfach, vielleicht ist das Leben manchmal bunt und vielfältig und unbequem und vielleicht muss man manchmal gerade die unbequeme andere Meinung aushalten.

Religiösen Machtmissbrauch verhindern

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