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Zum Geleit
ОглавлениеEkkehart Vetter
Ein Buch, das religiösen Machtmissbrauch zum Thema hat, ist keine leichte und schon gar keine erbauliche Lektüre. Das mag so sein, aber die Autorinnen und Autoren wären missverstanden, würden sie hier nur über ein zugegeben heftiges Problem einiger weniger selbstherrlicher und selbstverliebter Leiter oder Leiterinnen schreiben, die ein System von Unantastbarkeit um sich herum aufgebaut haben. Die Stärke der hier gesammelten Aufsätze liegt gerade darin, dass sie auch nach den Grauzonen fragen. Welche Untiefen der Persönlichkeit und unaufgearbeitete Ereignisse der Lebensgeschichte von Leiterinnen und Leitern begünstigen übergriffigen Einsatz von Macht? Bin ich lernbereit als Leiter/-in? Suche ich konstruktiv-kritisches Feedback? Bin ich Teil eines Teams, das sich auf Augenhöhe begegnet?
Ich schreibe dieses Vorwort als „Betroffener“. Ich leite als Pastor seit fast vier Jahrzehnten Gemeinden, war ca. 20 Jahre (frei-)kirchenleitend aktiv und habe seit ca. 10 Jahren Leitungsaufgaben in der Evangelischen Allianz in Deutschland, davon vier Jahre als ihr Vorsitzender. Als Evangelische Allianz sind wir selbst keine Kirche, sondern ein Netzwerk von Christinnen und Christen aus unterschiedlichen Kirchen. Das Spektrum von Gemeinden, in denen die Personen zu Hause sind, die sich zur Evangelischen Allianz zählen, ist groß. In welchem Kontext und welcher Konfession und Gemeindestruktur auch immer geistliche Leitung geschieht – uns sind ein paar grundsätzliche Überlegungen wichtig:
Kirchliche und freikirchliche Gemeinden sollen Freiräume für die Entwicklung mündigen Christseins sein. Menschen sind in unterschiedlichen Gemeinden, weil ihnen Unterschiedliches am Wort Gottes wichtig geworden ist. Es gibt Unterschiede, auch innerhalb einer Gemeinde. Sie dürfen gern kontrovers, aber respektvoll diskutiert werden. Die Leitenden sollten kritische Stimmen willkommen heißen, helfen sie doch, andere Auffassungen zu verstehen und die eigene Position zu überdenken. Als Leiter bin ich nie „fertig“ und „allwissend“, sondern hoffentlich ein lebenslang Lernender, der niemals die vermeintliche göttliche Zustimmung ausschließlich für eigene Entscheidungen in Anspruch nimmt. Eine regelmäßige Reflexion von Leitungsarbeit durch entsprechende fachliche Kompetenz hilft Einseitigkeiten und eine Fixierung auf ausschließlich „meine Sicht der Dinge“ zu vermeiden. Entscheidungen werden transparent und nachvollziehbar kommuniziert, kritische Rückfragen brauchen Freiraum, in einer Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung geäußert zu werden. Leiter und Leiterinnen lernen von Jesus das Prinzip des Dienens – in Bezug auf Gott und Menschen. Hier liegt ihre zentrale Kompetenz, die Hingabe an den Herrn der Gemeinde und das Wissen, ohne IHN nichts tun zu können.