Читать книгу Religiösen Machtmissbrauch verhindern - Группа авторов - Страница 8

Was ist Machtmissbrauch?

Оглавление

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass auch gelegentlicher religiöser Machtmissbrauch nicht akzeptabel ist. Weil aber der kontinuierliche religiöse Machtmissbrauch deutlich schädlicher ist, wenden wir uns in den einzelnen Kapiteln besonders diesem Thema zu.

Religiöser Machtmissbrauch liegt dann vor, wenn Menschen zu etwas gedrängt werden, was sie von sich aus nicht tun würden, und die drängende Person davon einen Vorteil hat. Dabei wird die persönliche Grenze des missbrauchten Menschen übertreten und verletzt. Das hat zumeist sowohl emotionale als auch körperliche Folgen. Im christlichen Umfeld kommt dann oft noch der Missbrauch von geistlichen Themen hinzu. Menschen werden mit geistlichen/religiösen Inhalten gedrängt, etwas zu tun oder zu lassen, weil es den Bedrängenden nützt.

Religiöser Machtmissbrauch geschieht in verschiedenen zwischenmenschlichen Bezügen und in verschiedenen Dimensionen. Er kann sowohl gelegentlich als auch kontinuierlich von Führungspersonen, Kolleginnen und Kollegen oder von der Basis einer Gruppe oder Gemeinde ausgehen. Natürlich ist die gleiche Dynamik zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen zu finden. Anders ist es bei religiösem Machtmissbrauch, wenn er in der Struktur verankert ist. Dieser Missbrauch ist immer kontinuierlich! Menschen, die sich in einem solchen System wiederfinden, trifft es daher besonders hart. Diese Form des Missbrauchs kann sowohl in der Struktur als auch in der Theologie einer Gemeinde oder Organisation verankert sein und geschieht außerdem meistens subtil. Zu beachten sind hier besonders die Gruppen und Gemeinschaften, in denen Leitungspersonen den „Mitgliedern“ beim Einstieg in die Gemeinschaft zwar einen Katalog an Erwartungen vorlegen (der oft auch unterschrieben werden muss), aber diesen Menschen keine Mitspracherechte zugestanden werden und in denen es keine demokratischen Strukturen gibt. Viele dieser Gemeinschaften sind nicht in Verbände oder andere übergeordnete Organisationsformen eingebunden.

Eine Gemeindeleitung überlegt sich z. B. ein neues Konzept für die Gestaltung von Hauskreisen. Man will jetzt Stadtteilhauskreise statt der Hauskreise, die durch Beziehungen gewachsen sind. Grundsätzlich ist gegen eine solche strukturelle Veränderung einer Gemeinde nichts einzuwenden. Leitung soll leiten! Allerdings teilt man der Gemeinde mit, man habe Gott gefragt und Gott habe dieses Konzept favorisiert. Wer gegen diese Veränderung ist, stellt sich also gegen Gottes Willen! Wer die Leitung kritisiert, kritisiert Gott; wer sich gegen die Erwartung der Leitung auflehnt, lehnt sich gegen Gott auf. So einfach ist das – so missbräuchlich ist das! Leider bemerken Menschen diesen religiösen (Macht-)Missbrauch nicht, wenn sie sich systemkonform verhalten. Und sie können jene nicht verstehen, die aussteigen oder leiden.4

Bei theologisch-strukturellem Missbrauch suggeriert die Leitung, sie sei direkter Vertreter Gottes. Eine junge Frau ist unsicher bezüglich ihrer Rocklänge. Sie fragt ihren Pastor: „Ist die Rocklänge so okay?“ Er antwortet: „Ja, das ist okay.“ Hier wird die Unsicherheit einer jungen Frau nicht genutzt, um sie im Glauben wachsen zu lassen (dazu hätte man sich mit ihr auseinandersetzen müssen), sondern sie bleibt durch das Urteil des Pastors auf ihn angewiesen. Er ist und bleibt ihr Maßstab. In der Gemeindelehre ist allen „Insidern“ klar: Wer wissen will, was Gott denkt, muss die Leitung fragen. Aussagen wie „Da müsst ihr Gott fragen“ haben eine sanfte Umdeutung erlebt und in Wahrheit ist gemeint: „Da müsst ihr uns fragen!“ Oft wird gerade diese Form des religiösen Missbrauchs von außen nicht bemerkt, weil die gleichen Worte benutzt werden wie anderswo. Die veränderte Bedeutung erkennen nur „Eingeweihte“.

Eine weitere Form des religiösen Missbrauchs ist spiritueller Missbrauch. Menschen wird dann mit „geistlichen“ Argumenten Verzicht aufgezwungen und sie können z. B. so als Arbeitskräfte ausgebeutet werden („Es ist ja für den Herrn“). Wegen des Reiches Gottes wird die eigene Familie vernachlässigt, weil mit Idealen, Gebeten oder gar Abhängigkeiten manipuliert wurde.5

Religiösen Machtmissbrauch verhindern

Подняться наверх