Читать книгу Religiösen Machtmissbrauch verhindern - Группа авторов - Страница 21

6. Ungesunde Machtstrukturen aufdecken. Mündiger Glaube identifiziert negative Dynamiken

Оглавление

Es ist erstaunlich, dass Zweifel an Gott, an sich selbst und der eigenen Wahrnehmung in vielen Kirchen und Gemeinden immer noch mit Scham belegt ist, was die Zweifelnden oftmals in die Isolation treibt. Ein immer wieder vorkommendes Motiv in unserer Umfrage „Warum ich nicht mehr glaube“ war die fehlende Möglichkeit, seinen Unglauben und Zweifel in die Gemeinde einzubringen. Aber genau diese Situation fördert ein Zweifeln, Grübeln und ein Insichselbst-Verlieren. Zweifel können, ja sollten ausgesprochen werden, brauchen Gemeinschaft, Verständnis und Raum. Denn viele Zweifel sind normal und entwicklungsbedingt. Unsere Persönlichkeit und unser Intellekt verändern sich, unser Glaube muss sich mit ihnen verändern. Dies ist oftmals (auch) ein schmerzhafter Akt, da wir uns dabei von manchen lieb gewordenen Positionen verabschieden müssen – das ist völlig normal. Der eigene Glaube kann sich durch verschiedene Phasen des Lebens entwickeln und daran reifen. Eine wertvolle Grundhaltung besteht dabei in der Einsicht, dass der eigene Glaube immer nur vorläufig und niemals perfekt oder fertig ist. Darum muss man sich immer wieder um ihn bemühen und sich den Lebenswirklichkeiten neu stellen. Dies bedeutet, dass sich auf der einen Seite lieb gewordene Gewissheiten und Gewohnheiten verabschieden können. Auf der anderen Seite kann aber auch ein neuer Raum des Glaubens betreten werden, der viel größer und schöner ist und in dem zum Beispiel auch Zweifel ihren Platz haben. Wie gehen wir in unserer Gemeinde mit den zweifelnden Menschen um? Respektieren wir ihre komplexe Geschichte mit Gott, mit Gemeinde und mit anderen Christen? Nehmen wir unsere Verantwortung gegenüber den Zweifelnden ernst, ihrer Geschichte und ihren Erfahrungen? Können wir ihre Entscheidung zunächst einmal stehen lassen? Sind wir sensibel für ungesunde Machtstrukturen und negative Dynamiken in unserer Gemeinde? Diese wichtigen Fragen gilt es zu bedenken, um Zweifel und Zweifelnde ernst zu nehmen, denn dann lernen und profitieren wir als Gemeinde von genau diesen Zweifeln. Deshalb braucht es mehr Raum für Erlebtes, Zweifel, Quergedachtes und eine eigene Meinung. Ein eigener mündiger Glaube ist die Grundlage dafür, dass er auf gesunde Weise eine wohltuende Wirkung im Leben entfaltet. Doch ein eigener, selbst durchdachter und mündiger Glaube entsteht nicht allein dadurch, dass man jeden Sonntag im Gottesdienst sitzt. Glaube braucht Freiraum, um zu wachsen – in dem Wissen, dass das eigene Gottesbild auch von der eigenen Sozialisation und Erfahrung geprägt ist und sich deshalb in der Beziehung zu Gott, den Menschen und sich selbst weiterentwickeln darf. Ein mündiger Glaube lässt sich nicht in ein starres und festes Regelwerk pressen, sondern braucht Freiheit, sich zu entfalten. Den Menschen ernst zu nehmen klingt so simpel und die einfache Formel „Beziehungen vor Perfektion“ klingt nicht nur biblisch, sondern ist es auch. Doch es gibt nach Angaben der Befragten der Studie zu viel menschliche Religiosität und Gesetzlichkeit und zu wenig gelebte christliche Annahme. Am deutlichsten wurde dies, wenn es um die Begriffe Gnade, Liebe, Vergebung etc. ging. Denn hier wurde immer wieder beklagt, dass dies nur fromme Vokabeln seien, die bei unterschiedlichen Meinungen oder Lebensweisen außer Kraft gesetzt werden, immer nach dem Motto „Christen sind nicht das, was sie singen“.

Religiösen Machtmissbrauch verhindern

Подняться наверх