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5 Das Curriuclum Mehrsprachigkeit als Weg zu einer mehrsprachigen Schule

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Mit dem Curriculum Mehrsprachigkeit haben mein inzwischen leider verstorbener Kollege Hans Reich und ich versucht, ein solches integriertes schulisches Angebot für diese möglich zu machen. Wir haben dieses Curriculum 2010 / 2011 für die Schulstufen 1-12 im Auftrag des österreichischen Unterrichtsministeriums entwickelt: Es zielt auf die schulische Unterstützung sprachlicher Bewusstwerdungsprozesse. Es expliziert und differenziert den Begriff der Sprachenbewusstheit als Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler,

sich in der heutigen Welt sprachlicher Vielfalt zu orientieren, sich selbstbestimmt und zielbewusst neue sprachliche Qualifikationen anzueignen und sich in vielsprachigen Situationen kompetent zu bewegen. (Krumm & Reich 2011: 2; vgl. auch Reich & Krumm 2013).

Das Curriculum versucht, Bezüge zwischen dem Muttersprachlichen Unterricht, dem Deutsch- und dem Deutsch als Zweitsprache-Unterricht, aber auch der ersten Fremdsprache und – zumindest exemplarisch – zu den sogenannten Sachfächern herzustellen.

Gegliedert ist das Curriculum jeweils in drei – bzw. ab der Sekundarstufe – in vier Bildungsbereiche:

1 Wahrnehmung und Bewältigung vielsprachiger Situationen

2 Wissen über Sprachen ab Sekundarstufe 2: Vergleichen von Sprachen

3 Erarbeiten sozialer und kultureller Bezüge von Sprachen

4 Sprachlernstrategien

Die kognitiven, bildungssprachlichen Aspekte kommen in konzentrierter Weise in dem Bereich des Erwerbs von Wissen über Sprachen bzw. des Vergleichens von Sprachen zum Tragen. Es geht um die Kompetenz, sprachliche Elemente, Strukturen und Regeln in mehreren Sprachen und eben auch in den Fächern des schulischen Unterrichts zu beschreiben und in Beziehung zueinander zu setzen.

Es geht darum, die Sprachwahrnehmung der Kinder zu unterstützen, die unterschiedlichen Zusammenhänge zwischen Laut und Buchstabe mit den jeweiligen Sprachen in Verbindung zu bringen und erste Begriffe dafür zu etablieren, d.h. es geht hier um eine gezielte Entwicklung der Bildungssprache Deutsch – allerdings unter bewusster Einbeziehung und Nutzung der in der Klasse vorhandenen Nähesprachen: Mehrsprachig, sprachenübergreifend ist es leichter, das Unterscheiden und Vergleichen zu lernen als einsprachig.

Ab Klassenstufe 3 nimmt der Mehrsprachigkeitsunterricht systematischeren Charakter an: Er vermittelt Strategien des Sprachenlernens, Begriffe und Fähigkeiten der vergleichenden Sprachanalyse und Kenntnisse zur Sprachenvielfalt auch außerhalb der unmittelbaren Erfahrungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler. Das Entdecken von sprachlichen Regularitäten, die Einsicht in die Funktion von Sprache wird in längeren Unterrichtssequenzen erarbeitet. Die Aneignung des Registers Bildungssprache wird damit als eine eigene Sprachlernaufgabe anerkannt, und zwar nicht nur als Bildungsaufgabe für den Deutschunterricht, sondern auch für den Sachunterricht.

Zur Bewältigung dieser Aufgabe kann das Curriculum Mehrsprachigkeit grundlegende Lernfähigkeiten vermitteln. Dazu gehört auf dieser Schulstufe die Arbeit mit dem Sprachenportfolio, die Entwicklung zwei- oder dreisprachiger Wortkarteien und die Einführung in die Benutzung zweisprachiger Wörterbücher, lauter auf Sprachenbewusstheit zielende Verfahren. Dazu bietet das Curriculum Themen und Materialien an und macht die Bezüge zu den vorhandenen Sprach- und Fachlehrplänen deutlich.

In Südtirol wurde das Curriculum Mehrsprachigkeit für die dortige Schulsituation adaptiert und erweitert und wird genutzt, um die Grenzen zwischen Sprachen und Sprachgruppen zu überwinden (vgl. Schwienbacher u.a. 2017).

Durch Förderung der Mehrsprachigkeit kann die grenznahe Region eines Landes zusammen mit einer Nachbarregion jenseits der Grenze eine neue, grenzüberschreitende Identität bilden (Raasch 2004: 3).

Was Albert Raasch hier für Grenzregionen formuliert hat, ist vielleicht auch eine Perspektive für das Bildungswesen: Mit Mehrsprachigkeit beizutragen zu der Überwindung von Sprachgrenzen und zum Entstehen mehrsprachiger Identitäten in der Migrationsgesellschaft.

Die Menschen verstehen: Grenzüberschreitende Kommunikation in Theorie und Praxis

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