Читать книгу Die Menschen verstehen: Grenzüberschreitende Kommunikation in Theorie und Praxis - Группа авторов - Страница 37
1 Einführung
ОглавлениеIn der saarländisch-lothringischen Grenzregion ist die Bildungspolitik geprägt von der besonderen geographischen Lage und der gemeinsamen Geschichte, die die Gegend seit der Römerzeit prägt. Auch die wechselhaften Geschehnisse im Laufe des 20. Jahrhunderts haben ihre Spuren hinterlassen, es kann von einer besonderen regionalen Identität in der Großregion ausgegangen werden (vgl. z.B: Cenoz & Gorter 2011:1), von einem spezifischen entre-deux franco-allemand (Macaire 2015:65).
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist die Bildungspolitik im Saarland insbesondere, was das Französischlehren und -lernen angeht, besonders ausgeprägt; es ist das einzige deutsche Bundesland, in dem alle Kinder in der Grundschule Französisch lernen. Programmatisch ist die Bildungspolitik an der Frankreichstrategie der saarländischen Landesregierung ausgerichtet (Staatskanzlei 2014), die u.a. das Ziel „[ ] der Schaffung eines leistungsfähigen multilingualen Raums deutsch-französischer Prägung“ (2014: 9) formuliert. Das Sprachenkonzept Saarland 2019 (Saarland Ministerium für Bildung und Kultur / Universität des Saarlandes 2019) gibt weitere Orientierungspunkte für das Sprachenlernen im Saarland, insbesondere auch für das Lehren und Lernen des Französischen als Schlüssel für das Miteinander mit den Nachbarn und den großregionalen Arbeitsmarkt (cf. 2019:13ff). Auch die Académie Nancy-Metz hat im Rahmen ihrer stratégie Allemagne besondere Maßnahmen zur Stärkung des Deutschen im lothringischen Bildungssystem verankert1.
In diesen bildungspolitischen Kontext ist auch die universitäre Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte einzuordnen – die Lehrenden der jeweiligen Nachbarsprache haben eine Schlüsselrolle inne, wenn es um die Vorbereitung der Kinder auf beiden Seiten der Grenze auf das Zusammenleben in der (Grenz-)Region geht. Im Fach Französisch setzen sich die Studierenden der Universität des Saarlandes im Rahmen der grundständigen Lehramtsausbildung mit spezifischen Fragen auseinander, die die Vermittlung der Nachbarsprache in einer Grenzregion mit sich bringt. Allerdings steht die Thematik im Lehramtsstudium selten zentral im Fokus, sie begegnet mehrheitlich eher als randständiges denn als transversales Element in den einschlägigen Lehrveranstaltungen. Eine Ausnahme bilden die Lehrveranstaltungen im Bereich der romanistischen Mehrsprachigkeitsforschung und -didaktik; sie richten sich insbesondere in den letzten Jahren immer deutlicher in dieser Perspektive aus. Insbesondere werden seit 2010 trinationale Seminare durchgeführt, in denen Studierende der Universitäten Luxemburg, Lothringens und des Saarlandes den „Umgang mit Wissen in mehrsprachigen Kontexten“ erfahren und erforschen können. Die Lehrveranstaltungen sind in die Universität der Großregion (Uni-GR; www.uni.gr.eu) eingebunden und finden seit 2010 regelmäßig statt. An der Universität des Saarlandes sind die Teilnehmer vorrangig Studierende des Lehramtes Französisch für die Sekundarstufe und weiterer Französisch-Studiengänge (cf. Polzin-Haumann 2013; Reissner 2017; Polzin-Haumann, Putsche & Reissner 2019). Auch ein interdisziplinäres Seminarprojekt zwischen saarländischen Lehramts- und lothringischen Geographiestudierenden wurde bereits mit Erfolg durchgeführt; dabei entstanden Lehrmaterialien zum Thema Nachhaltigkeit, die gezielt für den Einsatz im französischsprachigen Geographie-Unterricht in der Grenzregion entwickelt wurden.
Derartige Lehrveranstaltungen verdeutlichen immer wieder die großen Potentiale, die sich aus der spezifischen Grenzlage insbesondere für das Lehren und Lernen der Sprache der Nachbarn ergeben. Wie die Erfahrungen aus der schulischen Praxis zeigen, werden diese Vorteile für den Sprachenunterricht jedoch auf beiden Seiten der Grenze noch immer nicht konsequent genutzt.