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Profil „Instrumentaler Gruppenunterricht in JeKi“

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Insgesamt zeigt sich in der Befragung der Lehrenden, dass sich in den vergleichenden Einschätzungen der Lehrkräfte zum IGU in JeKi und in der Musikschule insbesondere im Hinblick auf fachspezifische Ziele und Lernfelder ein deutliches Profil „Instrumentaler Gruppenunterricht in JeKi“ herausbildet, der weniger als in der Musikschule auf die Vermittlung von Spieltechnik, von solistischem Spiel und musikalischer Gestaltung setzt, sondern eher spielerische Zugänge und das gemeinsame Musizieren in den Vordergrund stellt, nach Thomas Grosse also der Unterricht als „sozialer Lern- und Erfahrungsraum“ (Grosse 2006, 89) für JeKi höher bewertet wird als der Unterricht zur „Ausbildung musikalischer und spieltechnischer Fähigkeiten“ (90). Neben dieser offensichtlichen inhaltlichen und methodischen Verschiebung ist aber auch gerade in Bezug auf die Häufigkeit thematisierter Lernfelder15 ihre generelle Reduktion im Übergang vom Tätigkeitsbereich Musikschule hin zum IGU in JeKi zu beobachten. Besonders stark sind die Unterschiede für die Lernfelder „Musikstücke analysieren“, „Etüden“ und „Musikalische Gestaltung“. Sie betreffen also Lernfelder, die gleichermaßen auf analytische, spieltechnische und gestalterische Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zielen.

Als interessante Vergleichsfolie für unsere Befunde können die Ergebnisse von Ulrike Schwanse, Reinhard Knoll und Werner Lohmann (2000) und Thomas Grosse (2006) dienen, die jeweils Musikschullehrkräfte in Bezug auf Inhalte und Methoden des Instrumentalunterrichts befragt haben, dieses allerdings im Hinblick auf den Vergleich von Einzelunterricht und IGU an Musikschulen. Eine nun mögliche Gesamtschau der Ergebnisse von Grosse (2006), Schwanse et al. (2000) und der BEGIn-Studie legt nahe, das Profil „Instrumentaler Gruppenunterricht in JeKi“, wie es die Lehrkräfte in unseren Befragungen bezogen auf zentrale Dimensionen von Zielen und Lernfeldern konstruieren, probehalber als einen fortgesetzten Trend in einem Dreischritt Einzelunterricht Musikschule – IGU Musikschule – IGU JeKi zu betrachten. Dies gilt vor allem für die fortschreitende Reduktion der Bedeutung von Spieltechnik und musikalischer Gestaltung und eine zunehmende Bedeutung spielerischer Elemente und gemeinsamen Musizierens.

Eine sich an die Befunde zu Zielen, Lernfeldern und Methoden anschließende musikpädagogische Diskussion müsste thematisieren, ob diese deutlichen Trends, etwa zur Reduktion des Aspekts musikalischer Gestaltung, im IGU in JeKi notwendigerweise als unvermeidbar anzunehmen sind oder durch veränderte Lernarrangements aufgefangen werden können. Lohnenswert wäre außerdem etwa mit Bezug auf Thomas Grosse (2006) und Peter Röbke (2010) zu rekonstruieren, ob sich in den Einschätzungen zu relevanten bzw. realisierbaren Zielen und Lernfeldern durch die Lehrkräfte nicht auch institutionelle Traditionen der Musikschule spiegeln, die noch immer das Selbstverständnis vieler Lehrkräfte prägen.

Die drei dargestellten Forschungsperspektiven geben auf sehr unterschiedlichen Ebenen Einblick in die Praxis instrumentalen Gruppenunterrichts. Exemplarisch werden damit Aspekte von Handlungs- und von Orientierungsmustern von JeKi-Lehrenden thematisiert und dabei sowohl mit der Rekonstruktion von Inszenierungsmustern Oberflächenstrukturen als auch mit der Interaktionsanalyse Tiefenstrukturen von Unterricht erfasst. Auch wenn JeKi-Lehrende im Übergang vom IGU in der Musikschule zum IGU in JeKi offensichtlich die Notwendigkeit zu Verschiebungen innerhalb der relevanten Ziele, Lernfelder und Methoden sehen, ist anzunehmen, dass die beschriebenen Inszenierungsmuster und Interaktionsmodi als Teil übergreifender Handlungsmuster von Lehrenden im instrumentalen Gruppenunterricht wahrscheinlich insgesamt relevant und auch in anderen Formaten auffindbar sind.

Nur angedeutet werden kann in diesem Kontext das Potenzial, das die videobasierte Forschung für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften haben kann: Die Möglichkeit, Situationen (anders als in der Hospitation) anhalten und wiederholt und en détail unter wechselnden Perspektiven analysieren zu können, ist ebenso hilfreich wie die Chance, in Ruhe und ohne Handlungsdruck das Verhalten von Schülerinnen und Schülern betrachten zu können. Wichtig wäre dabei, die bereits in der Unterrichtsforschung entwickelten Methoden der Videoanalyse zu nutzen, um sicherzustellen, dass vor einer möglicherweise (vor-)schnellen normativen Bewertung von Unterricht zunächst die Beschreibung und Analyse seiner Beschaffenheit steht, um einen Blick auf die alltägliche Praxis instrumentalen Gruppenunterrichts freizugeben.

1 Zum Schuljahr 2015/16 wird das Programm Jedem Kind ein Instrument (JeKi) mit veränderter Programmstruktur als JeKits weitergeführt. Siehe dazu auch den Beitrag von Birgit Walter in diesem Band (S. 139-142).

2 Berichtet werden Teilergebnisse der Studien „Bielefelder Evaluationsstudie zum Gruppeninstrumentalunterricht“ (BEGIn) und „Zum Umgang mit und zur Konstruktion von Heterogenität im instrumentalen Gruppenunterricht in der Grundschule“, die an der Musikpädagogischen Forschungsstelle der Universität Bielefeld (seit 2015 der TU Dortmund) durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den Jahren 2008 bis 2013 gefördert wurden. Zudem wird auf Ergebnisse der Studie „JeKi und Inklusion“ verwiesen, die durch die Stiftung Jedem Kind ein Instrument und das Land NRW gefördert wurde. Die Studien wurden durchgeführt unter der wissenschaftlichen Mitarbeit von Kerstin Heberle, Thomas Busch und Jelena Dücker.

3 Auf eine detaillierte Darstellung des methodischen Designs der zugrunde gelegten Studien und den damit verbundenen erkenntnistheoretischen Hintergrund muss in diesem Kontext verzichtet werden. Hierzu sei auf die jeweiligen Projektpublikationen, insbesondere auf Kranefeld, Busch und Dücker (2015) sowie Heberle und Kranefeld (2014) verwiesen.

4 zur Konzeption des Programms JeKi siehe: https://www.jekits.de/das-programm/jedem-kind-ein-instrument (Stand: 02. März 2021).

5 In Nordrhein-Westfalen beginnt der Instrumentalunterricht in JeKi ab der 2. Klasse, in Hamburg ab der 3. Klasse.

6 Die aktive Lernzeit beschreibt nach Franz E. Weinert die Zeit, „in der sich die einzelnen Schüler mit den zu lernenden Inhalten aktiv, engagiert und konstruktiv auseinandersetzen“ (Weinert 1996, 124).

7 s. hierzu Heberle und Kranefeld (2012 b) mit der Interaktionsanalyse einer Unterrichtssituation, in der ein Schüler im Plenum von der Lehrerin exponiert wird.

8 zum Phänomen der „Exposition“ im Kontext des Umgangs mit Heterogenität im Musikunterricht siehe die in Vorbereitung befindliche Dissertationsschrift von Kerstin Heberle sowie ein Fallbeispiel in Heberle und Kranefeld (2012 b).

9 Dazu gehört, dass „die Lehrkraft das Lernangebot an einem fiktiven Durchschnittsschüler orientiert und dessen Lern- und Leistungsfortschritte zum Maßstab für die Schnelligkeit und Schwierigkeit des (in der Regel gleichschrittigen) Lehrens nimmt“ (Weinert 1997, 51 f.).

10 Die „Reproduktion des Fehlers“ konnte in anderem Kontext als ein Handlungsmuster von Lehrenden im instrumentalen Gruppenunterricht rekonstruiert werden (s. das Fallbeispiel in Heberle und Kranefeld 2012 b).

11 Ein Kamera-Effekt wird in Bezug auf die Invasivität der Aufnahmesituation unterschiedlich diskutiert, aktuell aber eher relativiert; s. dazu etwa Hosenfeld, Helmke, Heyne und Lipowsky (2007).

12 s. dazu ausführlicher Heberle und Kranefeld (2014).

13 Auch andere Merkmale sind denkbar, etwa die Kontextbedingungen eines Lernorts Grundschule, der einen erhöhten Organisationsaufwand erfordert, um an einem Tag an mehreren Schulen zu unterrichten.

14 Ophardt und Thiel (2007) unterscheiden professionstheoretisch zwischen Handlungsmustern und Orientierungsmustern von Lehrenden.

15 Die Lehrkräfte wurden gebeten, in einer vierstufigen Skala anzugeben, wie häufig sie die folgenden zehn – übrigens nicht auf Überschneidungsfreiheit ausgerichteten – Lernfelder in ihrem Unterricht aufgreifen: 1. Vom-Blatt-Spiel, 2. Musikstücke analysieren, 3. Hörschulung, 4. Spieltechnik, 5. Musiktheorie, 6. Musikgeschichte, 7. Etüden, 8. Improvisation, 9. Intonation, 10. Musikalische Gestaltung.

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