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Herzstück Musizieren? EIN EMPIRISCHER BLICK AUF HANDLUNGS-
UND ORIENTIERUNGSMUSTER VON LEHRENDEN
IM INSTRUMENTALEN GRUPPENUNTERRICHT ULRIKE KRANEFELD

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Die Frage, was einen guten Instrumentalunterricht bzw. ein erfülltes Musizieren in der Gruppe ausmachen könnte, ist innerhalb der musikpädagogischen Forschung sowohl Gegenstand normativer bzw. konzeptioneller Überlegungen als auch Hintergrund empirischer Untersuchungen, wie die Beiträge in diesem Tagungsband facettenreich zeigen. Dabei beziehen die Initiatoren der Tagung in Wien 2015 schon mit der Wahl des Tagungstitels Position: Ziel bzw. Bedingung eines Unterrichts, der Musizieren als Herzstück betrachtet, sollte es demnach sein, differenziert zu lehren, individuell zu fördern und den gemeinsamen Klang zu entwickeln. Damit sind zentrale Qualitätsmerkmale benannt, die die musikpädagogische Diskussion seit jeher – aktuell verstärkt auch im Kontext des Umgangs mit heterogenen Lernvoraussetzungen in inklusiven Kontexten – beschäftigen.

Für meine folgende empirische Perspektive auf den instrumentalen Gruppenunterricht wird der Begriff der Qualität insbesondere dann produktiv, wenn man ihn auf seinen lateinischen Ursprung als qualitas, also Beschaffenheit, zurückführt. Es stellt sich also die Frage: Wie ist die Praxis des aktuellen instrumentalen Gruppenunterrichts beschaffen im Hinblick auf die Aspekte Differenzierung und Individuelle Förderung und welche Rolle spielt in der Praxis das Ziel, einen gemeinsamen Klang zu entwickeln?

In Bezug auf den Forschungsgegenstand bedarf es der Einschränkung, dass sich die folgenden Ergebnisse grundsätzlich nur auf ein bestimmtes Praxisfeld, nämlich auf den instrumentalen Gruppenunterricht im Programm „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi) beziehen, wie er in den Jahren 2008 bis 2013 in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde,1 und die Reichweite der Ergebnisse auf die untersuchten Fälle beschränkt ist. Dennoch sind die Einblicke in diese spezifische Praxis vermutlich auch für andere Kontexte instrumentalen Gruppenunterrichts relevant.

Eine Stärke des empirischen Zugriffs liegt grundsätzlich darin, Orientierungs- und Handlungsmuster der beteiligten Akteure erfassen zu können und so – auch jenseits des Blicks auf die konzeptionellen Überlegungen der Programmentwickler – die Beschaffenheit eines Programms beschreiben zu können – und zwar im Kontext seiner aktuellen Praxis. Dahinter steht die Vermutung, dass die didaktische Praxis eines solchen Programms zu einem großen Teil durch die jeweiligen individuellen Handlungsmuster der beteiligten Lehrkräfte geprägt wird. Dies gilt umso mehr für die Anschubphase eines Programms wie „Jedem Kind ein Instrument“, in dem für die Lehrenden nicht von Beginn an vollständig deutlich wurde, welche Ziele mit dem Programm verfolgt werden sollten.

Erst im Lauf der Jahre entstand ein Zieldiskurs, in dem JeKi je nach disziplinärem und weltanschaulichem Standpunkt als „kulturelle Teilhabe“ (Landmann 2012), als „flächendeckende Basismusikalisierung“ (Grunenberg und Gerland 2010), als „musikalische Alphabetisierung“ (Völckers 2007) oder doch als Chance, „die Teilnahme aller zu sichern und gleichzeitig die Spitzenleistung einiger Schüler möglich zu machen“ (Lepenies 2010), gedeutet wurde. Zudem sieht Peter Röbke in JeKi die Möglichkeit zur Verwirklichung einer „musikalischen Praxisgemeinschaft“ (Röbke 2010). Angesichts dieser Diversität und teilweise auch Pauschalität der Zielformulierungen werden die individuellen Zugänge der Lehrenden umso bedeutsamer.

Deshalb möchte ich im Folgenden exemplarisch drei Fragestellungen zu Orientierungs- und Handlungsmustern von JeKi-Lehrenden verfolgen, denen wir zuletzt in Studien2 zum instrumentalen Gruppenunterricht in JeKi nachgegangen sind, und diese dabei auf die drei Themenschwerpunkte des Tagungsthemas beziehen:

1. Differenziert lehren: Wie positionieren sich Lehrende im Spannungsfeld zwischen Einzelförderung und Gruppenfokus?

2. Individuell fördern: Wie vollzieht sich die situative Aushandlung von Differenz in der Unterrichtsinteraktion selbst?

3. Den gemeinsamen Klang entwickeln: Welche Relevanz geben Lehrende dem Lernfeld musikalische Gestaltung im instrumentalen Gruppenunterricht?

Die Varianz der methodischen Zugriffe3 reicht dabei von der videobasierten, fallübergreifenden Rekonstruktion typischer Handlungsmuster von Lehrenden (1.) über die fallbezogene Interaktionsanalyse einer Unterrichtssequenz (2.) bis hin zur quantitativen Auswertung einer Befragung von Lehrenden (3.). Deutlich wird hier, dass sich empirische Forschung aus sehr unterschiedlichen Perspektiven auf den Unterricht richten kann und dabei den „Gegenstand Unterricht“ jeweils neu konstituiert: als Gestaltungsraum für Lehrende (1.), als Interaktion der beteiligten Akteure (2.) und als Reflexionsgegenstand von Lehrenden (3.).

Herzstück Musizieren

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