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Vorwort

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Die Beiträge des vorliegenden Bandes spiegeln zum einen das inhaltliche Geschehen eines Symposiums, das in Kooperation der Musikhochschulen Köln, Linz und Wien zum Thema „Musizieren als Herzstück des instrumentalen Gruppenunterrichts“ am 13. und 14. März 2015 in der Wiener Musikuniversität stattfand. Zum anderen verstärken sie eine Tendenz, die in der Instrumentalpädagogik gewissermaßen aus einer Treue zur Musik und zum Musizieren heraus immer schon angelegt war: die Tendenz, erfülltes und authentisches Musizieren nicht nur als Ziel von Lehren und Lernen anzusehen, sondern schon auf dem Weg dahin immer wieder möglich zu machen. Die Instrumentalpädagogik ist – vielleicht stärker als andere pädagogische Disziplinen – dem Hier und Jetzt verpflichtet: Sie hält es nicht aus, nur Wechsel auf die Zukunft auszustellen.

Auch wenn die Schriften eines Anselm Ernst dafür stehen, dass systematisches didaktisches Denken in der Tradition der lerntheoretischen Didaktik das Fach erreicht hat und der Zusammenhang von Zielen, Inhalten und Methoden für den Instrumentalunterricht entfaltet wurde – immer bleibt in anderen zentralen Publikationen des Fachs die Sensibilität für das Künstlerische wach und mithin für ein sich selbst genügendes Geschehen, das dem zielgerichteten didaktischen Tun durchaus in die Quere kommt; immer ist die Sehnsucht spürbar, dass Musik als Kunst von früh an auch unter den Bedingungen von (Musik-)Schule Wirklichkeit werden solle.

Dieses „Andere“ der Instrumentaldidaktik, diese immerwährende Nähe zum Musizieren selbst, die der Disziplin etwas Nicht-Identisches einträgt, lässt sich im Verhältnis zum vermeintlich eigentlichen didaktischen „Geschäft“ auf unterschiedliche Weise denken. Elisabeth Aigner-Monarth und Natalia Ardila-Mantilla schildern zwei Zugänge zum Gruppenunterricht: Dieser kann als Raum expliziten Lehrens und Lernens und als Raum des Musizierens und des impliziten Lernens betrachtet werden. Anschließend bringen die beiden Autorinnen die Metapher des Oszillierens ins Spiel und verorten hier einerseits die didaktischen Qualitäten des Unterrichtens und andererseits den Ausgangspunkt eines auch der Kunst verpflichteten Handelns: „Erst die Oszillation ermöglicht, dass sich das Künstlerische im instrumentalen Gruppenunterricht vergegenwärtigen kann, dass es für die Lernenden einerseits realisierbar und andererseits präsent und erlebbar wird. Die Oszillation erzeugt sozusagen jene energetische Spannung, wodurch das Künstlerische im Hier und Jetzt hervorgebracht wird.“ Wichtig ist beiden Autorinnen, dass das solcherart hervorgebrachte Künstlerische jede Phase des Unterrichts durchdringen kann, also auch solche, die vordergründig dem expliziten Lehren und Lernen zuzurechnen wären.

Peter Röbke fasst, nachdem er in der Instrumentalpädagogik auf die Suche nach den Spuren des nicht didaktisch Verfügbaren gegangen und damit Phänomenen wie Glück, Spiel, Spiritualität, Als-Ob, Affekt oder Leiblichkeit begegnet ist, das Eintreten dieses „Anderen“ eher als plötzlich eintretendes Ereignis, als etwas, das den Gang der Dinge ändern kann, Hingabe und die Bereitschaft für das Unerwartete verlangt, ein Lauern auf jene Momente nahelegt, in denen Musik wirklich erfahren werden kann. Und ohne in irgendeiner Weise den systematischen Aufbau von Fähigkeiten und Fertigkeiten in Frage zu stellen, geht es auch um ein „Musizieren als gäbe es kein Morgen“ – der Musik und der Motivation zum Musizieren zuliebe.

Ulrich Mahlerts Beitrag lässt sich zum einen lesen als Darstellung der verschiedenen Erscheinungsformen des Glücks beim Musizieren, als Nachdenken über dessen Bedingungen und als Reflexion über die glücksfördernden Verhaltensweisen von Lehrenden, zum anderen aber auch als Exemplifizierung jener von Röbke angesprochenen nicht planbaren und unverfügbaren Glücks-Momente, als ein Gewahrwerden jener Augenblicke, die nur in geringem Maß herstellbar sind, die aber eintreten können, wenn Handeln mit Sinn und Bedeutung versehen ist: „Sorgen wir also als Pädagogen mit all unserer Aufmerksamkeit und Sensibilität zunächst dafür, dass Musik und Musizieren für Lernende Sinn sowie persönliche Bedeutungen gewinnen. Helfen wir ihnen dabei, auf dieser Grundlage Ziele zu erreichen. Dann ist wahrscheinlich auch das Erleben von Glück nicht fern.“

Wolfgang Lessing bringt eine neue Denkfigur ins Spiel – den Tanz auf der Schwelle: Er plädiert in seinem Beitrag dafür, das Verhältnis von Unterrichten und Musizieren als grundlegende Antinomie der Instrumentalpädagogik zu begreifen. Erst dann, so Lessing, werde der Blick frei für die zahlreichen weiteren Antinomien des Unterrichtens und für die Möglichkeiten erfüllten Musizierens, diese Antinomien aufzuheben. Dabei sei das Eintreten jener Momente des Musizierens als Schritt über eine Schwelle zu denken, über eine Schwelle, bei der das Erreichen der Ausgangssituation allerdings jederzeit wieder möglich ist: „Als Pole, die einander positiv gegenüberstehen, identifiziere ich einmal ein Unterrichten, das auf eine Musiziersituation hinzielt, sowie zum anderen ein Musizieren, dessen Intensität bei allen Beteiligten einen im Unterricht zu bearbeitenden Verbesserungswillen erzeugt.“

Bianka Wüstehube schließlich spitzt die Argumentation insofern zu, als sie anhand eines Projekts anschaulich zeigt, wie das Musizieren durchweg den Unterricht dominieren kann: „Von Beginn meiner Unterrichtstätigkeit an ist also das gemeinsame Musizieren im Gruppenunterricht das Herzstück meines musikpädagogischen Tuns. Ich weiß aus langjähriger Erfahrung, dass das Instrument im Musizieren erlernt werden kann – diese Methode sollte oberste Priorität in einem Instrumentalunterricht haben.“ Wüstehube erhebt diese Forderung vor dem Hintergrund einer Rückschau auf die Instrumentalpädagogik der vergangenen 25 Jahre, die unter anderem durch die Impulse der Elementaren Musikpädagogik inspiriert wurde, sich dem Musizieren im Hier und Jetzt zu öffnen. Für den weiteren Weg sei vor allen Dingen das Nachdenken über die pädagogische Grundhaltung der Lehrenden von größter Bedeutung.

Was bedeuteten diese Überlegungen für die Lehrkräfte und für die Anlage des Lehrens?

Natalia Ardila-Mantilla betont in ihrem Beitrag, dass es vor dem Hintergrund des Anspruchs, das Musizieren solle das Herzstücks des Unterrichts sein, unbedingt notwendig ist, die unterschiedlichen Zugänge von Lehrkräften zu grundlegenden Lehrinhalten und zu deren Vermittlung zu bedenken: Es macht einen großen Unterschied, wenn etwa Spieltechnik als Voraussetzung oder als inhärenter Bestandteil des Musizierens gesehen oder deren Erwerb eher gezielt durch Übungen oder eher implizit im Spiel von Stücken angestrebt wird.

Zugleich aber tritt die Autorin entschieden dagegen ein, nun jene „umzupolen“, die von Haus aus scheinbar eine größere Ferne zum Musizieren haben könnten. Dazu verweist sie auf die Differenz, das Aufeinander-angewiesen-Sein und die Transformationen von implizitem und explizitem Wissen und folgert, dass ein „tiefes, lebendiges, differenziertes Verständnis“ vom Phänomen des Musizierens nur möglich sei, „wenn sich Phasen des Handelns und Phasen der Reflexion im Lernprozess abwechseln und die zwei Formen des Lernens einander potenzieren“. Und somit geht es um die Wertschätzung und Nutzung beider Sphären des Lernens, des Lernens im Musizieren und des systematischen, reflexiven Lernens, sowie um offenen Austausch zwischen den VertreterInnen verschiedener musikalischer Praxen und instrumentaler Welten über die je bevorzugte Weise des Lehrens und Lernens.

Michael Rappe und Christine Stöger richten in ihrem Beitrag den Blick auf die weitgehend außerhalb institutionalisierten Unterrichts entstandene Tanz- und Lernkultur des Breaking. Zunächst fallen vor allem die großen Unterschiede in der Aneignung dieses Tanzes im Gegensatz zum instrumentalen Gruppenunterricht auf. Es handelt sich um eine hochgradig performative Praxis, in der viele der gängigen Unterscheidungen oder sogar kontraproduktiven Dichotomisierungen zwischen Üben und Aufführen, Nachahmen und Erfinden, Lernen und Lehren oder Einzelnem und Gruppe keinen Sinn zu machen scheinen. Das Verhältnis dieser Dimensionen changiert vielmehr je nach Situation und Beteiligten. Gerade in diesem Punkt eröffnen sich Bezüge zu anderen Beiträgen dieses Bandes, in denen das Überwinden des Gegensatzes zwischen sinnerfülltem Musizieren und pädagogisch intendiertem Aufbau von Fertigkeiten und Fähigkeiten thematisiert wird.

Wie kam es überhaupt zur Idee des Symposiums, was war letztlich die Initialzündung auch für dieses Buch? In der Instrumentalpädagogik ist der Gruppenunterricht ein mittlerweile recht altes Thema: Die wissenschaftliche Instrumentalpädagogik wie auch die instrumentenspezifische Fachdidaktik setzen sich seit vielen Jahren damit auseinander und in vielen Musikschulen ist auch der instrumentale Gruppenunterricht schon lange eine Realität. Dann aber zeigte die empirische Forschung zum JeKi-Projekt in Bezug auf den Umgang von InstrumentallehrerInnen mit dieser Unterrichtsform auf, dass InstrumentallehrerInnen – zumindest unter den JeKi-Bedingungen – nicht immer in der Lage sind, der Gruppensituation in didaktisch-methodischer Hinsicht gerecht zu werden. Aber selbst wenn der Gruppenunterricht didaktisch-methodisch bewältigt wird: Eher selten geraten wohl JeKi-Lehrkräfte mit ihren SchülerInnen in ein gemeinsames Musizieren im Sinne einer sich selbst genügenden und ästhetisch befriedigenden Praxis.

Daher steht am Beginn der Beiträge jener von Ulrike Kranefeld, ein Beitrag, der im Umfeld der eher normativ oder konzeptionell orientierten Beiträge dieses Buchs die empirische Unterrichtsforschung ins Spiel bringt. Kranefeld arbeitet die beobachtbaren Handlungs- bzw. Orientierungsmuster von Lehrenden heraus und weist darauf hin, dass sich diese in der Realität des Unterrichtens durchdringen. Die Interaktion von Lehrenden und SchülerInnen wird deutlich im Abschnitt „Wie vollzieht sich die Aushandlung von Differenz in der Unterrichtsinteraktion selbst?“: Der schnarrende Ton eines Schülers in einer Gitarrengruppe lässt seinen MitschülerInnen keine Ruhe…

Schließlich wendet sich Kranefeld dem Stellenwert des Lernziels „Musikalische Gestaltung“ bei JeKi-Lehrenden zu: Gegenüber der „normalen“ Musikschularbeit werden von diesen zwar der spielerische Zugang zur Musik und das gemeinsame Musizieren in den Vordergrund gestellt, zugleich aber die Arbeit an der musikalischen Gestaltung als eher weniger wichtig angesehen: Es liegt auf der Hand, dass dann das gemeinsame Musizieren nicht unbedingt auch in künstlerischer Hinsicht ein „Herzstück“ wäre.

Folgerichtig steht am Ende des Buchs der Beitrag von Birgit Walter, die aufzeigt, welche Konsequenzen das Nachfolgeprojekt von JeKi – nämlich „Jedem Kind Instrumente, Singen, Tanzen“ (JeKits) – aus den angesprochenen Problemen gezogen hat: „JeKits dreht das Verhältnis zwischen Instrumentalunterricht und gemeinsamem Musizieren um: Aus einem konsekutiven ‚zuerst Instrumentalunterricht, dann gemeinsames Musizieren‘ wird ein ‚gemeinsames Musizieren, darin integriert Instrumentalunterricht‘.“ Linda Aicher schließlich bettet in ihrem Bericht über eine Poster-Session des Symposiums die Neukonzeptionierung von JeKi in eine Projekt- und Forschungslandschaft ein, in der Projekte wie das Wiener ELEMU (Elementares Musizieren), das El Sistema-inspirierte Superar oder das Monheimer Modell auf Forschungsvorhaben stoßen, die sich der Arbeit in Streicher- und Bläserklassen, Impulsen der volksmusikalischen Praxis für die traditionelle Instrumentalpädagogik oder der Orientierung in dieser Landschaft (Website IGU – Instrumental Gemeinsam Unterwegs) widmen.

Die Beiträge dieses Bandes zeigen unterschiedliche Möglichkeiten, das Musizieren als Ausgangspunkt des instrumentalen Gruppenunterrichts theoretisch zu fassen und praktisch in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen. Es bleibt zu wünschen, dass diese Möglichkeiten im theoretischen Diskurs und in der Unterrichtspraxis erprobt und weiterentwickelt werden, damit der instrumentale Gruppenunterricht sein volles Potenzial entfalten und damit den instrumentalpädagogischen Diskurs – auch jenen über den Einzelunterricht – stärker als bisher prägen und beflügeln kann.

Wir danken den AutorInnen für ihre spannenden und persönlich geprägten Beiträge, den SymposiumsteilnehmerInnen für ihre vielen bereichernden Anmerkungen, insbesondere den Rektoraten der drei beteiligten Musikhochschulen für die Unterstützung des Symposiums bzw. für die Ermöglichung dieser Publikation.

Natalia Ardila-Mantilla

Peter Röbke

Christine Stöger

Bianka Wüstehube

Herzstück Musizieren

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