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4.9 Internalisierung und Externalisierung
ОглавлениеIn der Gesprächspsychotherapie besteht die Tendenz, die Lebensprobleme zwar als interpersonale, indes letztlich doch v. a. als intrapersonale zu verstehen, mithin die Konflikte zu personalisieren und zu internalisieren (d. h. nach innen zu verlegen), obgleich Rogers (1959/2009) in Unterscheidung von den Begriffen Selbst und Selbstkonzept auch das Konzept der Selbststruktur verwendet, »wenn wir auf die Gestalt von einem äußeren Bezugsrahmen aus blicken« (ebd., S. 31; Hervorhebung v. Verf.).
Swildens (1988/2015) hat darauf hingewiesen, dass der Therapeut sich zuweilen veranlasst sieht, Externalisierungstendenzen des Klienten zu unterbrechen. Zur Interruption der Externalisierung schreibt er, dass es der Therapie nicht immer förderlich ist, wenn der Therapeut die feindliche Welt des Klienten dauernd aus dessen Bezugsrahmen als bedrohlich und gefährlich, feindlich und bösartig emphatisch verbalisiert. Manchmal müsse der Therapeut auch den eigenen Gedanken und Gefühle über die »Widersacher« des Klienten und deren Tun und Lassen vorsichtig zum Ausdruck bringen, um auch der »Außenwelt« eine Stimme innerhalb des therapeutischen Prozesses zu geben und selbst kongruent zu bleiben (vgl. ebd., S. 295). Swildens sieht also auch für den Gesprächspsychotherapeuten die Möglichkeit und zuweilen das Erfordernis einer »Intervention« oder gar »Konfrontation«, die er indes vorzüglich als Selbsteinbringung (self disclosure) versteht. »Sofern es überwiegend um eine Konfrontation geht, ist es besonders wichtig, dass der Klient diese als eine fürsorgliche Konfrontation annehmen kann […], wobei der Therapeut nicht den Eindruck erweckt, Punkte zu erzielen, sondern die Interaktion verdeutlicht und vertieft, indem er selbst als Person mit seinen eigenen Gefühlen von Anteilnahme und Sorge präsent ist« (ebd., S. 295 f.).
Hingegen spielt in der Gestalttherapie gerade die Externalisierung (nach außen verlegen) eine wichtige Rolle. Organismen sind fähig, Gestalten zu bilden. Perls (1990) verstand unter Gestalt etwas Zusammenhängendes, »ein umfassendes Ganzes« (vgl. ebd., S. 141 f.). Das jeweilige »Selbst« entsteht aus den Wechselbeziehungen, die Personen in ihrem Umfeld jeweils eingehen. Es wird somit von vornherein nicht als »Substanz« betrachtet (vgl. Perls, Hefferline & Goodman, 1979, S. 31). Die Gesamtheit der inneren und äußeren Umwelt bildet den Hintergrund ab, aus dem die Person jeweils Elemente spontan abhebt und zugleich neu konfiguriert. Im Gestaltbildungsprozess wird mit der Hervorhebung eines Vordergrundes auf einem Hintergrund immer schon Bedeutung konstituiert (vgl. die sog. Umkippbilder). Deshalb ist es naheliegend, dass in therapeutischer Hinsicht ein Externalisierungskonzept nahegelegt wird: Intrapersonale konfliktäre Anteile werden aus der internen Welt des Patienten externalisiert und dort in einen konstruktiven Dialog gesetzt (sog. Stuhl-Dialoge), anstatt jedes Mal die Folgen des ungelösten Streits zu erleiden. Solche »Auseinander-setzungen« intensivieren das Erleben des Patienten und differenzieren seine Wahrnehmungen (vgl. u. a. Maragkos, 2017, S. 121 f.).
Das Psychodrama geht noch einen Schritt weiter, indem die psychischen Kräfte, Wünsche und Befürchtungen in ein Alltagsdrama integriert werden und so die Trennung interner und externer Welt aufgehoben wird. Der 1889 in Wien geborene und schon 1925 in die USA emigrierte Jakob Levy Moreno (1959/2008) wollte die Psyche durch Handeln ergründen, indem er die »Bühne« etwas abgerückt vom therapeutischen Gruppenkreis situierte, auf welcher der Protagonist, der seine Mitspieler (»Hilfs-Ichs«) selbst auswählt, aus dem Stegreif eines seiner Probleme inszeniert, indem er gleichsam Schauspieler, Dichter und Regisseur in einer Person ist. »In der Selbstvergessenheit des Spielens verwandelt sich der Protagonist in seine – der jeweiligen dargestellten Situation entsprechende – wahre Gestalt; Vergangenes wird gegenwärtig, Vorgestelltes real. Der Stoff, den der Protagonist anbietet, sind immer die persönlichen Erfahrungen« (Vater, Wieser & Ruhs, 2011, S. 180).