Читать книгу Ideengeschichte der Psychotherapieverfahren - Группа авторов - Страница 48

4.11 Felt Sense und Felt Shift

Оглавление

Gendlins therapeutische Praxis ist das Focusing. Zu Beginn des Focusing-Prozesses beinhaltet das Erleben nur undeutlich wahrnehmbare Empfindungen. Vorerst können diese leiblichen Befindlichkeiten im Unterschied zu den expliziten Erlebensinhalten noch nicht benannt und ausgedrückt werden. Zunächst ist nur ein diffuses »Etwas« (felt sense) in einem bestimmten Bereich des Leibes spürbar. Es ist insgesamt noch nichts anderes als eine Konstellation von Empfindungen, wie etwa etwas Schweres, Klebriges, Nervöses, Flatterndes (vgl. Gendlin, 1986/1998, S. 56). Demnach ist dieses »Etwas« an sich noch keine eigentliche Emotion im Sinne von Freude, Traurigkeit, Furcht, Scham usw.

Dieses Etwas enthält aber die empfindungsmäßigen Konstituenzien der Emotionen, mithin auch vage implizite Stimmungen und mit ihnen auch noch anderes Leibliches von Relevanz, das jeweils zugleich über die Welt ist, das ursprünglich noch nicht oder nur andeutungsweise zugänglich ist. Der Klient sieht sich veranlasst, diesem Etwas (z. B. einem Druck auf der Brust) eine Stimme zu geben, sodass die Konnotationen, die sich in diesem Druck kreuzen und komprimieren, bedeutsam werden. Was mit und in dem Etwas zum Vorschein kommt, ist eine ganzheitliche, facettenreiche Struktur, zu der auch der Klient gehört, der sie fokussiert und sich in sie wiederum hineinbegibt.

Der Felt Sense impliziert diverse Verbindungen mit der Welt (s. o.). Auch wenn Focusing manchmal den gegenteiligen Eindruck erwecken mag: Thematisiert wird die persönliche Welt des Klienten (etwa seine Arbeitsüberlastung in seiner Firma), und nicht nur seine besondere, rein privat aufgefasste »eigene Innenwelt« (den Stress isoliert vom Arbeitsplatz). Focusing ist letztlich kein intrapsychischer Prozess, eher ein leibliches Durchdringen der persönlichen (Außen-)Welt; ja es wurde die Meinung vertreten, dass beim Focusing so etwas wie ein (rein) intrapsychischer Prozess nicht existiert (vgl. Korbei, 2017, S. 95).

Der Felt Sense ist mehr als das, was vorgängig schon gewusst wurde (z. B. hinsichtlich eines psychosomatischen Problems). Er ist die Quelle für weiterführende Schritte des Fühlens, besteht er doch ursprünglich aus implizierten Bedeutungen, die unter der Voraussetzung eines »achtsamen Verweilens« als nun explizite Bedeutungen ausgefaltet bzw. mittels Sprache ausgedrückt werden können.

Mit der Zeit steigen aus dem körpernahen, empfindungsmäßigen Etwas Bilder, Symbole oder Worte auf (vgl. u. a. Gendlin, 1978/1981, S. 136). Der Klient orientiert sich zwischen den sich herausbildenden Bedeutungen und den sich (u. U. neu) bildenden Gefühlen und versucht, ihre Symbole und ihre Emotionen aufeinander abzustimmen. Er prüft (meistens mehrmals), ob sie (schon) eine »vollkommene Übereinstimmung« erreicht haben (vgl. ebd.). Gerät der symbolisch in den Focus genommene Felt sense i.d.S. in Bewegung, resultiert hieraus, wenn derselbe und ein Symbol schließlich zusammenfallen, ein Felt Shift.

Mit dem Felt Shift wird etwas auf den Begriff gebracht und zugleich weitergeführt. Diese Bewegung kann als weiterführende Explikation von Implizitem in neuer Gestalt verstanden werden. Er führt meistens zu »körperlichen Wohlfühlen, Entspannung und Energiesteigerung« (vgl. Wiltschko, 2008, S. 119). Manchmal wird der Felt shift von einem »Aha« begleitet. Bühler (1934/1999) hatte diesen Ausdruck nicht als Nennwort, sondern als Kundgabe-Partikel (Interjektion) identifiziert und ihn als »Erlebnis« aufgefasst (ebd., S. 311). So führte er ihn im Sachregister als »Ahaerlebnis« an (vgl. ebd., S. 423). Beim Ahaerlebnis handelt es sich um ein plötzliches und einfallsartiges Erlebnis, durch das Zusammenhänge erkannt werden.

Ideengeschichte der Psychotherapieverfahren

Подняться наверх