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5.1.3 »Mit einem Bein im Gefängnis«
ОглавлениеFür die frühen Pioniere der Familientherapie war es wohl nicht einfach, einzeltherapeutische Settings zu überwinden. »Conjoint family therapy«, also therapeutische Gespräche mit der ganzen Familie, gab es erst ab etwa den frühen 1950er Jahren und wer so arbeitete, wähnte sich nicht selten mit einem Bein im Gefängnis. Es waren prägnante Persönlichkeiten, die die eng gesetzten Grenzen der Regeln ihrer Zunft durchbrachen – Virginia Satir, John Bell, Nathan Ackermann, Don Jackson, Jay Haley, Salvador Minuchin, Carl Whitaker, Harry Goolishian und später Mara Selvini Palazzoli und ihre Mailänder Gruppe sollen hier beispielhaft genannt werden (Hoffman, 2002, S. 21).
In der Begeisterung für die neu entdeckte Dimension der Kommunikation und ihrer Muster wurde die Bedeutung des Individuums unterbewertet. Formulierungen wie: »Bei der systemischen Erkundung gilt die innere Struktur der einzelnen und für sich bestehenden Einheit als irrelevant« (Andolfi, 1982, S. 25) entsprangen wohl einer allzu unkritischen Begeisterung, bisherige Ansätze der Psychotherapie wurden leichtfertig über Bord geworfen. Das neue »Paradigma« schien »alles«, was vorher über Psychotherapie gesagt und gedacht wurde, überflüssig zu machen (s. etwa Guntern, 1980).