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Peter Larndorfer „Die Bedeutung der historischen Dimension“ – Historisch-Politische Bildung in der Berufsschule

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Als ich im April 2012 nach meinem Diplomstudium Geschichte und einigen Jahren als Gedenkstätten-Vermittler begann, an einer Berufsschule zu unterrichten, hatte ich hehre Vorstellungen davon, wie ich mein historisches Verständnis und die damit verbundenen politischen Debatten dort vermitteln würde, wo scheinbar kaum über Geschichte, Gedenken und Erinnerung gesprochen wird. Viel vager und unkonkreter war mein Bild von der Zielgruppe meiner bevorstehenden Vermittlungsarbeit: Als Guide an der Gedenkstätte Mauthausen hatte ich recht selten mit Lehrlingen zu tun gehabt, die meisten Jugendlichen besuchten die Gedenkstätte in der 8. Schulstufe oder in einer der letzten Klassen einer höheren Schule. Lehrlingsgruppen waren eher eine Ausnahme, wenn auch eine sehr willkommene. Denn Lehrlinge waren älter als die oft noch etwas unreifen 14-jährigen Mittelschülerinnen und -schüler und weniger auf Außenwirkung, Erwartungen und Repräsentanz bedacht als die Jugendlichen aus Gymnasien. Die seltenen Diskussionen mit Lehrlingen an der Gedenkstätte waren meist angetrieben von impulsiven, wenig überlegten, manchmal auch scheinbar unpassenden Fragen, die zu viel spannenderen Auseinandersetzungen führten als die erwartbaren Fragen, die wohlmeinend im Geschichteunterricht vorbereitet worden waren. In meinen ersten Unterrichtstagen und Wochen wurde mir bewusst, warum diese Erfahrungen mit Lehrlingen in der Gedenkstätte die einzigen waren, auf die ich zurückgreifen konnte: Ich hatte seit meinem 15. Lebensjahr kaum noch Kontakt zu Personen, die eine Lehre begonnen hatten und in die Berufsschule gewechselt waren – und das, obwohl meine Eltern beide eine Lehre absolviert hatten. Ich wusste eigentlich kaum etwas über die soziale Gruppe, die mir im Klassenzimmer gegenübersaß.

Im folgenden Text möchte ich die Gruppe der Lehrlinge als Zielgruppe für historisch-politische Bildung darstellen und Debatten in diesem Zusammenhang nachzeichnen. Im Mittelteil werde ich ausgehend von Workshops, die ich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Netzwerk von _erinnern.at_ für Lehrende aus verschiedenen Berufsschulen halten durfte, auf Bedingungen, Heraus-forderungen und Themenstellungen des historisch-politischen Lernens mit Lehrlingen eingehen. Abschließend werde ich ein konkretes Unterrichtsmaterial vorstellen und allgemeine Überlegungen zum konkreten Unterrichten zeitgeschichtlicher Themen an der Berufsschule anstellen. Dabei werde ich immer wieder meine persönlichen Erfahrungen als Lehrer an einer Wiener Berufsschule einfließen lassen.

Nationalsozialismus und Holocaust – Materialien, Zeitzeugen und Orte der Erinnerung in der schulischen Bildung

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