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Blickzündung
ОглавлениеAls Junge im Alter von sieben Jahren bin ich in Bremen, der Heimat meiner Mutter, einem großen Beter begegnet: Franz Moschner. Er war Priester, und er war blind. Er hatte meine Eltern getraut. Nun wollte meine Mutter mich ihm vorstellen, und so besuchten wir ihn im Pfarrhaus. Wir warteten im oberen Stockwerk, als er die lange Treppe heraufkam. Sie sagte mir noch: »Du weißt, er ist blind. Du musst ihm die Hand geben.« Aber während er bedächtig die Stufen emporstieg, schaute er unverwandt mich an. Ich wunderte mich, weil er doch blind war. Doch noch mehr staunte ich, als mein Blick auf sein Gesicht fiel. Noch nie hatte ich einen Menschen gesehen, dessen Antlitz so von Freude überflutet war wie seines. Später schrieb er, wie er betete. Ich gebe es frei wieder: »Ich musste nicht lange überlegen, wo Gott ist, wie er zu mir steht, was ich ihm bedeute. Ich brauchte nur zu ihm aufzusehen und zu sagen: Du siehst mich und du liebst mich, und war sofort bei ihm.«
Später habe ich diese Art zu beten von ihm übernommen. Mein Beten wurde einfacher. Unsichtbar bin ich Jesus begegnet, sei es, dass ich ihn in meiner Seele berührt habe oder er mich. Ich fühlte seinen Blick in meiner Brust. Dieser Augen-Blick verblasste schnell, wenn ich anfing, Wünsche vorzubringen. So betete ich stattdessen mit dem Wort aus dem kirchlichen Abendgebet: »Du bist der Einzige. Dich will ich lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.« Das ist mehr als alle eigenen Wünsche. Frühmorgens musste diese »Blickzündung« in sein Antlitz geschehen, dann konnte ich tagsüber, wann immer ich wollte, so zu ihm aufschauen in Vertrauen und Freude.
Mit zunehmendem Alter wurde diese Art mein einziges Beten. Seither bleibe ich dabei. Ich sehe ihn unverwandt an, lächle, und dann schweige ich. Gelegentlich muss ich eine Weile warten, bis er meinen Blick spürbar erwidert. Aber dann springt in mir eine Freude auf. Probieren üben!
Raimund Baecker SJ, Berlin, geb. 1930