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still.sein

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Es war am Beginn der 1980er Jahre. Ich hatte gerade das Jesuitennoviziat beendet und in Innsbruck mit meinem Theologiestudium begonnen. Ich war in einer Krise. In mir war ein großes Durcheinander an Gedanken und Gefühlen, an Bedürfnissen, Wünschen und Ängsten. Manchmal wusste ich nicht mehr ein und aus, ich war verzweifelt.

Damals ging ich oft in die Jesuitenkirche. Dort geschah etwas Wichtiges für mein Leben und Beten. Von Kindheit an war ich es gewohnt zu beten. Ich hatte es von meinen Eltern gelernt, wir haben es in unserer Familie gemeinsam getan. So bat ich Gott auch in dieser für mich so schweren Zeit um Hilfe. Ich brachte ihm meine Anliegen vor, teilte ihm meine Gedanken mit und drückte meine Gefühle vor ihm aus. Als ich in meinem inneren Chaos so dasaß, meine Augen auf den goldenen Tabernakel in der dunklen Kirche gerichtet, wurde ich nach einiger Zeit gewahr, wie meine Gedanken und Gefühle allmählich leiser wurden und in den Hintergrund traten. In den Vordergrund traten Ruhe und Frieden und eine stille Freude. Ich wurde mir eines Daseins bewusst, das nicht ich hervorgebracht hatte, eines Seins, das nicht ich, aber in mir war. In solchen Momenten spürte ich kein Bedürfnis mehr, mit Gott zu sprechen. Da war nur noch der Wunsch, bei diesem inneren Empfinden der Gegenwart Gottes zu verweilen und sie wirken zu lassen. In diesen Augenblicken war alles da, es musste nichts mehr weg, und es fehlte nichts. Alles war so gut. Überrascht und erstaunt, aber erfüllt, verließ ich nach solchen Zeiten die Kirche.

Das Erleben in der Jesuitenkirche lockte und schickte mich auf den Weg, immer wieder die Stille zu suchen, sie auszuhalten, sie zu bewahren und sie zu mir sprechen zu lassen. Stille wurde mein Gebet.

Die Stille drängt sich nicht auf. Lärm, Geräusche, Stimmen – äußere wie innere – dringen ständig an unser Ohr. Der Stille aber muss man sich aktiv zuwenden, man muss auf sie lauschen, will man ihrer bewusst werden.

Bis heute versuche ich mich immer wieder der Stille zuzuwenden. In der Natur, in einem stillen Raum, im Atem. Manchmal entdecke ich gleich das Einladende und Anziehende von ihr. Manchmal nicht. Häufig gehen mir tausend Gedanken durch den Kopf, wichtige und unwichtige, interessante und belanglose. Mir kommt etwas in den Sinn, was ich vergessen habe zu erledigen. Oder ich überlege, was ich am Sonntag predigen könnte. Oder es taucht ein Mitbruder auf, mit dem ich einen Konflikt hatte. Und schon bin ich in einer inneren Auseinandersetzung mit ihm. Argumente gehen hin und her, ich werde ärgerlich, ja wütend.

Ich kenne es gut: Wenn es äußerlich still wird, wird es oft innerlich umso lauter. Und dann? Im Laufe der Zeit und unter Anleitung vieler Menschen habe ich gelernt, meine Aufmerksamkeit, die von Gedanken und Gefühlen abgezogen wird, bestimmt und geduldig – sanft – immer und immer wieder der Stille, die ja da ist und da bleibt, zuzuwenden. Ich versuche alles, was mir durch Kopf, Herz und Bauch geht, wahrzunehmen, zuzulassen und wieder loszulassen. Stille wird und ist so der Raum, in dem alles da sein darf, in dem ich da sein darf, wie ich bin. Die Stille nimmt sich allem in mir an, sie nimmt alles in sich auf.

Nicht, dass es immer so ist, nein. Aber ich mache die für mich beglückende Erfahrung, dass das konsequente Bleiben bei der Stille bzw. Zurückkehren zur Stille einen weiten Raum in mir öffnet und Friede und Befriedung einkehren lässt. Und so fängt die Stille allmählich an zu sprechen. Es sind keine Worte, die sie sagt. Sie spricht durch ihr Sein. Sie nährt, kräftigt, erfüllt. Sie lässt das tiefe Wissen aufsteigen, dass ich bin und dass Er ist. Dass wir sind. Eins. Das ist alles, und es ist wirklich alles. Es ist das Wesentliche. In der Stille wird das Ewige Wort laut, sagt Meister Eckhart – und hörbar. Ich bin für diese Erfahrung und diesen Weg unendlich dankbar.

Bernhard Bürgler SJ, Wien, geb. 1960

Wie betest du?

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