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Herr, du allein weißt …

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Dass ich bete, ist mir wichtiger, als wann und wie oder wie lange. Aber ich brauche eine feste Zeit. Das ist der frühe Morgen. Und ein fester Ort ist gut für mich, wenn ich zuhause bin: mich ausrichten, bewusst anfangen. Ich bete zu Jesus: dem Herrn, dem Kyrios, dem Bruder, dem Freund. Seit fast 30 Jahren komme ich bei meiner Betrachtung oft nicht über dieses Vorbereitungsgebet hinaus, sehr oft spreche ich nur einen Teil davon: »Herr, du allein weißt, wie mein Leben gelingen kann … Hilf mir loszulassen, was mich daran hindert, dir zu begegnen … Hilf mir zuzulassen, was in mir Mensch werden will …«. Seit 1985, als ich in den Orden eintrat, bete ich so.

Du allein weißt … loslassen … zulassen … Mensch werden …: Mehr habe ich nicht zu beten und zu bitten. Ich verdanke das Gebet Stefan Hofer SJ. Mein Novizenmeister war ein weiser Mann, ein Menschenkenner, barmherzig. Meine Wertschätzung für ihn ist mir erst spät bewusst geworden. Ich vermisse ihn. Als ich nach 20 Ordensjahren neun Monate (!) lang mein Tertiat in den USA machte und mich oft verloren fühlte, konfrontiert mit all dem, was in diesen 20 Jahren gelungen, was schiefgegangen, was auf der Strecke geblieben war, womit ich zu meiner Bestürzung mit aller Wucht aufmerksam wurde, fand ich Trost in diesem Gebet. Es lässt mich Jesus direkt ansprechen und bitten. Auch um die eigene Menschwerdung, die wohl erst mit dem letzten Atemzug abgeschlossen ist. Ich muss ständig Texte lesen, bearbeiten, edieren, formatieren. Vielleicht ist deswegen mein Beten einfacher geworden und auch konkreter. Loslassen: die Bilder, die Begriffe, die Vorstellungen, meinen Alltag und was damit an Gutem wie an Schlechtem verbunden ist. Zulassen: was in mir zum Menschsein drängt, aber nicht beachtet, nicht gepflegt, nicht wahrgenommen wird.

Nicht fremd ist mir die Bitte an den Heiligen Geist aus einem Pfingstlied: »Bete du in uns, wo wir stumm bleiben …«. Das Verstummen – aus Wut, Aggression, Traurigkeit, Erschöpfung – ist auch eine Erfahrung. Sie verführte mich einmal dazu, monatelang überhaupt nicht mehr zu beten. Bei einem Freund habe ich es dann wieder gelernt. Wochenlang. Er hat einfach gesagt: Wir beten zusammen. Das war, im Nachhinein, spirituelle Starthilfe.

Einige Gebete sind mir besonders lieb. Das Einfachste: »Jesus Christus«. Beim Einatmen: Jesus, beim Ausatmen: Christus. Oder das »Anima Christi«, weil es das Lieblingsgebet von Ignatius war: »Leib Christi, rette mich – Cuerpo de Cristo, sálvame.« Oder die Psalmen mit ihren Stimmungen, die meine sein können. Oder der Rosenkranz, der für mich ein Leben-Jesu-Gebet ist. Den kann ich auch gehend beten. Wiederholungen sind mir wichtig. Sie beruhigen. Ich spreche gern zum Gekreuzigten. Dass er antwortet, laut zu mir spricht, wie bei Don Camillo, das war mein Kindheitstraum.

Je einfacher ich bete, desto ruhiger werde ich. Wenn ich abschweife, Tagträumen nachhänge, mich verzettle, imaginäre Streitgespräche führe, dann merke ich, dass ich nicht sauber begonnen habe. Ich kehre zum Vorbereitungsgebet zurück: »Herr, du allein weißt …«. Und ich bin wieder bei mir – und bei Jesus, meinem Freund.

Andreas Batlogg SJ, München, geb. 1962

Wie betest du?

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