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Ich kann mich darauf verlassen

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Wie bete ich? Das »Äußere« ist schnell erzählt. Unmittelbar nach der morgendlichen Dusche und dem Ankleiden entzünde ich eine Kerze und setze mich auf einen Stuhl, 30 Minuten lang. »Vor Gott da sein (wollen)« ist das Ziel dieser halben Stunde. Hilfreich sind mir dabei einzelne Psalmverse, die ich im Rhythmus des Atems still rezitiere, oder auch die Strophen eines Liedes. Zu Weihnachten hat »Ich steh an deiner Krippen hier« den Vorrang, zu Ostern der Eröffnungsvers der Sonntagsmesse (»Deine Hand hast du auf mich gelegt«) und zu Pfingsten das »Veni Sancte Spiritus«.

Am Abend gehe ich am liebsten in unsere (Haus-)Kapelle und setze mich im Dunkel vor den Tabernakel. Ich versuche, mit Jesus zusammen einen Rückblick auf den vergangenen Tag zu werfen, nach der Methode des Examens im Exerzitienbuch. Dieses Gebet ist oft (zu) kurz, 5 bis 10 Minuten lang – aber es entfällt eigentlich nie, egal wie spät es ist. Dann gibt es noch das Stundengebet (sehr reduziert), das tägliche Gebet in der Jesuitengemeinschaft, das Tischgebet u.a.m.

Die halbstündige Meditation in der Frühe und der Tagesrückblick am Abend sind feste Eckpfeiler meines Tages. Das schweigende Gebet am Morgen ist oft ein zähes Ringen mit dem Schlaf, der mich immer wieder überfällt. Häufig ist es auch ein Ringen mit Gott, der sich mir entzieht. Ich habe darüber schon vor fast 40 Jahren meinem Instruktor im Tertiat geklagt. Seine Antwort war trocken: »Dann beten Sie eben zu diesem Gott, der sich Ihnen immer wieder entzieht.« Es war die hilfreichste Anleitung für mein Beten, die ich in meinem Leben bekommen habe. Der Wert dieser täglichen Meditation am Morgen liegt – so scheint mir – in ihrer Regelmäßigkeit; sie gehört zu meinem Leben. Man könnte sagen: »Ich kann mich darauf verlassen.« Und auch wenn diese »Verlässlichkeit« allein von meinem Wollen abhängt, schöpfe ich daraus die Gewissheit, dass ich mich auch auf Gott verlassen kann. Dieser Gedankengang mag nicht ganz logisch sein; aber so ist es.

Der Tagesrückblick am Abend leidet weniger an der einsetzenden Schläfrigkeit als an den Zerstreuungen, die aus dem bunten Haufen der Begegnungen und Ereignisse des vergangenen Tages hervorquellen. Es ist mir dabei eine Hilfe, allen Menschen, mit denen ich tagsüber einen direkten oder »virtuellen« Kontakt hatte, »einen frommen Gedanken zu schicken«, vor allem jenen, über die ich mich immer noch ärgere. Ich schließe diese kurze Gebetszeit mit dem (lateinischen) »Visita, quaesumus, Domine« aus dem kirchlichen Abendgebet. Ich habe früher viel mehr mit der Bibel gebetet. (Das tue ich jetzt immer noch, aber nur in meinen Exerzitien; hier aber mit Freude und geistlichem Gewinn.) Später habe ich die Worte und Bilder mehr und mehr weggelassen. Ich versuche, Gott in mir zu finden. In diese Richtung hin bin ich unterwegs. Irgendeinmal – es ist schon länger her – habe ich entdeckt, dass ich eigentlich vor allem zu »Gott« bete, aber nicht zu »Jesus«. Das schafft mir insofern Probleme, weil mir dieser Gott eben ein Geheimnis bleibt, freilich: ein Geheimnis, das mich fasziniert und nicht loslässt. Wenn mir Gott allzu weit wegrückt, »wechsle« ich meinen Gesprächspartner, um mit Jesus wieder mehr Nähe zu finden.

Josef Anton Aigner SJ, Wien, geb. 1938

Wie betest du?

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