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6. Die Definition von Merkmalen beziehungszentrierter Forschung

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Die meisten Beiträge zu unserem beziehungszentrierten Ansatz kommen aus der dialogischen Gestalttherapie, die sich an die existenzielle Phänomenologie, die Intersubjektivität und die beziehungsorientierte Psychoanalyse anlehnt, von ihnen unterstützt und auch infrage gestellt wird. Diese Elemente untermauern die vier charakteristischen Merkmale unseres beziehungszentrierten Forschungsansatzes. Die ersten beiden, Präsenz und Inklusion, werden für die meisten GestalttherapeutInnen unmittelbar auszumachen sein: Sie werden wiederum von Intersubjektivität und Reflexivität unterstützt.

Präsenz ist die Fähigkeit, offen und sowohl emotional als auch körperlich anwesend zu sein. Inklusion ist die Fähigkeit, sich selbst in das Erleben des/der Anderen zu versetzen und dadurch die Existenz und das Potenzial des/der Anderen zu bestätigen. GestalttherapeutInnen wird die Anwendung dieser Konzepte in der klinischen Praxis vertraut sein. Diese Konzepte können ebenso auf die Forschung angewandt werden.

Präsenz und Inklusion sind tatsächlich »Zwillingsprozesse«, die einander in der beziehungszentrierten Forschung bedingen. Die Herausforderung besteht darin, innerhalb der Forschung zu sein und Inklusion zu praktizieren und gleichzeitig auch außerhalb zu sein und eine geerdete Präsenz aufrecht zu erhalten, um sich nicht in dem/der Anderen zu verlieren (Yontef 2002). Die Fähigkeit, beides aufrecht zu erhalten wächst und entwickelt sich mit der Erfahrung.

Obwohl ForscherInnen und Forschungsobjekte voneinander getrennt sind, hebt das Konzept der Intersubjektivität ihre Verflechtungen hervor. Jede beziehungsorientierte Begegnung zwischen zwei Menschen umfasst potenziell vielfache ineinander greifende Subjektivitäten, bewusst und unbewusst. Vergangene und aktuelle Aspekte des Selbst eines Menschen können zutage treten und in der Gegenwart mit vergangenen und aktuellen Aspekten des/der Anderen interagieren. Aufgrund der Komplexität dieses intersubjektiven Raums muss eine beziehungsorientierte ForscherIn sich mit der Reflexivität befassen, einer Aufmerksamkeit, die sich ihrer selbst und der Forschungsdynamiken und -prozesse bewusst ist. Wir raten zu einer SupervisorIn, die die ForscherIn in ihrer kritischen Reflexion unterstützt und herausfordert.

Es gibt kein einfaches Buch mit Regeln und Techniken, um ein bestimmtes Forschungsprojekt durchzuführen oder ein bestimmtes Thema einer KlientIn zu erforschen. Diese vier Aspekte der beziehungsorientierten Forschung sind jedoch in geringerem oder größerem Ausmaß bei allen beziehungsorientierten Forschungsprojekten präsent, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung.5 Die Präsenz der ForscherIn ist wesentlich, um die immens wichtige Forschungsbeziehung aufzubauen und verlangt nach körperlichem und emotionalem Engagement, Rezeptivität und Transparenz.

In ihrer Version der Reflective Lifeworld Research entwickeln Dahlberg, Dahlberg und Nystrom (2008) die Idee der Rezeptivität. Sie fordern die ForscherIn auf, eine »offene, entdeckende Art zu sein« anzunehmen und eine »Fähigkeit, sich überraschen zu lassen und dem Unvorhersagbaren und Unerwarteten mit Sensibilität zu begegnen« zu entwickeln (ebd., 98 [Übers. a. J.]). Wertz (2005) wendet diese Ideen auf den Prozess der Einklammerung (Epoche) in der phänomenologischen Forschung an, wobei er postuliert, dass die ForscherIn versuchen muss, sich ganz auf die Situation der TeilnehmerIn einzulassen und »die beschriebene Situation auf langsame, meditative Weise auszukosten und sich all den Details zu widmen, ja, sie sogar hervorzuheben« (ebd., 172, [Übers. a. J.]).

Es ist unser »intersubjektiver Erfahrungs-Horizont, der uns Zugang zu den Erfahrungen anderer ermöglicht« (ebd., 168). In diesem intersubjektiven Zusammenhang (Kontext) gibt es ein »wechselseitiges Eingelassensein und Verflochtensein« von Anderen in uns und von uns in sie (Merleau-Ponty 1968, 182). Diese Verflechtung geschieht auf sichtbare und auf versteckte Weise, da eigene Aspekte mit Teilen des/der Anderen interagieren und mit ihnen verschmelzen. Ein Weg, diese komplizierten Verknüpfungen zu verstehen, im Zuge deren wir aufeinander auf vielen Ebenen reagieren, ist, sich die vielfachen, interagierenden Subjektivitäten, die präsent sind, bewusst zu machen. DeYoung beschreibt diese Beziehungs-Verknüpfungen als »dicht bevölkerte« Begegnungen (DeYoung 2003 [Übers. a. J.]).

Jeder und jede von uns bringt seine/ihre einmalige Art, in der Welt zu sein,6 in die Forschungsbegegnung ein. Sie entstammt der persönlichen Geschichte, die Alter, Geschlecht, Ethnie und Persönlichkeit umfasst (Evans / Gilbert 2005). Dieses In-der Welt-Sein formt die Wahrnehmung von Ereignissen und beeinflusst die beziehungsorientierte Begegnung (Stolorow / Atwood 1992). Die kritische Reflexion darüber, wie die ForscherIn und die Forschungsbeziehung sowohl den Forschungsprozess als auch die Ergebnisse beeinflussen können (Finlay / Gough 2003), ist das wesentliche Thema. Wenn die Subjektivität und die Intersubjektivität der ForscherIn durch Reflexivität in den Vordergrund geholt werden, fangen sie an zu trennen, was eher zur ForscherIn gehört als zum Forschungsgegenstand.

Als GestalttherapeutIn werden Sie bei der Lektüre dieses Kapitels den Wert und die Bedeutung der Reflexivität natürlich zu würdigen wissen. Und Sie werden sich auch bewusst sein, wie wertvoll Supervision bei dem Versuch sein kann, einige der komplizierten subjektiven und intersubjektiven Themen zu entwirren, die die Therapie erheblich beeinflussen könnten. Dasselbe trifft auf den Forschungsprozess zu. Wir sind der Ansicht, dass beziehungszentrierte Forschung idealerweise sowohl durch akademische Supervision als auch durch eine Supervision des Forschungsprozesses begleitet wird (Evans 2007).

Gestalttherapie in der klinischen Praxis

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