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2. Die medikamentöse Behandlung als Teil der therapeutischen Situation

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Wenn eine PatientIn psychiatrische Medikamente nimmt, beeinflusst dieser Umstand die gesamte therapeutische Situation. Die Medikation verändert den Verlauf der Therapie und wirkt sich auf die therapeutische Beziehung und die Ergebnisse der Therapie aus. Sie stellt einen erheblichen externen Einfluss dar, der normalerweise unabhängig von der Psychotherapie und der TherapeutIn besteht. Dies kann eine schwierige Situation für eine TherapeutIn sein, doch keine Außergewöhnliche. Es gibt viele unabhängige Einflüsse in der Psychotherapie1 und die Medikation ist nur einer von ihnen.

Die Medikamente können signifikante Veränderungen im Verhalten und in der Art hervorrufen, wie eine PatientIn sich selbst und ihre Umwelt erlebt. Dies ist in ihrer Art, in der therapeutischen Situation zu sein, präsent. So kann z. B. ein Antidepressivum einer PatientIn helfen, Energie zu mobilisieren, was möglicherweise einen signifikanten Einfluss auf den Verlauf der psychotherapeutischen Sitzungen hat. Wir können uns vorstellen, dass in diesem Fall die Medikamente einen ähnlichen Effekt auf die PatientIn haben, als sei sie verliebt. Auch das Verliebt-Sein verleiht der PatientIn Energie und umgeht ihre Achtsamkeit und ihre Kontrolle. Das Verliebt-Sein als Einfluss ohne direkte Verbindung zur Psychotherapie hätte einen signifikanten Einfluss auf den Verlauf der Psychotherapie. Plötzlich stehen der PatientIn Möglichkeiten offen, die in der Psychotherapie zuvor nicht zugänglich waren. Sie spürt das Einströmen von Energie, glaubt an ihre Fähigkeiten und plant Veränderungen in ihrem Leben. Diese Möglichkeiten haben sich ohne eine direkte Verbindung zum Prozess der Psychotherapie aufgetan. Verliebt zu sein öffnet Wege zu persönlichem Potenzial, das man sich nie erträumt hat, doch wenn das Gefühl wieder verschwindet, kann der Effekt verblassen. Die Auswirkungen mancher Medikamente können ähnlich sein, auch wenn sie keine so dramatische Form annehmen. Andere Medikamente können unterschiedliche Auswirkungen zeigen, so können sie z. B. dabei helfen, Emotionen zu regulieren und Erfahrungen zu integrieren. Es ist wichtig für die TherapeutIn, ihre Einstellung zu solchen von unabhängigen externen Faktoren stammenden Einflüssen auf die therapeutische Situation, genau zu untersuchen und sich ihrer bewusst zu werden.

Doch als GestalttherapeutInnen betrachten wir keinen Faktor als unabhängig, wir sehen die Situation auf ganzheitliche Weise. Wir können die Medikamente als besten Weg begreifen, der der PatientIn im Moment hilft, mit einer schwierigen Situation umzugehen. Die Medikamente einzunehmen steht in Verbindung mit dem aktuellen Bedürfnis der PatientIn, das innerhalb des gesamten Feldes nicht nur von gegenwärtigen und vergangenen Beziehungen zur Außenwelt, sondern auch von der Beziehung zu sich selbst entsteht. Die Medikamente interagieren auf verschiedene Weise mit anderen Elementen des Feldes: Oft übernehmen sie eine unterstützende Funktion, doch sie können auch stigmatisieren und Einschränkungen hervorheben, sie können verwendet werden, um die Außenwelt zu manipulieren, und sie können andere Aufgaben erfüllen, von denen wir manche im folgenden Text beschreiben werden. Es ist wichtig, auf phänomenologische Weise bewusst zu machen, wie die Medikamente die therapeutische Situation beeinflussen.

Gestalttherapie in der klinischen Praxis

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