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Neulanderschließung und Kolonisation
ОглавлениеDie Ausdehnung der Agrarflächen war in vorindustriellen Gesellschaften der naheliegendste Weg der Steigerung der Agrarproduktion. Neulanderschließung und Kolonisation haben deshalb auch in allen uns bekannten Bauerngesellschaften eine lange Tradition. Neu an diesen Prozessen im Untersuchungszeitraum waren die Schnelligkeit der Kolonisierung, die Größe der erschlossenen Räume und die Zahl der in die Frontierräume einwandernden Menschen. Im Folgenden werden drei große Siedlungsexpansionen skizziert, die europäisch-atlantische Expansion, die Kolonisationsprozesse in China sowie die Erschließung des heutigen Bangladesch durch islamische Siedler aus Nordindien.
Kolonisation im europäischatlantischen Raum
Kolonisationsprozesse im europäisch-atlantischen Raum: Im hochmittelalterlichen Europa war die deutsche Ostsiedlung wahrscheinlich der dramatischste Kolonisationsprozess. Er brachte deutschsprachige Bauern in die slawisch besiedelten Räume östlich von Elbe und Saale. Die deutsche Ostsiedlung erstreckte sich über mehrere Jahrhunderte, sie erlebte ihren Höhepunkt aber zwischen ca. 1150 und ca. 1350. Im Laufe des 12. Jahrhunderts wurden Holstein, Mecklenburg und Brandenburg kolonisiert, im 13. Jahrhundert drangen deutsche Siedler nach Pommern, Schlesien und Nordmähren vor. Als letzte Region wurde Preußen besiedelt. Dieses Land wurde zwar schon seit dem frühen 13. Jahrhundert vom Deutschen Orden beherrscht, die Ansiedlung deutscher Bauern begann aber erst im späten 13. Jahrhundert, nachdem Aufstände der einheimischen slawischen Bevölkerung niedergeworfen worden waren.
Die genaue Zahl der Kolonisten, die aus den altdeutschen Siedlungsgebieten ins östliche Mitteleuropa migrierten, ist nicht bekannt. Schätzungen gehen von rund 200.000 Migranten im 12. Jahrhundert und nochmals von etwa der gleichen Zahl im 13. Jahrhundert aus. Insgesamt wurde zwischen dem 12. und dem 14. Jahrhundert der deutschsprachige Siedlungs- und Sprachraum um mehr als ein Drittel erweitert.
Neulandgewinnung
Die deutsche Ostsiedlung war nicht der einzige Kolonisierungsvorgang im Hochmittelalter. Sie war vielmehr nur ein Teil eines viel umfassenderen Landerschließungsprozesses, der fast alle Länder Europas erfasste und überall zur Erweiterung der vorhandenen Agrarflächen führte. Nicht immer wurde bisher unkultiviertes Land kolonisiert. Im hochmittelalterlichen Spanien bestand ein Teil der Kolonisierung aus der Wiederbesiedlung von Räumen, die vorher im Zuge der Reconquista entvölkert worden waren; und nicht immer vollzog sich die Expansion auch nach außen, in kulturell fremde Frontierräume. Oft war es schlicht Binnenkolonisation, die zur Ausdehnung der Agrarfläche führte. Bereits bestehende Siedlungen und landwirtschaftliche Nutzflächen wurden durch die Rodung umliegender Wälder, durch die Trockenlegung von Sümpfen und Mooren oder durch den Bau von Deichen und Dämmen erweitert, um dem Meer Land abzuringen. In England wurden besonders im 13. und 14. Jahrhundert ausgedehnte Moorlandschaften in Cornwall und Devon urbar gemacht. Die Stadtkommunen Oberitaliens, vor allem jene in der Lombardei, in Venetien und in der Emilia-Romagna, regulierten in der zweiten Hälfte des 12. und im 13. Jahrhundert die Flüsse und legten die Sümpfe trocken. Ein weiterer Schauplatz der Neulandgewinnung befand sich in den Niederlanden: Hier hatte man bereits im 10. Jahrhundert mit dem Bau von Deichen begonnen, zunächst in Flandern und Zeeland, nach 1200 auch in Holland. Ortsnamen auf -dijk und -dam erinnern bis heute an den Entstehungskontext zahlreicher Siedlungen.
Demographische Katastrophe
Mitte des 14. Jahrhunderts fand das Wachstum der Agrarflächen dann aber ein abruptes Ende; es hatte sich bereits seit Anfang des Jahrhunderts deutlich verlangsamt. Missernten, Viehseuchen und Hungersnöte waren die Ursache. 1347 erreichte schließlich die erste Pestwelle Europa. Weitere Pestwellen – wie jene von 1360/1361 und 1380/1383 – folgten. Sie stürzten Europa in eine demographische Katastrophe. Etwa ein Drittel der Bevölkerung fiel der verheerenden Seuche zum Opfer. Ganze Siedlungen wurden aufgegeben, die Agrarflächen schrumpften und Ackerland wurde in Viehweiden verwandelt.
Erholung der Bevölkerung
Mitte des 15. Jahrhunderts begann sich die Bevölkerung wieder langsam zu erholen, die Agrarflächen fingen wieder an zu wachsen. Erneut war es ein Wachstum nach innen und nach außen. Das Wachstum nach außen, in kulturell fremde Frontierräume, führte nun weit über Europa hinaus. Es wurde zunächst von Spanien und Portugal getragen; nach 1600 folgten Briten, Franzosen und Holländer. Das Vorspiel ereignete sich auf Madeira, den Azoren und den Kanarischen Inseln. 1402 begann die Eroberung der Kanaren, in den 1420er Jahren landeten die ersten portugiesischen Siedler auf Madeira, ca. zwei Jahrzehnte später auf den Azoren. 1492 erreichte Kolumbus schließlich die Karibischen Inseln, einige Jahre später auch das amerikanische Festland (s. Beitrag „Fernhandel und Entdeckungen“). Nach der Unterwerfung der indigenen Bevölkerung in der Neuen Welt standen den Europäern dort riesige Landreserven zur Verfügung. Einerseits gab es eine Fülle von unkultiviertem Land, andererseits wurden durch den demographischen Kollaps der indianischen Bevölkerung enorme Mengen an bereits kultivierten Agrarflächen frei.
Ranch-Ökonomie
Diese Landflächen wurden von den Europäern nun Schritt für Schritt in Kultur genommen. Dazu bediente man sich einer Vielfalt von Agrarsystemen. Diese wiesen ganz unterschiedliche Intensitätsgrade in der Landnutzung auf. Einerseits wurden traditionelle Agrarsysteme aus der Alten in die Neue Welt transferiert – etwa das System der gemischten Landwirtschaft, das aus Europa nach Neu-England und in die mittelatlantischen Kolonien transferiert wurde. Andererseits entstanden auch neue Agrarsysteme in den amerikanischen Kolonien, wie die Plantagenwirtschaft und die Ranch-Ökonomie. Das System der Ranch-Ökonomie – im Deutschen etwas umständlich als extensive stationäre Weidewirtschaft bezeichnet – wurde zum prägenden Agrarsystem der amerikanischen Grasländer. Dieses Agrarsystem hatte im südlichen Spanien des 12. und 13. Jahrhunderts seinen Ursprung. Zur vollen Entfaltung gelangte es aber erst in der Neuen Welt seit dem 16. Jahrhundert. Das Besondere dieses Agrarsystems in der Neuen Welt war dessen großbetriebliche Struktur, die extensive Art der Landnutzung in Form der Rinderund Schafweidewirtschaft sowie die Orientierung der Produktion an Märkten, und zwar sowohl an regionalen wie auch an internationalen Märkten. Für diese Märkte wurden Fleisch, Wolle, Häute und Talg produziert. Die großen Weidewirtschaften der Neuen Welt entstanden in Mexiko, in den Llanos von Venezuela, im Sertão von Nordostbrasilien sowie in der Pampa von Argentinien und Uruguay.
Plantagenwirtschaft
Neben diesen extensiv genutzten Agrarzonen entstanden ab der Mitte des 16. Jahrhunderts auch intensiv betriebene Ackerbauregionen, die zunächst Zucker, später auch Tabak, Reis, Kaffee, Kakao, Baumwolle und Indigo für den europäischen Markt erzeugten. Dazu schufen die europäischen Kolonisten ein völlig neues Agrarsystem: die Plantagenwirtschaft. Auch dieses Agrarsystem hatte seine Wurzeln in der Alten Welt, und zwar in den Zuckerrohr-Anbaugebieten des mediterranen Europas sowie von Madeira und den Kanaren. Auch dieses Agrarsystem gelangte erst in der Neuen Welt zu seiner vollen Entfaltung. Hier sollte es eine ganze Weltregion prägen, und zwar den Nordosten Brasiliens, die Küstenregion des nördlichen Südamerika, die gesamte karibische Inselwelt sowie den Südosten der heutigen USA. Dieser Raum wurde seit dem frühen 16. Jahrhundert in mehreren Etappen zu einer riesigen Plantagenexportregion umgebaut. Das bedeutete großbetriebliche Produktionsstrukturen, Erzeugung tropischer Agrargüter für den Export nach Europa und arbeitsintensive Nutzung des Ackerlandes mit Hunderttausenden von Zwangsarbeitern, die auf Sklavenmärkten in West- und Zentralafrika gekauft wurden. Insgesamt wurden nach den Berechnungen von Herbert Klein mehr als sieben Millionen Afrikaner bis 1800 in die Neue Welt gebracht. Die Zahl der europäischen Einwanderer in die Neue Welt zwischen 1492 und 1800 dürfte etwa zwischen ein und zwei Millionen Menschen betragen haben.
Die Kolonisation der Agrarflächen, die sich die Europäer nach 1492 in den beiden Amerikas aneigneten, geschah bis Ende des 18. Jahrhunderts also nur mehr zu einem kleinen Teil durch europäische Siedler. Ein großer Teil der Arbeit von Urbarmachung und weiterer Nutzung wurde von Afrikanern und der überlebenden indianischen Bevölkerung sowie den sich formierenden Mestizen- und Mulatto-Populationen geleistet. In der Frühen Neuzeit wurde auf den amerikanischen Agrarflächen ein Produktionssystem aufgebaut, das alle Kontinente der Welt einschloss: Das Kapital kam aus Europa, ein Teil der Arbeitskräfte aus Afrika und ein Teil der angebauten Feldfrüchte aus Asien (Zuckerrohr, Reis etc.).
Export
Ein beträchtlicher Teil der in der Neuen Welt erzeugten Agrarprodukte ging wieder nach Europa. Um 1770, am Vorabend der Amerikanischen Revolution, wurden in der Neuen Welt jedes Jahr ca. 200.000 Tonnen Zucker, ca. 60.000 Tonnen Kaffee, ca. 40.000 Tonnen Tabak, ca. 35.000 Tonnen Reis, weitere je ca. 35.000 Tonnen Weizen und Mais, ca. 8000 Tonnen Kakao, ca. 9000 Tonnen Baumwolle sowie hunderttausende Tierhäute für den Export erzeugt. Nicht alles davon wurde nach Europa exportiert. Ein Teil der Getreideexporte blieb in der Neuen Welt. Reis und Mais wurden vom nordamerikanischen Festland in die karibischen Plantagenkolonien exportiert, um dort die Sklaven zu ernähren, die wiederum Zucker und Kaffee für Europa erzeugten. Der Großteil der übrigen genannten Produkte ging aber nach Europa und ließ dort nicht nur neue Genussmittelkulturen entstehen, sondern leistete auch einen wichtigen Beitrag zur Kalorienversorgung der im 18. Jahrhundert rasch wachsenden europäischen Bevölkerung.
Expansion nach Osten
Europa expandierte in der Frühen Neuzeit nicht nur nach Westen. Auch im Osten wurde weiter kolonisiert und neues Agrarland gewonnen. Diese Kolonisationsbewegung wurde vor allem von Russland getragen. 1480 wurde der Ural überschritten, rund ein Jahrhundert später begann die Eroberung Sibiriens. Gleichzeitig expandierte Russland nach Süden und Südosten. 1552 und 1554/1556 wurden die Khanate von Kasan und Astrachan an der Wolga erobert und für russische Siedler geöffnet. Im 17. und 18. Jahrhundert kamen mehr als zwei Millionen Siedler in die Waldsteppen und Steppen von Südrussland und der Ukraine. Im selben Zeitraum zogen auch ca. 400.000 Siedler nach Sibirien.
Binnenkolonisation
Neues Agrarland wurde in der Frühen Neuzeit auch durch Binnenkolonisation gewonnen. Wie in der hochmittelalterlichen Expansionsperiode wurden auch nun wieder Wälder gerodet, Sümpfe trockengelegt und Heiden urbar gemacht. In vielen Regionen Europas wurde Marschland kolonisiert. Allein in den Niederlanden wurden zwischen 1540 und 1815 189.396 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche durch Eindeichungen und Trockenlegungen neu hinzugewonnen. Holländische Wasserbauingenieure und Handwerker waren damals als Experten der Entwässerung in ganz Europa gefragt. Sie finden sich bei der Urbarmachung im Raum entlang der Elbe genauso wie in Brandenburg, England, Frankreich und Italien. In Deutschland wurden im 18. Jahrhundert auch das Donaumoor in Bayern, einige Hochmoore in Hannover und Oldenburg sowie Feuchtgebiete an Oder und Warthe trockengelegt. Am Oderbruch bei Frankfurt konnten zwischen 1747 und 1753 56.000 Hektar neue landwirtschaftliche Nutzfläche dazugewonnen werden, in den Warthebrüchen waren es bis 1786 ca. 30.000 Hektar. In vielen Teilen Deutschlands fanden weiterhin auch Waldrodungen statt, obwohl umfangreiche landesweite Verbote die Waldbestände schützen sollten. Insgesamt schätzt man, dass in Deutschland zwischen 1500 und 1800 die landwirtschaftliche Nutzfläche um ca. 60 Prozent zunahm.
Kolonisationsprozesse in Ost- und Südasien
Kolonisationsprozesse in Asien: Die Expansion Europas nach Westen und nach Osten war ein dramatischer Kolonisationsprozess. Nicht weniger dramatisch waren auch die ungefähr zur selben Zeit ablaufenden Kolonisationsprozesse in Ost- und Südasien. Auch hier wurden Millionen von Hektar an neuen Agrarflächen kultiviert, auch hier machten sich Millionen von Kolonisten auf den Weg, und auch hier wurde nicht selten die indigene Bevölkerung marginalisiert beziehungsweise kulturell assimiliert.
Ca. 10 Millionen Chinesen migrierten im 17. und 18. Jahrhundert in die Region am oberen Jangtse – im Wesentlichen in die westchinesische Provinz Sichuan (Szechuan). Sie kultivierten dort Land, das im Zuge des Dynastiewechsels in den 1640er Jahren verwüstet worden war, beziehungsweise erschlossen neues Ackerland.
Räume der Kolonisationsdramen
Ein beliebter Frontierraum für Chinesen war auch der Südwesten Chinas, also die Provinz Yunnan sowie kleinere Regionen in den angrenzenden Provinzen. Mindestens drei bis vier Millionen Han-Chinesen wanderten dort zwischen dem 13. und frühen 19. Jahrhundert ein. In der ersten Phase während des 13. bis 16. Jahrhunderts wurden ca. eine Million Soldaten und Agrarkolonisten von der chinesischen Regierung dorthin geschickt. Sie wurden mit Saatgut, Zugtieren und landwirtschaftlichem Werkzeug ausgestattet und auf Bauernhöfen angesiedelt. In der zweiten Periode zwischen ca. 1700 und ca. 1850 waren es hauptsächlich freie Migranten, die in den Südwesten kamen, dort Land erschlossen oder in den Bergwerken und Textilzentren Arbeit fanden. Diese Masseneinwanderung führte zu einem völligen Umbau im ethnosozialen Profil der Region. Um 1250 hatten wahrscheinlich drei Millionen Menschen im Südwesten gelebt. Darunter befanden sich damals noch ganz wenige Han-Chinesen. Der Großteil der Bevölkerung gehörte zu einer von etwa 30 verschiedenen ethnischen Gruppen. Bis 1600 erhöhte sich die Bevölkerung auf ca. fünf Millionen, ca. ein Drittel davon waren nun aber bereits Han-Chinesen. Um 1850 war der Südwesten dann in hohem Maße sinisiert. Circa zwei Drittel der 20 Millionen Menschen galten nun als Han-Chinesen.
Ähnliche Kolonisationsdramen ließen sich über Zentralchina, über die Bergregionen im Süden des Jangtse, über Taiwan sowie über die Mandschurei erzählen. Auch diese Regionen wurden zu Schauplätzen der Erschließung neuer Agrarflächen, der Einwanderung chinesischer Kolonisten und des Transfers intensiver Agrartechniken aus Nord- und Südchina. Im gesamten chinesischen Raum konnte auf diese Art die Ackerfläche von 225.500 Quadratkilometer im Jahr 1400 auf 634.200 Quadratkilometer in den 1760er Jahren sowie weiter auf 816.000 Quadratkilometer 1873 erhöht werden.
Das heutige Bangladesch als Frontierraum
Als weiterer Frontierraum in Asien wäre Ostbengalen, das heutige Bangladesch, zu nennen. Bangladesch zählt heute zu den am dichtesten besiedelten Ländern der Welt. Es ist ein dominant islamisches Land und mehrheitlich von indo-europäischsprechenden Bengalen bewohnt. Bis um 1600 war dies völlig anders. Damals war Ostbengalen dünn besiedelt, größtenteils von tropischem Urwald bedeckt, und die Region als Ganzes war weder islamisiert noch hinduisiert. Ein großer Teil der Bevölkerung verehrte Naturgottheiten, betrieb Wanderfeldbau oder lebte in isolierten Gemeinschaften von Fischern. Die Region war unterentwickelt und von der Mogulherrschaft nur schwach kontrolliert. Die Beamten der Mogulherrscher betrachteten die Region deshalb auch als unzivilisierte Wildnis, die gezähmt werden musste – und dies geschah dann auch. 1602 verlegten die Moguln eines ihrer militärischen Hauptquartiere von Rajmahal in Westbengalen nach Dhaka, der heutigen Hauptstadt von Bangladesch. In den folgenden zwei Jahrzehnten wurde Ostbengalen voll in den Herrschaftsbereich der Moguln integriert. Die neu etablierte Mogulherrschaft schuf die nötige politische Stabilität für eine erfolgreiche bäuerliche Kolonisation. Bengalischsprechende Reisbauern begannen von Westen und Norden immer weiter nach Ostbengalen vorzudringen. Angeführt wurden sie von muslimischen Sufi-Meistern. Diese religiösen Anführer erhielten zunächst Landrechte in den Frontierregionen von den Beamten der Moguln oder von Hindu-Kaufleuten zugesprochen. Dann benutzten sie ihr religiöses Charisma und ihre organisatorischen Fähigkeiten, um die Neusiedler zu mobilisieren. Die neuen Ansiedlungen wurden um kleine ländliche Moscheen herum angelegt. Fast fünf Jahrzehnte lang wurde Urwald gerodet, wurden Bewässerungssysteme angelegt und mit intensivem Nassreisanbau begonnen. Das Land um die Moscheen wurde von Steuern befreit. Mitte des 17. Jahrhunderts war Ostbengalen von einer unterentwickelten Dschungelregion zu einer hochentwickelten Agrarregion geworden, die jedes Jahr enorme Überschüsse an Reis und ghee (indisches Butterschmalz) erzeugte, die in andere indische Regionen exportiert wurden. Diese Überschusslandwirtschaft bildete dann auch eine Grundlage für den Aufbau einer exportorientierten Baumwoll- und Seidenproduktion.