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Einleitung

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Walter Demel

Entdeckungen

Entdeckungen charakterisieren den in diesem Band behandelten, freilich von „fließenden“ Grenzen umrahmten Zeitraum in einem besonderen Maße. Dem deutschen Wort – wie vielen seiner Entsprechungen in anderen europäischen Sprachen – liegt die Vorstellung zugrunde, dass eine Sache zunächst nicht sichtbar, weil „bedeckt“, gewesen sei und dann durch den Vorgang der „Entdeckung“ mit einem Mal erkennbar vor Augen liege. Eine solche Erkenntnis, so die Idee, gehe normalerweise nicht mehr verloren.

Tatsächlich wissen die weitaus meisten Menschen der heutigen Welt, dass es einen Kontinent Amerika gibt, und auch wenn Kolumbus glaubte, in Ostasien gelandet zu sein, bildeten seine Fahrten doch die für diese Erkenntnis wesentliche Grundlage. Zwar waren auch die Wikinger, schon um das Jahr 1000, zum Beispiel auf Neufundland gelandet. Das blieb jedoch vergleichsweise folgenlos. Das Entscheidende ist also nicht, dass irgendein Seefahrer auf ein „neues“ Land stößt, sondern dass dieses Ereignis zumindest mittelfristig das Leben vieler Menschen verändert: durch die Wandlung ihres „Weltbildes“, aber noch mehr durch den Transfer von Krankheiten, Naturprodukten oder Kulturgütern aller Art. Gerade das 15./16. Jahrhundert führte, nach vorherigen Rückschlägen, zu einer Verdichtung und dauerhaften Verstetigung der Kontakte zwischen weit entfernten Weltgegenden und Kulturen. Das ermöglichte eine Ausweitung der gegenseitigen Kenntnisse, die nun über das hinausgingen, was frühere Reisende wie Ibn Battuta oder Marco Polo vermittelt hatten.

Neue Ordnungen

Außer durch die Ausweitung geographischer Kenntnisse und den interkulturellen Austausch veränderte sich das „Weltbild“ durch neue wissenschaftliche Entdeckungen und Entwicklungen. Erfolgte eine grundlegende Neuordnung des Wissens im Westen erst im Zuge einer späteren „Wissensrevolution“ (s. Band V), so entstanden doch schon in der hier betrachteten Epoche im politisch-gesellschaftlichen Bereich in vielen Weltgegenden neue Ordnungen und Strukturen. In Europa bildete sich ein Ständewesen aus, und an die Stelle des Universalismus von Kaisertum und Papsttum trat mehr und mehr ein System souveräner Staaten. Miteinander konkurrierend, begann ein Teil von ihnen Kolonien in aller Welt zu gründen und vernichtete dabei indigene Kulturen, vornehmlich in Amerika. Dagegen schottete eine zentrale Herrschaft Japan ab 1640 weitgehend von der Außenwelt ab, nachdem sie zuvor die inneren Kämpfe der kriegerischen Samurai beendet hatte. Im Reich der Mitte blieben nach der Mongolenherrschaft konfuzianische Literatenbeamte die staatstragende Elite. Aber an die Spitze der Gesellschaft traten ab 1644 ein Kaiserhaus und ein Adel mandschurischer Herkunft. In ähnlicher Weise herrschten seit 1206 diverse muslimische Dynastien und Eliten zentralasiatischer beziehungsweise persischer Herkunft und kultureller Prägung über große Teile Indiens sowie eine mehrheitlich hinduistische Bevölkerung – eine für das Mogulreich im 18. Jahrhundert zunehmend instabile Konstellation. In weiten Gebieten der nördlichen Hemisphäre förderte eine unter anderem klimabedingte Krise im 17. und frühen 18. Jahrhundert – zumindest vorübergehend – eine gewisse soziale Dynamik und stürzte weitere Reiche in wachsende Schwierigkeiten, die im Falle der Safawiden und der spanischen Habsburger ebenfalls zu einer Aufteilung ihrer Imperien führten. Erhalten blieben dagegen politische Gebilde, in denen die weltliche Herrschaft durch wiederbelebte oder neue Legitimationsformen schließlich erneut gefestigt werden konnte.

Bevölkerung und Landbau

Demographie, Technik und Wirtschaft, die Gesamtheit der Menschen in ihrer ungleichmäßigen Verteilung über die Welt und die Erfüllung ihrer Lebensbedürfnisse durch Landwirtschaft, Gewerbe und Handel, bilden den ersten Themenkreis der folgenden Betrachtungen. Zunächst werden Bevölkerung und Landbau ins Auge gefasst. Der globale Bevölkerungsanstieg zwischen 1200 und 1800 wie auch die unterschiedliche Dichte der Weltbevölkerung, welche sich in China, Indien und der Westhälfte Europas konzentrierte, resultierten nämlich wesentlich aus einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion in diesen Weltregionen, welche sich der Erschließung von Neuland, der Intensivierung der Bodennutzung und der Einführung neuer Nutzpflanzen verdankte.

Technischer Wandel

Im landwirtschaftlichen wie im gewerblichen Bereich spielte der technische Wandel eine wichtige Rolle. Ausgehend vom einem weitgefassten Technikbegriff werden die Bedeutung des Techniktransfers und die Unterschiedlichkeit der Nutzung neuer Erfindungen etwa am Beispiel des Buchdrucks aufgezeigt – ein Medium, durch das Wissen, Ideen, aber auch politische und religiöse Propaganda viel schneller als früher verbreitet werden konnten. Ferner werden die Entwicklungen in den Bereichen Architektur (inklusive Brücken- und Festungsbau), Kanalbau (zu Bewässerungs- wie auch Transportzwecken), Landwegebau und Schifffahrt vorgestellt, ebenso die Verbesserungen der Transportmittel und Orientierungshilfen, die für den Land- beziehungsweise Seeverkehr gebraucht wurden. Nicht minder bedeutsam waren Veränderungen der Waffentechnik, die machtpolitisch enorme Wirkungen entfalteten. So waren die Reiche der Inkas und Azteken, die nicht einmal Eisen kannten, schnell dem Untergang geweiht – trotz ihrer Fertigkeiten auf dem Gebiet der Architektur oder der Zeitmessung. Neben Waffen stellten Handwerker aber zum Beispiel auch Luxusgüter, nicht selten Imitate von Überseeprodukten, her. Gerade in der Porzellan-, Uhren- oder Textilproduktion etablierten sich Manufakturen und Verlagsbeziehungen, die teilweise schon mit komplexen Maschinen arbeiteten. Dieser Trend lässt sich im Bergbau ebenfalls beobachten, der – unter anderem auf Grund seines hohen Holzverbrauchs – auch Beispiele für die teilweise bedenklichen ökologischen Folgen technischer Entwicklungen liefert. Nur auf wenigen der angesprochenen Gebiete besaß Europa vor 1800 gegenüber anderen Kulturen einen klaren Vorsprung! Doch begannen Europäer zu experimentieren und zu quantifizieren, und deshalb erschlossen sich in erster Linie ihnen durch nautische Geräte und Kartenprojektionen, Fernrohre und Mikroskope neue Welten.

Fernhandel und Entdeckungen

Fernhandel und Entdeckungen wurden durch technische Neuerungen zwar erleichtert, motiviert wurden sie jedoch primär von ökonomischen Interessen. Gerade die Reduktion der kommerziellen Fernbeziehungen innerhalb Eurasiens auf dem Landweg im 14. Jahrhundert führte zu vermehrten Aktivitäten im Seehandel, von privater arabisch-indischer, vorübergehend auch von staatlich-chinesischer Seite, vor allem aber letztlich zu den Entdeckungsfahrten von Vasco da Gama und Kolumbus mit der langfristigen Folge eines europäisch dominierten weltweiten Überseehandels. Dessen Hauptträger waren ab ca. 1600 nicht mehr die Kronen Portugals beziehungsweise Spaniens, sondern die Überseekompanien der Niederlande, Englands und anderer konkurrierender Länder. Die Untersuchung zeigt, dass sich durch die Intensivierung der inter- und innerkontinentalen Menschen-, Waren- und Informationsströme bereits das Entstehen einer „Weltwirtschaft“ abzeichnete. Dabei veränderte der – ungleichgewichtige – Austausch von Krankheitserregern wie auch von Nahrungs- und Genussmitteln den Alltag nicht nur der Eliten in vielen Teilen des Globus.

Von den für sie vorerst unattraktiv erscheinenden „neuen Welten“ erkundeten die Europäer primär nur deren Küsten, gründeten dort zu Handelszwecken einige Stützpunkte und suchten ansonsten nach Meeresstraßen, um zu den reichen Gegenden der außereuropäischen Welt zu gelangen. Einige davon – wie Mexiko, Peru oder die Molukken/„Gewürzinseln“ – wurden dann schnell erobert. Andere wie die Binnenreiche Indiens oder die ostasiatischen Staaten erwiesen sich dagegen als wehrhaft oder gar feindlich, so dass Kenntnisse über diese Räume nur schwer – und dementsprechend rudimentär und oft widersprüchlich – zu erhalten waren. Immerhin resultierte aus diesen vielfältigen interkulturellen Begegnungen nicht nur, aber besonders in Europa ein durch Texte, Karten und Bilder verbreiteter, anhaltender Wissenszuwachs. Ein Teil dieser neuen Informationen gelangte in breite Kreise, denn auf viele wirkte und wirkt Exotik faszinierend – egal, ob es dabei um fremde Menschen oder seltene beziehungsweise „kuriose“ Gegenstände aus anderen Weltregionen geht.

„Weltpolitik“

Im Gegensatz zu den ephemeren chinesischen Übersee-Expeditionen wirkte sich die (west-)europäische Expansion auch in den Bereichen von Herrschaft und politischen Ideen aus, denen der zweite Teil des Buches gewidmet ist. Denn durch sie begann die zwischen Ländern und Reichen betriebene Außen- und Machtpolitik immer mehr den Charakter einer „Weltpolitik“ im eigentlichen Wortsinn anzunehmen. Nach den Zerstörungen der mongolischen Invasionen entstanden ab ca. 1300 im kontinentalen Eurasien zwei neue, expandierende Reiche: das Moskauer sowie das Osmanische Reich. In der Tradition des Eroberers Timur gründeten die Moguln seit 1526 ein Imperium, das Teile Zentralasiens mit Indien verband. Während sich die Interessen Chinas nach 1368 fast ausschließlich auf Ostasien konzentrierten, weiteten diverse europäische Staaten ihre Macht auf außereuropäische Teile der Welt aus. Afrika, wo südlich der Sahara mehrere, allerdings meist nicht sehr langlebige Reiche entstanden, war davon wenig betroffen. Dafür unterwarf Spanien die noch relativ jungen Reiche der Azteken und Inkas – mit katastrophalen demographischen Folgen für die indigene Bevölkerung. In Mexiko oder Peru entstanden dennoch eher „Beherrschungskolonien“ als regelrechte Siedlungskolonien, wie sie sich etwa in „Neu-England“ – unter Verdrängung der „Ureinwohner“ – herausbildeten. Ökonomisch gesehen beschränkten sich die Europäer in Amerika weitgehend auf die Ausbeutung von Bodenschätzen oder von Plantagen mit Hilfe importierter Sklaven. Im indopazifischen Raum legten sie eher Handelsstützpunkte an, denn hier stieß ihre Expansion eben an die Grenzen der ihnen machtmäßig meist zumindest ebenbürtigen asiatischen Länder und Reiche.

Reichs- und Staatsbildungen

Was die Binnenstruktur insbesondere der Großreiche betrifft, so werden Faktoren in den Blick genommen, welche die Entwicklung von (frühmoderner) Staatlichkeit bestimmten: die Regelung der Thronfolge als ein Grundproblem aller Monarchien, staatsbegründende historische beziehungsweise religiöse Ideologien, Neuerungen im Militärwesen, die zum Aufstieg, aber auch zum Niedergang von Reichen führen konnten, der Aufbau bürokratischer Systeme sowie der Ausbau und die Struktur der diplomatischen beziehungsweise kommerziellen Beziehungen. Aus diesen Faktoren erklären sich die Schwächen zentralasiatischer Steppenreiche, des locker strukturierten Mogulreichs oder Persiens ebenso wie der Zugewinn der europäischen Staaten inklusive Russlands an Macht, Stabilität und Konsistenz. Neue Funktionseliten – Militärs und Zivilbeamte – stiegen sozial auf und übten in allen Kulturen direkt oder indirekt Herrschaft aus. Trotz ihres Spezifikums eines Ständewesens im Sinne einer institutionalisierten politischen Mitsprache erreichten die europäischen Staaten jedoch hinsichtlich des Ausbaus von „innerer“ Staatlichkeit erst im 18. Jahrhundert ein Niveau, welches das Osmanische Reich und vor allem China schon viel früher erlangt hatten.

Weltdeutungen und politische Ideen

Sich wandelnde Weltdeutungen und politische Ideen bildeten dazu den geistesgeschichtlichen Hintergrund. Als Ausgangspunkt im „lateinischen“ Europa wird zunächst das normativ-theologische Politikverständnis des Mittelalters erläutert. Nach zahlreichen Streitigkeiten über das Verhältnis von geistlichem und weltlichem Bereich kam es letztlich zu einer „Terrainaufteilung“, welche den weltlichen Herrschern immerhin eine religiöse Legitimation durch das „Gottesgnadentum“ und mehr oder minder ausgedehnte landeskirchenherrliche Rechte garantierte. Gleichzeitig säkularisierte sich seit der Renaissance das philosophische Denken immer mehr, der Mensch als Individuum wurde ins Zentrum der Betrachtungen gestellt, der Begriff der „Staatsräson“ zur Leitlinie der Politik erklärt. Aber neben diesen realistischen Ansatz trat ein utopischer: der Entwurf eines idealen Staates und einer idealen Gesellschaft. So setzte auf zwei parallelen Wegen eine revolutionäre Veränderung des Denkens ein: Die Moderne wurde erdacht. Ihre grundlegende Denkfigur bildete der Vertrag, den autonome Subjekte schließen. Doch die politischen Konsequenzen, die verschiedene Staatstheoretiker daraus zogen, konnten zum Absolutismus, zum Liberalismus, aber auch zum demokratischen Totalismus führen. Verglichen mit dieser dynamischen Entwicklung des europäischen Staatsdenkens entwickelte sich die politische Philosophie in der islamischen Welt und in China eher kontinuierlich. Im Islam trat im Diskurs um die Frage des Verhältnisses von weltlicher und geistlicher Gewalt die orthodoxe Theologie, die mit dem religiösen Recht verbunden war, in den Vordergrund. Eine prinzipielle Trennung von weltlicher und geistlicher Sphäre setzte sich nicht durch. Obwohl Diskussionen über die Eigenschaften des „Idealherrschers“ oft zur Rechtfertigung von Maßnahmen der tatsächlichen Machthaber dienten, nahmen immer mehr Theologen teilweise im sunnitischen, mehr noch im schiitischen Islam für sich in Anspruch, Vorgaben für die Politik liefern zu können. In China schrieben sich die neokonfuzianischen Literatenbeamten ein ähnliches Anrecht zu. Doch neben deren moralisch-normativen Prinzipien lief in China, ähnlich wie in Europa, eine Denktradition parallel, in deren Mittelpunkt die praktische Staatsklugheit stand.

Renaissancen und kulturelle Entwicklungen

Die Ausführungen dieses Beitrags weisen bereits eine große Nähe zum dritten Hauptteil der Darstellung auf, der Kultur, Religion und Sozialisation thematisiert. Anläufe zur bewussten Wiederbelebung einer als ideal empfundenen kulturellen Vergangenheit hat es in verschiedenen Kulturen zu verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte gegeben. Unter diesen „Renaissancen“ lag der europäischen Spielart der Gedanke der Neugestaltung der Kultur nach den Prinzipien der antiken Wissenschaften und Künste zugrunde. Die Renaissance entstand vor allem in der Welt der Städte Italiens, die durch Konkurrenz geprägt war. Hier galt es sich mit verschiedenen Mitteln zu behaupten, unter anderem indem man im Diskurs durch Klassikerzitate brillierte und die Hilfe des Himmels durch großzügige Stiftungen möglichst realistisch gestalteter Kunstwerke erlangte. Generell wandten sich die Humanisten den „Quellen“ zu. In wachsender Erkenntnis einer historischen Tiefendimension und antiker „Idealmaße“ entwickelten sie ein Bewusstsein für die Würde des individuellen Menschen wie auch einer größeren Herkunftsgemeinschaft, der „Nation“. Durch Reisende strahlte diese Renaissancekultur in andere europäische Länder aus, gerade in Form mancher ihrer künstlerischen Leistungen oder deren antiker Vorbilder aber sogar bis ins Osmanische Reich und nach Persien. Denn gerade die muslimischen Herrscher Asiens konkurrierten ebenfalls untereinander nicht nur auf politischem, sondern auch auf kulturellem Gebiet, durch Prachtbauten und Kunstsammlungen. Auch sie ließen sich durch Geschichtsschreibung, Dichtung und Malerei „verewigen“, ähnlich wie chinesische Kaiser, die sich als Mäzene des (Neo-)Konfuzianismus, der Wissenschaften und Künste betätigten. Doch unterschieden sich die asiatischen Renaissancen in manchen Zügen von der europäischen, versuchten vielleicht sogar, wie die europäischen Reformationen, eher eine religiös geprägte Tradition zu „reinigen“ als selbstbewusst eine neue, tendenziell säkulare Kultur aufzubauen.

Reformation und Konfessionalisierung

Schon bis 1200 hatten sich alle Weltreligionen in verschiedene Richtungen aufgespalten, und dieser Prozess setzte sich danach fort: Im Islam wurden mystische (Sufi-)Orden (Sūfī) gegründet, doch im Iran etablierte sich schließlich eine zwölferschiitische Orthodoxie, die eine Art Klerus (Mudschtahidūn) zu bilden und Sufis zu verfolgen begann. In Europa dagegen mündete, nachdem um 1450 Unionsbemühungen zwischen römischer und orthodoxer Kirche gescheitert, Konziliarismus und diverse häretische Bewegungen unterdrückt worden waren, die Debatte um die Kirchenreform – ungewollt – in die neuerliche „Glaubensspaltung“ der Reformation und Konfessionalisierung. Unter den komplexen politischen, sozialen und kulturellen Bedingungen des Reiches zerbrach die Einheit von Glauben und römischer Kirche. Mittelfristig gingen daraus unterschiedliche Theologien, Kirchentümer und teilweise auch Lebensformen hervor: der tridentinische, auf das Papsttum ausgerichtete Katholizismus, das in der Regel auf Landesebene organisierte Luthertum sowie der Calvinismus, dessen Anhänger, europaweit gesehen, eine gefährdete Minderheit darstellten und daher oft politisch und ökonomisch neue Wege suchten. Langfristig förderte die Existenz verschiedener Konfessionen eine Individualisierung, die zu einer vertieften Religiosität, zu bewusster Toleranz oder zu einer säkularisierten Einstellung führen konnte. Sie zeitigte aber auch machtpolitisch unterschiedliche Folgen. Zumindest im 16./17. Jahrhundert veranlassten religiöse Gegensätze nicht nur Zwangskonversionen, Pogrome oder Vertreibungen, sondern bildeten in ihrer Verquickung mit Konflikten zwischen monarchischen und ständischen Kräften auch die wichtigste Ursache militärischer Auseinandersetzungen zwischen und in europäischen Ländern und Reichen. Je nachdem, zu wessen Gunsten die Konfessionsfrage entschieden wurde, mochte es zu einer (mit Ausnahme Polens) meist absolutistischen frühmodernen Staats- und Nationsbildung kommen, konnten neue, selbständige politische Gebilde (Schweiz, Niederlande) entstehen oder aber ein letztlich multikonfessionelles, konstitutionell regiertes Reich, wie im Falle Großbritanniens.

Religiöse Begegnungen und christliche Mission

In Übersee gingen religiöse Begegnungen und christliche Mission vielfach Hand in Hand. Bis zum 13. Jahrhundert hatten sich die großen kulturprägenden Religionen, wenngleich nicht als einzige, in verschiedenen Weltgegenden dominant etabliert. Neue Religionen entstanden nur noch ausnahmsweise. Die hochmittelalterliche christliche Mission, die sich ebenso friedlicher wie (in Form der Kreuzzüge) gewaltsamer Mittel bediente, scheiterte – außer in Europa selbst – allerdings weitgehend. Eher expandierte noch der Islam, wie neben der muslimischen Eroberung des Byzantinischen Reiches vor allem dessen Ausbreitung im subsaharischen Afrika, in Süd- und Südostasien belegt. Auch diese erfolgte indes nur zum Teil auf militärischem, vielmehr zum Großteil auf friedlichem Wege, durch die Vermittlung reisender Sufimeister oder Kaufleute. Ebenso folgenreich war ab ca. 1500 die katholische Mission auf dem amerikanischen Doppelkontinent – ein Erfolg freilich, der durch die Conquista und das Massensterben der Indios teilweise erleichtert wurde, weil diese die einheimischen Religionen schwächten. Trotzdem mussten Missionare den „Kampf um die Herzen“ der indigenen Bevölkerung (und auch der importierten schwarzen Sklaven, wobei sich partiell Synkretismen ausformten) erst für sich entscheiden, bevor man diese in die neu geschaffenen Diözesanstrukturen einbeziehen konnte. Von den meist protestantischen englischen Kolonien in Nordamerika gingen zunächst wenige missionarische Bestrebungen aus, eher noch, im 18. Jahrhundert, von Pietisten in der Karibik. Auch in Asien beherrschte nach 1500 das katholische Engagement das Feld. Ein dauerhaftes Ergebnis erzielte die katholische Mission – auch infolge interner Differenzen politischer und missionsstrategischer Art – in Asien aber letztlich doch nur regional, zumeist dort, wo Europäer Herrschaft ausübten, also etwa auf den Philippinen. Außerdem geriet sie nach 1750, insbesondere infolge der Aufhebung des Jesuitenordens, in eine Krise.

Erziehung, Bildung und Wissenschaft

Seit langem machten sich religiöse Orden in verschiedenen Kulturen um die Sozialisation und die Weitergabe von Wissen verdient. Überall wurde Wissen natürlich auch durch die Familien, Gemeinden, im subsaharischen Afrika auch durch Generationeneinheiten und Geheimbünde in mündlicher Form vermittelt. An Erziehung, Bildung und Wissenschaft waren überregional aber in den von Schriftkulturen geprägten Weltgegenden verschiedene weltliche Instanzen ebenfalls beteiligt, etwa Berufsgenossenschaften oder von der Obrigkeit fundierte, sich jedoch teilweise selbst verwaltende Bildungsinstitutionen. Speziell hinsichtlich der (regional sehr unterschiedlich ausgeprägten) Lese- und Schreibfähigkeit, generell bezüglich ihrer Bildungsmöglichkeiten blieben Frauen und Mädchen indes benachteiligt. Doch prägten, wie der einschlägige Beitrag zeigt, Religion, Herkunft oder Staatsinteresse das Bildungswesen in den verschiedenen Kulturen in unterschiedlicher Weise. Im christlich-lateinischen Europa differenzierte sich die kirchlich-religiöse Prägung von Bildung und Ausbildung nach 1500 konfessionell aus und schwächte sich unter stärker staatlichen Vorzeichen schließlich ab. In den orthodoxen Klosterschulen blieb sie bis ins 18. Jahrhundert ebenso fast konkurrenzlos erhalten wie in der islamischen Welt, wo frühzeitig Elementar- und Gelehrtenschulen gestiftet worden waren. Anders als der hinduistische Bereich, wo Bildungsmöglichkeiten in aller Regel durch die herkunftsmäßige Zugehörigkeit zu einer Kaste bestimmt blieben, zeigte sich China mit seinem konfuzianischen Prüfungswesen deutlich „meritokratischer“ strukturiert, auch wenn hier Bildung und Wissenschaft nur so weit gefördert wurden, wie sie dem Staatsinteresse dienten. Ähnlich wie Europa kannte China private und öffentliche Schulen, die langfristig immer mehr Kinder unterrichteten, sowie im 17./18. Jahrhundert pädagogische Debatten, die teilweise den Kanon des Unterrichtsstoffes erweiterten. Das chinesische Vorbild wirkte auch auf das japanische Bildungswesen, in dem im 17. Jahrhundert die Vermittlung kriegerischer Tugenden gegenüber der Verbreitung ziviler Kenntnisse an konfuzianischen wie an buddhistischen Schulen in den Hintergrund trat. Doch da das konfuzianische Prüfungswesen nie rezipiert wurde und das Land sich schließlich isolierte, verhärteten sich die sozialen Grenzen.

Professionalisierung und Sozialstruktur

Wirkt somit die japanische Gesellschaft im 18. Jahrhundert bei aller inneren Dynamik äußerlich „versteinert“, so zeichneten sich damals in der Westhälfte Europas immer deutlicher soziale Verschiebungen ab, die mit der zunehmend effizienten Organisation und Hochschätzung von Arbeit zusammenhingen. Professionalisierung und Sozialstruktur standen weltweit in einem gewissen Interdependenzverhältnis. Nach einer Untersuchung, inwieweit die große Religionen überhaupt die Ausbildung eines Arbeitsethos – selbst in Bezug auf Handarbeit – beziehungsweise eines Profitdenkens förderten oder hemmten, werden Professionalisierungsprozesse in vier Bereichen näher analysiert: Militär, Jurisprudenz, Handwerk und Medizin. Während Chinas Offiziere auch ausbildungsmäßig Beamte waren, genossen Mamluken (aus Sklaven rekrutierte Elitekrieger), japanische oder europäische Ritter zwar ebenfalls eine spezielle Schulung, aber ihre Versorgung basierte auf feudalen Grundlagen. Stärker auf das Gemeinwohl ausgerichtet war das Berufsethos der Verwaltungs- und Gerichtsbeamten. Teilweise durchliefen sie eine spezielle, gehobene Ausbildung, studierten im lateinischen Europa wie im islamischen Raum hauptsächlich die geistlichen und weltlichen Rechte, während sie in China vor allem Kenntnisse der konfuzianischen Sozialphilosophie, aber durchaus auch gewisser administrativer Vorgänge nachweisen mussten. Im Handwerk lassen sich weltweit Zusammenschlüsse von Gewerbetreibenden nachweisen. Doch deren Formen unterschieden sich vor allem je nachdem, ob sie mit Verwandtschafts- oder Kastengruppen in Zusammenhang standen und inwieweit sie sich autonom organisierten oder von Seiten der Obrigkeit bestimmt wurden. Ärzte jedenfalls standen, besonders in China und Europa, zwischen Handwerk und akademischer Profession.

Ein Hinweis zur Schreibweise fremdsprachlicher, zum Beispiel indischer Namen: Üblich ist vielfach eine an der englischen Aussprache orientierte Transkription, zum Beispiel bei „Rajputen“. Um eine möglichst adäquate Aussprache zu vermitteln, wurde jedoch bei der Erstnennung die dem Deutschen entsprechende Schreibweise – in diesem Fall „Rādschputen“ – in Klammern gesetzt, sofern sie nicht (wie bei „Pandschab“ statt „Punjab“) ohnehin schon Eingang in den Duden gefunden hatte. Hinsichtlich diakritischer Zeichen (wie ā etc. für lange Vokale) suchte der Herausgeber einen Mittelweg zwischen einer wissenschaftlich korrekten und einer für den Nichtfachmann verständlichen und gut lesbaren Form zu gehen. Eine Hilfe für den Leser bieten ferner fünf Weltkarten (für die Jahre 1279, 1492, 1600, 1715 und 1783) auf den Seiten 114f., 132f., 194f., 356f. sowie 442f. Sie sollen der Orientierung in einem langen Zeitraum mit sich stark verändernden Grenzen der Länder und Reiche dienen und dazu beitragen zu illustrieren, wie Entdeckungen und neue Ordnungen die Grundlagen der Moderne legten.

wbg Weltgeschichte Bd. IV

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