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Buchdruck

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Entwicklung in China

Der Buchdruck ist nicht nur ein gutes Beispiel für die Komplexität handwerklicher Produktionsprozesse, er zeigt auch paradigmatisch, wie kulturelle Faktoren die Nutzungsweisen einer Erfindung in unterschiedlichen Kulturen prägen können. Der Blockdruck, vergleichbar dem europäischen Holzschnitt, wurde als grundlegendes Verfahren schon vor 600 in China praktiziert. Papier als preiswerter Träger, hier bereits seit dem 2. Jahrhundert verbreitet, erleichterte die Nutzung dieser Vervielfältigungstechnik. Aus einzelnen Blockdrucken zusammengefügte Bücher sind aus dem 9. Jahrhundert bekannt. Der Druck einzelner Schriftzeichen mit beweglichen Lettern ist im 11. Jahrhundert in China ebenso nachgewiesen wie um 1400 in Korea, wo nachweislich auch metallene Lettern verwendet wurden. Auf Grund der Vielzahl der chinesischen Schriftzeichen und hohen gestalterischen Ansprüchen an das fertige Produkt konnte sich dieses Verfahren jedoch nicht durchsetzen. Auf der Basis des Blockdrucks hergestellte Bücher wurden in China hingegen bereits um 1100 und dann verstärkt ab 1500 zum Massenprodukt. Auf den Markt kamen religiöse Texte ebenso wie administrative Handbücher und Enzyklopädien, heilkundliche Ratgeber, Romane oder landwirtschaftliche Traktate. Dabei beruhte der Buchdruck in China teils auf staatlicher Initiative, teils entwickelte er sich zu einem profitablen, privatwirtschaftlich organisierten Wirtschaftszweig. In vergleichbarer Weise verbreitete er sich auch in Japan und Korea.

Johannes Gutenberg – Kulturelle Auswirkungen

Inwiefern die europäische „Erfindung“ des Drucks mit beweglichen, metallenen Lettern durch Johannes Gutenberg um 1450 von asiatischen Vorbildern inspiriert war, ist ungeklärt. Für einen Transfer des Wissens um den Blockdruck – in Europa bereits in den Jahrzehnten von Gutenberg praktiziert – bestand genügend Gelegenheit; auch Kunde von den koreanischen Metalllettern hätte zu Gutenberg gelangen können. Jedoch gab es in Europa auch Vorläufertechnologien, aus denen eine eigenständige Entwicklung möglich war: beispielsweise der in Gutenbergs Werkstatt praktizierte Guss von Metallspiegeln als Massenartikel, der Wallfahrern zum „Einfangen“ des Scheines von Reliquien dienen sollte, oder die Anfertigung von Stempeln für Glocken oder Siegel. Das rasch in Europa verbreitete Verfahren Gutenbergs war dadurch charakterisiert, dass die Lettern mittels des unscheinbaren neuartigen Handgießinstruments aus einer eigens entwickelten Legierung schnell und in großer Zahl hergestellt werden konnten. Für den Druckprozess selbst nutzte man zudem von Beginn an die Druckerpresse, anstatt das Papier wie im Fernen Osten auf die hölzerne, mit Druckerfarbe versehene Vorlage aufzudrücken und „abzureiben“. Jedoch wurden die fertig gesetzten Druckvorlagen kaum je aufbewahrt; in China hingegen wurden häufig auf alten Druckstöcken Jahrzehnte später neue Auflagen klassischer Werke produziert. Elemente der vielfältigen kulturellen Auswirkungen des Buchdrucks in Europa können hier nur in Schlagworten erwähnt werden: Die Ausdifferenzierung von Spezialliteratur zu unterschiedlichsten Themen gehört dazu ebenso wie die neuen Möglichkeiten der identischen Reproduktion von Abbildungen durch Holzschnitt und Kupferstich, Transformationen literarischer Stile und Themen oder die Entstehung kurzlebiger Produkte der Massenkommunikation wie Flugblätter und Zeitungen. All dies beeinflusste demnach die wissenschaftliche Praxis ebenso wie politische Auseinandersetzungen oder die Wahrnehmung der persönlichen Individualität – Phänomene, die bislang nicht systematisch mit vergleichbaren Analysen für das chinesische Druckwesen in Bezug gesetzt worden sind.

Keine Verbreitung im Osmanischen Reich

Wie stark jedoch die Nutzung des Buchdrucks nicht nur durch technische Details, sondern auch durch mentalitätshistorische Faktoren geprägt war, zeigt sich daran, dass er im Osmanischen Reich, obwohl grundsätzlich bekannt, bis weit in das 20. Jahrhundert keine Verbreitung fand. Dieses Verdikt betraf nicht die Vervielfältigung von Texten als solche. Die in China erfundene Papierherstellung war im arabischen Raum bereits um 800 übernommen worden und förderte eine ausdifferenzierte Manuskriptkultur, die Entstehung umfangreicher Bibliotheken, ein vielfältiges wissenschaftliches Schrifttum sowie entsprechende Korrespondenznetze innerhalb des arabischen Großreiches. Hingegen galt später bezüglich des Buchdrucks die Auffassung, dass das Abschreiben des Korans eine religiöse Handlung darstellte, die nicht durch mechanische Mittel zu ersetzen war. Während die Existenz expliziter Verbote des Buchdrucks durch die osmanischen Sultane um 1500 umstritten ist, blieb das Desinteresse an dieser Technologie bis ins 18. Jahrhundert erhalten.

wbg Weltgeschichte Bd. IV

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