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Afrika
ОглавлениеVon Europa aus gesehen war Afrika schon immer „Dritte Welt“. Mittelalterliche Weltkarten zeigen nebeneinander die drei Kontinente Europa, Asien und Afrika, letzteren allerdings als jenen Erdteil, in dem die Kinder Hams (Chams) ihre Zelte aufgeschlagen hätten. Hams Nachkommenschaft aber sei – so Genesis 9,25–27 – von seinem Vater Noah verflucht worden, den Kindern der beiden anderen Söhne Sem und Jafet zu dienen. Seit dem späten Mittelalter wurde die Versklavung schwarzer Menschen mit Noahs Fluch gerechtfertigt.
Europas Bild von Afrika
Afrika hatte somit in europäischer Sicht ein denkbar schlechtes Prestige. Über die transsaharischen Karawanenrouten gelangte zwar afrikanisches Gold in den Mittelmeerraum, und daran bestand auch Interesse. Doch nur ganz wenige Kaufleute unternahmen den Versuch, zu den Anfängen der Handelswege vorzudringen und die Herkunft des Goldes in Erfahrung zu bringen (Anselme d’Ysalguierde 1413, Antonio Malfante 1447, Benedetto Dei 1470). Die trostlose Wüstenlandschaft, die sich quer durch den Kontinent zieht, wirkte als natürliche Barriere. Machte man sich über den dahinter liegenden Raum Gedanken, drängten sich jene monströsen Gestalten ins Bild, die man von Indien her kannte, die man aber auch im Süden Afrikas vermuten durfte: Kopflose, Hundsköpfige, Großohren und andere mehr. Seit der Antike gab es den Wunsch, den Ursprung der jährlichen Überschwemmung Ägyptens zu erfahren. Doch sieht man einmal von einer erfolglosen Expedition in römischer Zeit ab, gab es bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts keinen Versuch, die Quellen des Nils zu erforschen. Ein rheinischer Ritter namens Arnold von Harff will sie schon am Ende des 15. Jahrhunderts in den sogenannten Mondbergen entdeckt haben. Aber gerade diese Teile seiner abenteuerlichen Reisebeschreibung sind frei erfunden. Das Hörensagen ersetzte hier wie bei anderen Autoren, die etwas über Afrika schrieben, die Autopsie.
Kaum Interesse an Afrika – Die Khoikhoi bzw. „Hottentotten“
Auch die portugiesischen Seefahrer begnügten sich mit dem Sklavenhandel an den Küsten (s.S. 137–139) und legten auf das Innere des Kontinents keinen Wert. Als sich immer deutlicher das Fernziel Indien abzeichnete, wurden die afrikanischen Häfen vollends zu Durchgangsstationen der indischen Fahrten. Oft wurden sie aus nautischen Gründen weiträumig umfahren. Nur die Küstenstriche wurden „entdeckt“, die Umrisse des Kontinents kartographisch erfasst, die Bewohner der küstennahen Gegenden oberflächlich kontaktiert. Die Holländer, die seit dem 17. Jahrhundert die Portugiesen als dominierende Handels- und Seefahrernation ablösten, verhielten sich nicht anders. Nur einem Volk wurde ein gewisses Interesse entgegengebracht: dem Volk der Khoikhoi, im Volksmund (wegen ihrer angeblich ganz und gar unverständlichen Sprache) „Hottentotten“, „Stotterer“ genannt. Ausführliche Beschreibungen, detaillierte Beobachtungen und sogar eine „Monographie“ (Peter Kolb 1719) wurden ihnen gewidmet. Denn die körperlichen Eigenheiten der Khoikhoi (rituell verstümmelte Finger, Hodenextirpation und die sogenannte Hottentottenschürze, Steatopygie [Fettsteiß] erst später), Essgewohnheiten (Tierdärme angeblich samt Inhalt), Kleidung und Schmuck (Felle, Nacktheit, aufgeblasene Rinder- und Schafsdärme als Hals- oder Armbänder) sowie das vermeintliche Fehlen jeglicher Religion beeindruckten alle Besucher und faszinierten sie bis zu einem gewissen Grad. Doch der Reiz des Exotischen, der aus ihren Kommentaren spricht, ging fast immer in Entrüstung über, und das „viehische“, „säuische“, „unflätige“ Leben der „Hottentotten“ stand in geradezu typologischem Kontrast zu den Reichtümern, die die Reisenden am Ziel ihrer Reise, in Indien, erhofften. Die Grenze zum Menschsein schien bei den „Hottentotten“ überschritten, und die Berichte von ihnen bekräftigten, was man immer schon von Afrika hielt.
Das Reich des Priesterkönigs Johannes
Nur an einer Stelle hellte sich das Bild etwas auf. Seit dem 15. Jahrhundert wurde das Reich des Priesterkönigs Johannes meistens nicht mehr in Indien, sondern im Nordosten Afrikas vermutet. Die vage Kenntnis eines christlichen Landes, gesichert durch mehrere Gesandtschaften, die bei der römischen Kurie eintrafen, hatte dazu den Anlass gegeben. Portugal wollte den Umstand für seine großräumigen Pläne ausnützen und schickte einen Kundschafter, der den gesamten Raum zwischen Ägypten, Mosambik (Moçambique) und Indien ausforschte und schließlich nach Äthiopien kam (Pero de Covilhã, 1487–1490). Er kehrte aber nicht nach Europa zurück, sondern wurde 30 Jahre später von einer portugiesischen Gesandtschaft am Hof des Negus gefunden. Der viel gelesene Bericht aus der Feder des Kaplans der Gesandtschaft handelt ausführlich von den Zuständen im Reich des „Priesters Johannes“ und zeigt, wie zwei christliche Reiche einander auf Augenhöhe begegnen konnten. Der Kontakt hielt ein ganzes Jahrhundert, und Äthiopien war das einzige schwarzafrikanische Land, für das sich – wegen seines Christentums – das frühneuzeitliche Europa interessierte. Der ganze Rest des Kontinents lag in der Ferne, ohne reizvoll zu sein, und blieb lange Zeit im Schatten des Indienhandels, also im Dunkeln. Die eigentliche Erforschung Afrikas sollte erst im 19. Jahrhundert erfolgen.