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Spanien in Amerika
ОглавлениеPortugal und Spanien rivalisierten lange Zeit miteinander. Hier wie dort gab es ähnliche Voraussetzungen und ähnliche Ziele. Aber nachdem mit dem Vertrag von Alcáçovas ein erster Interessenabgleich stattgefunden hatte, gingen die beiden Länder verschiedene Wege. Portugal blieb bei der Südroute und drängte auf einen seit langem funktionierenden Markt, den es nie ausfüllen konnte, weil mehrere gleichwertige Konkurrenten im Spiel waren. Spanien (Kastilien und Aragón unter gemeinsamer Herrschaft) bekam ein paar Inseln und hielt nach weiteren Ausschau. Als sich schließlich in der Neuen Welt der Erfolg einstellte, gab es keine mächtigen Reiche, auf die man hätte Rücksicht nehmen müssen. Spanien errichtete deshalb kein Handelsimperium, das aus einer Kette von Stützpunkten bestand, sondern zielte von Anfang an auf Landnahme, Siedlung und entschlossene Umgestaltung der Verhältnisse, die man vorfand.
Die Kanaren
Schon auf den Kanaren wurden die Instrumente erprobt, die später in Amerika in viel größerem Umfang und mit noch tiefer greifenden Wirkungen zur Anwendung kommen sollten: Grund und Boden wurden an die neuen Herren verteilt; Plantagen entstanden, die ein einziges Exportgut (Zuckerrohr) produzierten; die einheimische Bevölkerung (berberische Guanchen) wurde unterworfen, versklavt oder durch afrikanische Sklaven ersetzt. Juristen und Theologen lieferten die theoretische Begründung und moralische Rechtfertigung für das alles. Auf den Kanaren entstand Spaniens erste überseeische Kolonie mit einer vom „Mutterland“ abhängigen Wirtschaftsstruktur. Da die dabei gewonnenen Erfahrungen bald auf die amerikanischen Kolonien übertragen werden konnten, hat man in der historischen Forschung die Inseln als „Laboratorium“ (Charles Verlinden), „Exerzierboden“ (Günther Hamann) oder auch „Alchemistenküche“ (Felipe Fernández-Armesto), als Vorbild und Modell für die Eroberung und Kolonisierung der Neuen Welt bezeichnet.
Christoph Kolumbus
Dass Spanien dazu Gelegenheit bekam, ergab sich allerdings nicht zwangsläufig, sondern ist eng mit der Person und der Leistung des Christoph Kolumbus verbunden. Ohne die Hartnäckigkeit, mit der er auf seinem visionären Projekt bestand, wäre manches anders verlaufen. Christoph Kolumbus (span. Cristóbal Colón, ital. Cristoforo Colombo) gehörte zu den vielen Italienern, die während des 15. Jahrhunderts im westlichen Mittelmeer und im sogenannten mediterranen Atlantik (dem Raum zwischen Gibraltar, Kanaren und Azoren) ihren Geschäften nachgingen, die Traditionen der italienischen Seestädte fortführten und deshalb an den frühen spanischen und portugiesischen Entdeckungsfahrten teilnahmen. In seiner Heimatstadt Genua hatte er Grundkenntnisse des Rechnens, der Buchhaltung und vielleicht auch des Kartenzeichnens erworben und sich dann nicht nur als Kaufmann, sondern auch als Seemann bewährt. Zeitweise war er sogar als Korsar unterwegs. Nautische Instrumente wie Kompass, Quadrant und Astrolab wurden ihm ebenso vertraut wie Regiomontans Ephemeriden (Tabellen zur Bestimmung der Gestirne), sprachliche Fertigkeiten wuchsen ihm in Portugal und Spanien zu. Sein geographischer Horizont reichte schließlich von Chios im östlichen über Tunis im westlichen Mittelmeer bis nach Irland im nördlichen und Elmina (im heutigen Ghana) im südlichen Atlantik. Alle diese Orte kannte er aus persönlichem Erleben, und aus der Beobachtung der Naturphänomene formte sich ihm die Vorstellung, dass man auch in westlicher Richtung bis nach Indien beziehungsweise Ostasien vordringen könne. Dass die Erde eine Scheibe sei, glaubte ohnehin kein halbwegs Gebildeter, nicht die Gelehrten und auch kein vernünftiger Seemann.
Suche nach Investoren
Kolumbus machte sich darüber hinaus auch in der Theorie kundig, und er tat dies mit dem Eifer des Autodidakten, der eine Mission in sich verspürt. Er besaß mehrere Bücher, denen er Argumente für die Richtigkeit seiner Überlegungen entnahm. Besonders das Buch Marco Polos erwies sich als Fundgrube, da es sowohl Angaben zur Geographie als auch zur damaligen Ökonomie Ostasiens enthält. Damit ließ sich sowohl die Durchführbarkeit als auch der Nutzen der Westfahrt über den Atlantik begründen. In Portugal hatte Kolumbus mit seinen Vorschlägen keinen Erfolg, und auch in Spanien ließ man ihn sieben Jahre lang warten. Vor allem seine allzu optimistischen Berechnungen der geographischen Entfernungen konnten die Verantwortlichen nicht überzeugen. Aber endlich, nach hartnäckigem Antichambrieren, nach Eingaben, Rückschlägen und Spott, fand ein Kreis von Investoren zusammen, der für die Kosten des Unternehmens aufkam. Ziel war der gegenüberliegende Teil der eurasiatischen Landmasse, also nicht Indien im heutigen Verständnis, sondern Ostasien beziehungsweise jener Teil davon, der im Mittelalter als „Oberindien“ (India superior) galt. Vom Reich des Großkhans der Mongolen und den Reichtümern Chinas konnte man bei Marco Polo einiges lesen, und Spanien wollte in diplomatische und Handelsbeziehungen mit Ostasien treten. Auch Japan (Marco Polos Zipangu) war – wegen seiner angeblichen Goldvorkommen – ein attraktives und – wegen seiner angeblichen Ferne von China und relativen Nähe zu Europa – ein praktisches Ziel.
Vier Reisen
Die Rechnung ging nicht auf. Der erhoffte Kontakt zum Großkhan kam nicht zustande, sein Reich wurde ein Trugbild. Nur im Namen, den der Admiral einem karibischen Stamm gab, „K(h)an(n)ibalen“ (die „Leute des Khans“), blieb das Konzept des Kolumbus, nämlich im Westen den Osten zu finden, auf Dauer erhalten. Trotzdem hielt er zeit seines Lebens daran fest, Zipangu, das chinesische Festland und die Ausläufer eines größeren Indiens gefunden zu haben. Vier Reisen unternahm er in die Karibik, nach Haïti, Kuba, Puerto Rico und Jamaika, an mittel- und südamerikanische Küsten. Sie sollten alle dazu dienen, die Richtigkeit seiner geographischen Annahmen zu erweisen und die Reichtümer Asiens in Amerika zu finden. Das irdische Paradies, das herkömmlich im äußersten Osten Asiens vermutet wurde, „entdeckte“ er nebenher am Orinoco. Doch die Indizien, die er hier und da vorfand, interpretierte er teils willkürlich, teils großzügig, und die Ausbeute an weltlichen Gütern war gering: etwas Gold, ein paar Perlen, etliche Nutzpflanzen und Gewürze, die man für die bekannten asiatischen halten konnte.
Trotz seiner unzutreffenden geographischen Annahmen und trotz seiner unzureichenden Ortskenntnisse erwies sich Kolumbus auf allen vier Reisen als hervorragender Seemann, der sich auf hoher See wie in seichten Küstengewässern zurechtfand, das Spiel der Winde deuten konnte und seine Mannschaft stets sicher an das betreffende Ziel brachte. Womit er sich nicht auskannte, war das administrative Geschäft. Er hatte sich nicht nur einen ordentlichen Anteil an den zu erwartenden Einnahmen und Handelsgewinnen, sondern auch das Amt eines Vizekönigs in den neuentdeckten Inseln und Ländern ausbedungen, ohne zu wissen, was auf ihn zukam. Er scheiterte desaströs. Denn auf die Nachricht vom Erfolg der ersten Überfahrt, von Kolumbus selbst in gedruckter Form publiziert, sammelte sich ein Heer von landlosen Adligen, Siedlern und Abenteurern, die im Westen, der der Osten sein sollte, ihr Glück machen wollten. Der damit verbundenen Probleme wurde der Entdecker nicht Herr. Die ersten Siedlungen entstanden und wuchsen zu Städten heran, die Rechtsverhältnisse mussten geklärt, die Gesetze zur Geltung gebracht werden. Doch die Autorität des Vizekönigs war nie unbestritten.
Entwicklung eines Kolonialreichs
Mancher Spanier wurde enttäuscht, weil er die versprochenen Reichtümer nicht vorfand und der Handel in der Karibik nicht blühte. Aber Land schien zur Genüge vorhanden, und jede neue Entdeckung ging in Landnahme über. Aus landlosen Adligen wurden Konquistadoren, und aus der Herrschaft über unbekannte Inseln entwickelte sich ein Kolonialreich, das bald über die Karibik hinausgriff, vor der Eroberung der indianischen Imperien in Mexiko und Peru nicht zurückschreckte und schließlich ganz Mittel- und weite Teile Südamerikas umfasste. Dabei kamen die gleichen Methoden wie auf den Kanaren zur Anwendung: Umwandlung der Wälder in Zuckerplantagen (später auch Tabak, noch später Baumwolle), Unterwerfung und Versklavung der einheimischen Bevölkerung, schließlich Einfuhr von Sklaven aus Schwarzafrika, um die wenig belastbaren Indios zu ersetzen. Schon Kolumbus hatte diesen Gedanken erwogen. Den Waffen der Spanier hatten die Einheimischen nichts entgegenzusetzen, weil sie weder Eisen noch Schießpulver kannten. Fremde Tiere wie Pferde und Bluthunde versetzten sie in Angst und Schrecken, und neue Krankheiten, gegen die sie keine Abwehrkräfte besaßen, ließen sie in Scharen dahinsterben. Zu den frühesten Transferprozessen zwischen Amerika und Eurasien gehörte der Austausch von Bakterien und Mikroben, der unter den Indios ein anhaltendes Massensterben bewirkte. Man hat das als „ökologischen Imperialismus“ (Alfred W. Crosby) bezeichnet.
Sklavenhandel
Der Handel mit der Neuen Welt spielte zunächst keine bedeutende Rolle in der Alten. Das Wirtschaftsgebaren der neuen Herren lässt sich eher als ein Rauben und Plündern beschreiben. Immerhin stellte die mittel- und südamerikanische Plantagenwirtschaft Handelsgüter bereit, die in Europa ihren Markt fanden. Neben Zucker waren Koschenille (aus getrockneten Kermesschildläusen gewonnener Farbstoff), Indigo, Farbhölzer und Ähnliches mehr die wichtigsten Exportwaren. Gleichzeitig entwickelte sich der Sklavenhandel zwischen Afrika und Amerika zu einem immer einträglicheren Geschäft. Mindestens eine Million Menschen wurden zwischen 1520 und 1680 unter erbärmlichen und entwürdigenden Umständen von Afrika nach Amerika verfrachtet, jene nicht mitgerechnet, die den Transport nicht überstanden. Im 18. Jahrhundert nahmen die Zahlen exponentiell zu.
Edelmetall
Außerdem fand sich nach Jahrzehnten der Suche endlich auch Edelmetall in großen Mengen. Aus dem Silberberg im (damals) peruanischen Potosí, 1545 entdeckt und dann unter barbarischen Bedingungen als Bergwerk genutzt, ging im 16. und 17. Jahrhundert das wichtigste Exportgut der spanischen Kolonien in Amerika hervor. Spaniens Kriege in Europa wurden damit finanziert, ein anderer Teil floss über die Philippinen nach China und wurde zum Erwerb chinesischer Fertigwaren verwendet. Amerika war nun ein Teil der Weltwirtschaft und stand durch den Warenverkehr in enger Verbindung mit den anderen den Europäern bekannten Kontinenten. Obwohl China nach wie vor dominierte, nahmen Spanien und Portugal, das eine mit seinem Kolonialreich, das andere mit seinem System von Stützpunkten in Afrika und Asien, einen markanten Platz in der Weltwirtschaft ein. Für die nötige Abgrenzung der Einflussbereiche hatten mehrere päpstliche Bullen und durch die römische Kurie angeregte Vereinbarungen (am bekanntesten der Vertrag von Tordesillas 1494) gesorgt. Als die beiden Länder für einige Jahrzehnte in Personalunion regiert wurden und die Kolonialreiche wenn auch nicht vereinigt, so doch zusammengelegt waren (1580–1640), musste der Eindruck entstehen, dass unter spanischer Herrschaft die Sonne nicht untergehe und auf der Iberischen Halbinsel ein weltumspannendes Handelssystem reguliert werde.