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Handel als Triebfeder und Ziel Asien und Europa im Mittelalter
ОглавлениеNetz trans- und interkontinentaler Verkehrswege
Die drei Kontinente der Alten Welt, Asien, Afrika und Europa, wurden seit der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends von einem Netz trans- und interkontinentaler Verkehrswege überzogen. Der Handel auf ihnen war mannigfaltigen Störungen ausgesetzt, blieb aber im Großen und Ganzen über zwei Jahrtausende intakt. Afrika und Europa lagen an der westlichen Peripherie und waren durch Anschlussstraßen mit den asiatischen Warenströmen verbunden. Im Osten reichte der Hauptstrang bis Chang’an, Luoyang und dann Dadu (oder Khanbaliq, beim heutigen Peking) in China, dem kulturellen Gravitationszentrum des asiatischen Handels. Abzweigungen führten nach Burma, Bengalen und Tibet, nach Afghanistan, Indien und Südrussland, zum Kaukasus und zu den Hafenstädten am Persischen Golf. In Arabien und Osteuropa gingen sie in andere Verkehrsnetze über, die nach den dort bevorzugt transportierten Gütern bezeichnet werden (Weihrauchstraße, Pelzstraße, Bernsteinstraße).
Kombination von Land- und Seeweg
Der Karawanenverkehr hat lange Zeit das Bild des asiatischen Handels bestimmt. Aber ihr maritimes Gegenstück hatten die Landwege in der Überseeroute, die die arabischen mit den indischen Häfen verband und um Südostasien herum nach Südchina führte. Land- und Seeweg funktionierten wie zwei kommunizierende Röhren: War der Landweg unsicher oder blockiert, verlagerte sich der Handel auf das Meer; nahmen dort die Überfälle von Piraten oder andere Behinderungen überhand, kehrte man zur beschwerlichen, aber letztlich sichereren Überlandroute zurück. In friedlichen Zeiten musste man sich nicht festlegen, sondern konnte Land- und Seeweg gut miteinander kombinieren. Mehrere Kulturräume wurden auf diese Weise miteinander verbunden: der chinesische, der zentralasiatische, der südostasiatische, der indische, der arabische und schließlich der mediterran-europäische. Man kann von einem frühen Weltwirtschaftssystem sprechen, allerdings beschränkt auf hochwertige Luxusgüter und eine schmale Schicht wagender Kaufleute.
„Die Seidenstraße“
Der deutsche Geograph Ferdinand von Richthofen (1833–1905) nannte das innerasiatische Straßennetz „die Seidenstraße“ und führte den bis heute gültigen Begriff ein. Doch er irrte in doppelter Hinsicht: Der Singular ist nicht berechtigt, und es hat auch keinen Sinn, nur von einem einzigen Handelsgut zu sprechen. Immerhin war Seide aus China das prominenteste Gut, so prominent, dass das arabische Wort für die über den südostchinesischen Hafen Quanzhou (Zaitun) exportierten Stoffe als „Satin“ in die europäischen Sprachen einging und seta catuya, „Seide aus Cathay“ (wie man Nordchina seit dem 13. Jahrhundert nannte), von den Dichtern besungen wurde: „Des Morgens erhebt sich meine Dame, die heller leuchtet als die Morgenröte, und sie kleidet sich in Seide aus Cathay“ (Dino Compagni, Anfang 14. Jh.). Doch daneben wurden auch Brokate und Taftstoffe, Gewürze und Medizinaldrogen (Zimt und Zimtblüten, Galgant, Pfeffer, Ingwer, Nelken und Muskatnuss, Kampfer und Medizinalrhabarber), Blutholz, Edelsteine, Moschus und Gummilack quer durch Asien bis nach Europa transportiert. Im Gegenzug kamen feine Leinenstoffe, Kamelottzeuge (aus Kamelhaar, Ziegenhaar oder Seide), Bernstein, Korallen und Kristallglas aus Murano nach Ostasien. Immer handelte es sich um Luxusgüter von geringem Gewicht, deren Verkauf hohe Gewinne versprach. Herkömmlich hatte Europa weniger als Asien zu bieten, und die Handelsbilanz war über Jahrhunderte hinweg defizitär.
So blieben die Zustände bis ins späte Mittelalter hinein. Der Handel auf den Seidenstraßen war immer riskant und beschwerlich, kam aber nie zum Erliegen, weil er so gewinnträchtig war. Immerhin gab es eine Infrastruktur, die jahrhundertelang funktionierte: Stapelplätze und Karawansereien auf der Landroute, sichere Häfen auf dem Seeweg, Dolmetscher, Versorgung und Informationen, wo man sie brauchte. Allerdings war der direkte Handel über weite Entfernungen nicht üblich. Die Waren wurden von einem Kaufmann an den anderen verkauft und kamen nur durch den Zwischenhandel an ihr Ziel. Auch der Gewinn verteilte sich auf entsprechend viele Köpfe. Erst seit der Mitte des 13. Jahrhunderts änderten sich die Verhältnisse fundamental, und es kam ein direkter, stetiger Handelskontakt zwischen den beiden Enden der eurasiatischen Landmasse zustande. Dafür gab es zwei Gründe: Der eine lag in der mongolischen Reichsbildung seit 1206, der andere hatte mit der dynamischen Wirtschaftsentwicklung in Europa zu tun.
Dschingis Khan und Kublai Khan
Dschingis Khan hatte die Stämme östlich des Altai-Gebirges unter seiner Herrschaft vereinigt und in pausenlosen Feldzügen ein Reich zusammengerafft, das bei seinem Tod (1227) vom Chinesischen bis zum Kaspischen Meer, von Transoxanien bis Sibirien reichte. Seine Nachfolger fügten Eroberungen in China, Tibet, Osteuropa, Persien und Korea hinzu. Unter Kublai Khan (Khubilai, 1260–1294) wurde schließlich auch das südliche China und so das damalige Herz der chinesischen Zivilisation eingenommen (s. Beitrag „Nomaden zwischen Asien, Europa und dem Mittleren Osten“ in Band III). Deren Reichtümer standen nun den Eroberern zur Verfügung. Halb Asien befand sich unter mongolischer Herrschaft, und die transkontinentalen Handelswege wurden fast auf ganzer Länge von einer einzigen Macht kontrolliert. Man muss die sogenannte Pax Mongolica, den Reichsfrieden unter mongolischer Herrschaft, nicht überbewerten. Denn es gab auch zentrifugale Tendenzen im Großreich der Mongolen, und der Handel stand in seiner Blüte, als die Konflikte zwischen den Teilreichen zunahmen. Aber bis 1368, bis zur Vertreibung der fremden Herren aus China, wurde zumindest theoretisch der Anspruch eines einheitlichen Großreiches unter einem einzigen Herrscher, dem Großkhan, aufrechterhalten. Nie zuvor lag es Kaufleuten so nahe, auf die Sicherheit der Straßen zu vertrauen und die weite Reise in den Fernen Osten auf sich zu nehmen.
„Kommerzielle Revolution“
Dass fast ausschließlich Italiener dies taten, lag an der sogenannten „kommerziellen Revolution“ (Robert S. Lopez) in Südeuropa. Man versteht darunter die Expansion des Handels im Mittelmeerraum, die mit der Gründung von kolonialen Stützpunkten, der Einrichtung überseeischer Kontore und der Erfindung neuer Kapitalanlageformen einherging. Die italienischen Seestädte, vor allem Genua und Venedig, hatten im Gefolge der Kreuzzüge den gesamten Levantehandel an sich gezogen, und Genuesen sowie Venezianer waren es auch, die von hier aus nach Osten ausgriffen, um das Geschäft auf der Seidenstraße nicht mehr zahlreichen Zwischenhändlern überlassen zu müssen, sondern in die eigenen Hände nehmen zu können. Die Brüder Niccolò und Maffeo Polo, die von ihrem Kontor in Konstantinopel nach Osten aufbrachen und sich bis Khanbaliq treiben ließen, waren Pioniere. Viele andere folgten ihnen nach. Manche reisten mehrfach hin und her, manche blieben Jahre im Osten, und manche kamen gar nicht mehr zurück, sei es, dass sie sich fest niederließen, sei es, dass sie verstarben. Einige von ihnen sind nur mit ihrem Namen bekannt, doch schon aus diesen spricht der Stolz, den sie über ihre weitausgreifende Tätigkeit empfanden. Einer nannte sich nach Cathay, ein anderer Ultramarino, der „Überseeische“, und unter genuesischen Kaufleuten wurden mongolische Vornamen zeitweise modisch.
Tricks im Fernhandel
Ansonsten gaben sich die Kaufleute verschwiegen. Geschäftsgeheimnisse wollte man nicht ausplaudern. Nur aus internen Handbüchern (sogenannten pratiche della mercatura) geht hervor, was man bedenken, worauf man sich einstellen und welcher Tricks man sich bedienen musste, wollte man im innerasiatischen Fernhandel bestehen. Der Dolmetscher war wichtig, eine Frau nicht minder, vor allem wenn sie die für den Fernhandel wichtige kumanische Sprache beherrschte. Es half, wenn man sich einen Bart wachsen ließ und aussah wie ein Einheimischer, und in einer Gruppe von 60 Mann reiste man so sicher, „als wäre man zu Hause“. Falls ein Kaufmann unterwegs starb, sollte sich ein anderer als sein Bruder ausgeben, damit nicht die ganze Fahrhabe dem örtlichen Herrscher verfiel. Vor Rechtsunsicherheit und Willkür wurde ausdrücklich gewarnt. Bestimmte Waren sollte man unterwegs verkaufen, in China musste man alles Hartgeld in wenig ansehnliche Geldscheine umtauschen.
Europäischer Handel in Asien als Randphänomen
Aus all dem gehen die Chancen und Risiken des mittelalterlichen Fernhandels in Asien hervor. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts hielt die Konjunktur an. Durch zwei Grabsteine von 1342 und 1344 wissen wir, dass genuesische Kaufleute am unteren Jangtse (Yangzi) ein Kontor unterhielten. Die Mobilität des wagenden Kaufmanns kann eindrucksvoller nicht illustriert werden. Gleichzeitig sieht man, dass der europäische Handel in Asien immer nur ein Randphänomen darstellte. Die Präsenz arabischer Kaufleute in Quanzhou ist viel üppiger dokumentiert. Nach dem Wüten der Pest in Zentral- und Ostasien, vollends nach der Vertreibung der Mongolen aus China (1368) brach die Konjunktur ein. Ein Kaufmann aus Chioggia (bei Venedig) namens Niccolò de’ Conti konnte sich nur mehr entlang der südlichen, der maritimen Verkehrswege, also in Arabien, Indien und Südostasien, bewegen. Sein abenteuerlicher Lebenslauf zeigt, wie schwer es einem Europäer geworden war, am interkontinentalen Fernhandel zu partizipieren. Europa war keineswegs von den asiatischen Warenströmen abgeschnitten. Aber nach dem Untergang der mongolischen Macht musste es sich – wie zuvor – mit muslimischer Vermittlung bescheiden. Der Handel auf den nördlichen Routen verfiel, der Zugang zu den südlichen wurde von Osmanen (in Kleinasien) und Mamluken (in Syrien, Palästina, Ägypten) kontrolliert. Der direkte Kontakt zu den Produzenten von Seide und Gewürzen war im 15. Jahrhundert blockiert.
Die Geschichte der Entdeckungen seit dem 15. Jahrhundert.