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Portugal in Indien

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Aufstieg Portugals

Die Auflösung der Blockade ging nicht von den in Europa führenden Mächten, nicht von England, Frankreich oder dem römisch-deutschen Reich, sondern von Portugal und Spanien aus. Vor allem der Aufstieg des kleinen Königreichs Portugal zur ersten europäischen Kolonialmacht ist schwer zu erklären. Politische (die frühe Einung des Landes), militärisch-mentale (die Fortsetzung von Reconquista und Heidenkriegertum), ökonomische und demographische Faktoren (der Bedarf an afrikanischen Waren, Getreide vor allem) kamen zusammen. Eine bemerkenswerte Rolle spielte die Krone: Sie gab die Richtung der Expansion vor, organisierte den gesamten Prozess und behielt das Vorhaben stets in der Hand. Nicht von Beginn an war Indien das Ziel, und die „Akademie von Sagres“, in der die portugiesischen Entdeckungsfahrten geplant worden sein sollen, hat sich als nationale Schimäre erwiesen. Doch indem Heinrich der Seefahrer seine eigenen ehrgeizigen Ziele verfolgte und als drittgeborener Königssohn ohne Aussicht auf die Thronfolge den Aufbau eines autonomen Herrschaftsraums auf dem Atlantik und entlang der nordwestafrikanischen Küste betrieb, sorgte er für die systematische Erweiterung des kommerziellen, geographischen und nautischen Wissens.

Spanische Konkurrenz

Nach Heinrichs Tod (1460) setzten die Könige Alfons (Afonso) V., Johann (João) II. und Manuel I. das Werk des Infanten fort. Pfefferküste, Elfenbeinküste, Goldküste und Sklavenküste wurden nacheinander für den portugiesischen Handel erschlossen. Die Namen stehen für die Güter, die man dort bekam. Zwar wurden private Geldgeber ermutigt, in den portugiesischen Afrika- und später Indienhandel zu investieren, aber die Krone vergab nur Lizenzen, beaufsichtigte den Warenverkehr und behielt sich das Monopol für die wichtigsten Handelsgüter vor. Insbesondere die spanische Konkurrenz sollte vom afrikanischen Markt ferngehalten werden. Denn auch das Königreich Kastilien beteiligte sich an den Kriegen gegen die Muslime, erteilte Privilegien für den Fischfang im Atlantik und erhob wie Portugal Ansprüche auf die Kanarischen Inseln, die erst 1312 durch den Genuesen Lancelotto Malocello (wieder)entdeckt worden waren. Über ein Jahrhundert hinweg stritten Portugal und Kastilien um den Besitz des Archipels, und erst im Vertrag von Alcáçovas 1479 wurden die Interessenssphären klar und deutlich definiert: Portugal verzichtete auf die Kanaren, dafür hielt sich Kastilien vom afrikanischen Festland südlich der Inseln fern. Seitdem konnte sich Portugal ungestört der Erschließung der südlichen Seewege widmen, und immer deutlicher geriet das Fernziel Indien in den Blick. Schon der Import von afrikanischem Gold, Elfenbein („weißem Gold“) und Sklaven („schwarzem Gold“) hatte Lissabon zu einer der reichsten Städte Europas gemacht. Doch der Handel mit Gewürzen schien noch viel lukrativer. In Westafrika konnte man pfefferähnliche Gewürze einkaufen, aber der wirkliche, der echte Pfeffer (piper nigrum) wuchs nur an der indischen Malabarküste.

Stationen auf dem Weg nach Indien

Die wichtigsten Stationen auf dem Weg nach Indien waren das Cabo do Não („Kap Nichts“), das bis dahin als das Ende der Welt galt (1416), Kap Bojador, wo die Küstenschifffahrt endete und Angst und Schrecken die Seeleute ergriffen (Gil Eanes 1434), die Mündung des Kongo, bei der man sich der Südspitze Afrikas schon ganz nahe wähnte (Diogo Cão 1483), und schließlich das Kap der Guten Hoffnung, das Bartolomeu Dias 1488 erreichte. Sein ursprünglicher Name „Kap der Stürme“ beschreibt die Widrigkeiten bei seiner ersten Umrundung. Die sofortige Umbenennung – vielleicht von König Johann persönlich verfügt – zeigt, welch hohe Erwartungen sich an den Erfolg knüpften.

Zentren des Handels

Die „gute Hoffnung“ sollte sich als berechtigt erweisen. Als die ersten portugiesischen Schiffe in den Indischen Ozean einfuhren, erreichten sie die eigentliche Drehscheibe des überseeischen Handels in Asien. Drei einander überlappende Warenkreisläufe hatten an ihm Anteil: der arabische Handel, der von Ostafrika bis Westindien reichte, der indische, der auch Südostasien erfasste, und schließlich der chinesische, der die südostasiatische Inselwelt mit den östlichen Meeren verband. Fertigwaren aus China, Baumwollstoffe und Gewürze aus Indien und Hinterindien, Lebensmittel und Rohstoffe aus Arabien und Afrika wurden gegeneinander getauscht. Zentren des Handels waren die Häfen von Mogadischu und Kilwa in Ostafrika, Aden in Arabien, Hormus (Hormuz) am Persischen Golf, Cambay und Calicut in Indien sowie Malakka auf der Malaiischen Halbinsel. Dort wurden die Reichtümer Asiens gehandelt, und Portugal war die erste europäische Macht, die mit allen Mitteln darauf drängte, daran teilhaben zu können.

Erste portugiesische Indienflotte

Bartolomeu Dias musste den Versuch, Indien zu erreichen, aufgeben, weil Mannschaft und Offiziere die Strapazen nicht mehr ertragen wollten. Aber wenige Jahre später setzte Vasco da Gama mit drei Schiffen das Unternehmen seines Vorgängers fort, tastete sich an der ostafrikanischen Küste entlang nach Norden voran und wagte von Melinde (Malindi im heutigen Kenia) die Fahrt über das offene Meer, um schließlich vor der indischen Westküste zu ankern. Dabei half ihm ein indischer Moslem, der ihm das Geheimnis der Monsunwinde erklärte. Ohne einheimische Unterstützung hätte er sein Ziel nicht erreicht. Schon bei der Rückfahrt gab es Probleme, denn die portugiesischen Schiffe mussten vorzeitig aufbrechen und fanden keine günstigen Winde. Noch war Portugal ein Neuling in fremden Gewässern und fand sich nur mit Mühe zurecht.

Überhaupt hatte die erste portugiesische Indienflotte nur begrenzten Erfolg. Die arabische Konkurrenz wehrte sich, und der wirtschaftliche Ertrag war gering. Was man mitnahm, waren genauere Kenntnisse der Anfahrtswege sowie die Vermutung, dass nachhaltigere Erfolge eher mit Waffengewalt zu erzielen seien. Als zwei Jahre später eine deutlich größere Flotte im Indischen Ozean aufkreuzte, hatte sie Instruktionen dabei, mit aller Macht die arabischen Kaufleute zu verdrängen und die Warenströme auf die von Portugal kontrollierten Verkehrswege zu lenken. Portugal war fest entschlossen, den Handel in Südasien zu dominieren, und ging mit unerhörter Gewalt gegen alle Konkurrenten vor. Bis dahin hatten die Märkte auf rein privatrechtlicher Grundlage und weitgehend friedlich funktioniert. Portugal war der erste Akteur, der als Staat auftrat, die ihm zur Verfügung stehenden Machtmittel einsetzte und zielstrebig Krieg und Kommerz miteinander kombinierte. Handel wurde von den Portugiesen nie anders denn als bewaffneter Handel verstanden. Die Überlegenheit der europäischen Schiffe und vor allem der Geschütze bewirkten dabei entscheidende Vorteile.

Estado da Índia

Schon bei den Fahrten entlang der afrikanischen Küste waren mehr als mannshohe Wappenpfeiler mit einem Steinkreuz auf der Spitze (padrão, Pl. padrões) aufgestellt worden, um den Herrschaftsanspruch eines christlichen Reichs zu dokumentieren, und an den Brennpunkten des Handels entstanden Faktoreien, die sich zu Zentren einer kolonialen Verwaltung fortentwickeln sollten. Da man in Lissabon einsah, dass sich ein solch ehrgeiziges Unternehmen nicht von Portugal aus steuern ließ, wurde – in Gestalt eines Vizekönigs beziehungsweise eines Generalgouverneurs – ein Vertreter des Königs bestellt, der nur diesem unterstand. Der zweite Amtsinhaber, Afonso de Albuquerque, konnte die Besitzungen der Krone beträchtlich erweitern und gilt als der eigentliche Begründer des „Estado da Índia“, des portugiesischen Kolonialreichs im Indopazifik. Es reichte von den Stützpunkten in Afrika, am Persischen Golf und in Indien bis zu den Niederlassungen auf den Gewürzinseln, in Malakka, Makassar und Macau (Macao). Der Generalgouverneur/Vizekönig residierte in Goa und agierte weitgehend autonom, denn Lissabon lag in weiter Entfernung. Der Estado da Índia besaß eine eigene Verwaltungsstruktur und Beamtenhierarchie. Er finanzierte sich aus Zöllen, Steuern, Schutzgebühren und Tributen. Die Besteuerung des Seehandels trug das System.

Der Estado war aber niemals ein Staat. Er besaß keine Souveränität und so gut wie kein Territorium. Nur auf Ceylon, in Gujarat und bei Goa gab es Ansätze dazu. Der Estado da Índia bestand aus Stützpunkten an den Küsten, aus Flottenbasen und Festungen, aus befestigten und unbefestigten Faktoreien. Sein ganzer Zweck war die Aufrechterhaltung, Förderung und Kontrolle des Handels auf dem Indischen Ozean beziehungsweise die Abschöpfung der Handelsgewinne. Daran orientierte sich auch die Auswahl der Standorte: Von Hormus ließ sich der Verkehr im Persischen Golf beaufsichtigen; in Cochin hatte man Zugang zu indischem Pfeffer, in Colombo zu ceylonesischem Zimt; in Malakka kamen die Gewürze von den Gewürzinseln und die Exporte aus China zusammen. Alle anderen Europäer sollten den südasiatischen Märkten fernbleiben. Der Indische Ozean wurde in Lissabon als ein portugiesisches mare clausum („geschlossenes Meer“) betrachtet.

Gefahren der Seefahrt

Portugal hat seine Ziele nie wirklich erreicht. Ein längerfristiges Monopol auf Gewürze (wenn man überhaupt je daran dachte) war schon deshalb illusorisch, weil die Menschen wie die Mittel dafür fehlten. Während des ganzen 16. Jahrhunderts sollen 200.000 Portugiesen ihr Glück im Estado da Índia versucht haben. Das ist nicht wenig, aber angesichts des riesigen Raums eine verschwindend geringe Zahl, ein Wassertropfen im Ozean sozusagen. Ein Teil von ihnen kam gar nicht ans Ziel. Denn Hochseeschifffahrt war in der Vormoderne immer ein Glücksspiel. Gerade die portugiesische Seefahrt hatte nicht nur heroische, sondern auch tragische Züge. Als história trágico-marítima wurden die Schicksale der Indienfahrer von der portugiesischen Geschichtsschreibung beschrieben. Man schätzt, dass vier Zehntel von ihnen früher oder später den Gefahren und Strapazen erlagen. Dass sich trotzdem so viele auf das Wagnis einließen, lag an den hohen Gewinnen, die der Handel mit Indien versprach. Er war ein Glücksspiel, das sich für die knappe Mehrheit rentierte.

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