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VOC, EIC und andere Kompanien
Оглавление„Vereinigte Ostindische Kompanie“
Doch der Erfolg der iberischen Mächte in Übersee rief die Konkurrenz auf den Plan. Allerdings waren es keine Staaten, die Portugal und Spanien herausforderten und schließlich aus ihrer beherrschenden Stellung im Welthandel verdrängen sollten, sondern private Gesellschaften, die staatliche Förderung erhielten. Zielsetzungen, Funktionsweisen und die Bedeutung dieser Gesellschaften gehen am eindrucksvollsten aus der Geschichte der VOC, der „Vereinigten Ostindischen Kompanie“, hervor. Sie entstand, als die Generalstaaten der Niederlande gegen das spanische Weltreich um ihre Unabhängigkeit kämpften. Die Bemühungen der Kaufleute, den spanisch-portugiesischen Monopolanspruch im Überseehandel zu durchbrechen, wurden auf einem neuen, überseeischen Schauplatz des Konflikts inszeniert. Dessen europäische und globale Aspekte waren ineinander verschränkt. Als im Westfälischen Frieden von 1648 die Unabhängigkeit der Niederlande völkerrechtlich anerkannt wurde, hatte sich die VOC als global agierendes Unternehmen etabliert.
Vorkompanien
Es gab Vorläufer, sogenannte Vorkompanien. Mehrere Flotten fuhren gegen Ende des 16. Jahrhunderts von Amsterdam, Middelburg, Rotterdam oder anderen niederländischen Häfen auf die Weltmeere, um am Asienhandel zu partizipieren. Sie profitierten von den Erfahrungen, die niederländische Seeleute in spanischen oder portugiesischen Diensten hatten machen können, gingen zum Teil aber auch eigene Wege. Besonders spektakulär war der Versuch, eine nordöstliche Passage um Sibirien herum nach Ostasien und zu den Gewürzinseln zu erkunden. Da er scheiterte, blieb es bei den üblichen Routen, und die frühe Geschichte der VOC lief auf den permanenten Konflikt mit dem spanisch-portugiesischen Kolonialreich hinaus.
Auch die „Vorkompanien“ waren Kompanien. Das bedeutet, dass mehrere Anteilseigner Kapital in die Gesellschaft und ihr Vorhaben einbrachten und sich am Ende den Gewinn teilten. Allerdings galt die Vereinbarung nur für dieses eine Unternehmen. In den Niederlanden entstand die Befürchtung, die vielen Kompanien könnten miteinander konkurrieren, die Märkte mit einem Überangebot von Gewürzen überschwemmen und so die Preise verderben. Die Generalstände erließen deshalb im Jahre 1602 einen Oktroi, der die bestehenden Gesellschaften zum Zusammenschluss zwang und 21 Jahre lang in Kraft bleiben sollte. Sein Zweck war die Bündelung aller Kräfte, die Konzentration des Indienhandels auf die Niederlande und durch die lange Laufzeit die Verstetigung des Unternehmens. Die Risiken des Tagesgeschäfts sollten dadurch reduziert werden. Indem die Gültigkeit der rechtlichen Vorgaben regelmäßig verlängert wurde, entstand eine staatlich privilegierte Handelsorganisation mit breiter Kapitalausstattung auf einem festen institutionellen Fundament. Die Verwaltung in den Niederlanden leiteten 17 „Herren“, die sechs Kammern aus sechs Städten repräsentierten. Doch die Vertreter vor Ort konnten beziehungsweise mussten weitgehend selbständig agieren. Der Generalgouverneur residierte in seiner „Hauptstadt“ Batavia (anstelle des Ortes Jakatra, heute Jakarta) und wurde durch den „Rat von Indien“ unterstützt. In den Stützpunkten und Faktoreien wurden die Belange der VOC durch Gouverneure und Direktoren vertreten. Da die Nachrichtenübermittlung durch die weiten Kommunikationswege oft Monate dauern konnte, gingen deren Befugnisse in der täglichen Praxis sehr weit. Doch generell war die Verwaltung der VOC streng hierarchisch gegliedert. Sie handelte im Namen und Auftrag der Niederlande und hatte das Recht, Gouverneure zu bestimmen, Festungen zu errichten, Kriege zu führen und Verträge zu schließen. In Asien agierte sie so souverän wie in Europa ein Staat.
Fall des Estado da Índia
Gegen die ebenso kapitalstarke wie schlagkräftige und flexibel organisierte VOC hatte das überdehnte spanisch-portugiesische Kolonialreich keine Chance. Seine Stützpunkte um den Indischen Ozean herum wurden regelrecht überrollt. Die Portugiesen hatten sich in ein bestehendes Handelssystem eingenistet, jetzt schlüpften die Niederländer in deren Position. 1641 fiel Malakka, die Drehscheibe des Handels zwischen Indischem und Chinesischem Meer, 1656 Colombo auf Ceylon, 1663 Cochin in Indien an der Malabarküste. Außer Goa, Macau und einem Teil der Kleinen Sunda-Inseln blieb vom glorreichen Estado da Índia nichts übrig. 1669 wurde außerdem Makassar auf Sulawesi erobert. Die Kontrolle des Handels mit Gewürznelken, Muskatnüssen und Muskatblüten war nun gesichert, nachdem die VOC schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Gewürzinseln Ambon (Amboina) und Banda eingenommen und alle Konkurrenten von dort vertrieben hatte. Ihr vornehmstes Ziel war damit erreicht.
Rückgang des niederländischen Einflusses in Ostasien
Nach Norden, nach Ostasien hin, verebbte der niederländische Einfluss dagegen. In Japan konnte die VOC die Portugiesen so wie anderswo verdrängen und durfte sogar – seit 1641 – als einzige europäische Macht hier noch Handel treiben. Der Leiter der Faktorei und sein Personal wurden aber auf ein winziges Inselchen im Hafen von Nagasaki beschränkt und hatten auch sonst nicht viel zu bestellen. In China blieben die ausländischen Kaufleute ohnehin vor der Tür. In Kanton unterhielt die VOC seit 1729 eine Faktorei, war aber hier nur ein Akteur neben anderen. Der Versuch, sich auf Taiwan festzusetzen und dort ein koloniales Regime zu begründen, scheiterte nach wenigen Jahrzehnten. Die Ambitionen der VOC wurden durch die überlegene Kraft der ostasiatischen Reiche in die Schranken gewiesen. Der Schwerpunkt ihrer Aktivitäten lag daher immer und eindeutig auf den südostasiatischen Inseln und dem Handel mit Gewürzen.
Nachahmer
Der Erfolg der VOC machte allenthalben Eindruck und fand Nachahmer in mehreren europäischen Staaten. 1664 wurde in Frankreich die Compagnie des Indes gegründet, die 1719 in der Compagnie perpétuelle des Indes aufging und bis 1826 existierte. 1616, 1670 und 1732 entstanden nacheinander drei dänische Gesellschaften, die vor allem in Südindien, weniger in China und Südostasien, operierten. Die „Kompanie von Ostende“ in den Österreichischen Niederlanden versuchte, sich in Bengalen und im Chinageschäft zu etablieren, was auch die erstmals 1731 privilegierte, dann mehrfach erneuerte schwedische Kompanie anstrebte. Sie alle folgten mehr oder weniger konsequent dem Beispiel der VOC und hatten auch – wenigstens zeitweise – einigen Erfolg damit.
East India Company
Doch wirklich vergleichbar, was ökonomischen Erfolg, Nachhaltigkeit und politische Bedeutung betrifft, war nur die EIC, die britische East India Company. Sie war sogar etwas älter als die VOC und hatte Vorläufer, deren Tätigkeit bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurückreichte. Sie brauchte jedoch etwas länger, um sich im Asienhandel zu etablieren und gelangte auf den Höhepunkt ihrer Entwicklung, als jene zu stagnieren begann. Zeitweilig rivalisierten beide im Gewürzhandel miteinander. Aber als die VOC mit exzessiver Gewalt gegen die Konkurrenz vorging (beim sogenannten Amboina-Massaker 1623), zog sich die EIC aus Südostasien und dem Gewürzhandel zurück. Auch in Japan musste sie der VOC weichen. In Siam gab sie frühzeitig auf. Seitdem konzentrierte sie ihre Geschäfte auf Indien und China.
Drie presidencies
Mit der Erschließung neuer Märkte ging die Umorientierung auf andere Handelswaren einher. Statt der Gewürznelken und Muskatnüsse kamen nun indische Textilien, chinesisches Porzellan und chinesischer Tee in den Blick. Dem Handel mit Letzterem verdankte die EIC ihren Aufschwung im 18. Jahrhundert. Allerdings drang auch sie nicht auf den chinesischen Binnenmarkt vor, sondern blieb – wie die VOC – darauf beschränkt, im südchinesischen Kanton (Guangzhou) mit den dort ansässigen, staatlich konzessionierten Handelshäusern (Hong) unter strenger Aufsicht der chinesischen Behörden Waren zu tauschen. Immerhin hatte sie mit amerikanischem Silber, indischer Baumwolle und später Opium etwas zu bieten, was die Chinesen interessierte. Aber die überseeische Zentrale der EIC blieb immer in Indien. Dort entstanden drei presidencies, Madras, Kalkutta (Calcutta) und Bombay, von denen aus sie die südasiatischen Märkte durchdrang und gleichzeitig auf die indische Politik Einfluss zu nehmen begann. Alle drei Orte wurden dadurch erst zu bedeutenden Metropolen, die EIC gewann Territorien dazu, führte Kriege um sie und legte so die Grundlagen für die spätere britische Kronkolonie.
Freiheit der Meere
Die Ostindienkompanien waren „hybride Institutionen“, in denen sich öffentliche und private Funktionen auf unterschiedliche Weise verbanden (Jürgen Osterhammel). Sie traten als Zusammenschlüsse von Kaufleuten auf und dienten der Beschaffung von Kapital. Insofern kann man sie als frühe Aktiengesellschaften bezeichnen. Andererseits folgten sie staatlichen Initiativen und kamen ohne öffentliche Förderung nicht aus. Sie erhielten Privilegien, die sie über die Konkurrenten hinaushoben, und verblieben in unterschiedlicher Nähe zum Staat. In Frankreich war das Verhältnis sehr eng, in den Niederlanden etwas lockerer als in England. VOC und EIC agierten faktisch weitgehend autonom. Dennoch vertraten sie die Interessen ihrer Länder. Gegenüber dem Anspruch der iberischen Mächte, dank päpstlicher Privilegierung zum Handel in Übersee berechtigt zu sein und dieses Recht mit niemandem teilen zu müssen, behaupteten die Kompanien den Standpunkt des Freihandels und beharrten auf der Freiheit der Meere – mare liberum statt mare clausum. Der Leidener Rechtsgelehrte Hugo Grotius (1583–1645) begründete den Standpunkt theoretisch, beschrieb die Freiheit der Meere als göttliche Einrichtung und stellte den freien Handel als Grundprinzip des Völkerrechts dar: „Jedes Volk kann ein anderes aufsuchen und mit ihm Geschäfte machen“. Nur so habe die „Gemeinschaft des Menschengeschlechts“ einen Sinn.
In Wirklichkeit ließen auch die Kaufleute-Kompanien nicht jedermann an ihren Privilegien teilhaben und waren bereit, einmal erschlossene Märkte mit allen Mitteln zu verteidigen – auch kriegerische zählten dazu. Handel und Krieg gehörten nach wie vor zueinander, und die Unterschiede zum bewaffneten Handel Spaniens und Portugals einerseits, zwischen den Kompanien andererseits waren allenfalls graduell. Nach wie vor richtete sich aller Augenmerk auf den süd- und südostasiatischen Handel, auf den Raum zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und Kanton. Afrika blieb, sieht man einmal von dem um 1500 blühenden Goldhandel an der Guineaküste ab, bloße Durchgangsstation, allein für den Sklavenhandel von Belang, und Amerika spielte für die großen Kompanien nur eine Rolle am Rande oder wurde anderen Gesellschaften, etwa der Westindischen Kompanie, überlassen. Bezeichnend ist, dass die Niederlande in den Friedensverhandlungen von 1667 gegenüber England auf Neu-Amsterdam verzichteten, um die kleine, zu Banda gehörige Gewürzinsel Run zu behalten. Aus Neu-Amsterdam wurde später New York. Die amerikanische Ostküste und die dahinter liegenden Wälder und Savannen schienen weniger interessant als die Inseln im indischen Meer. Das immer noch viel größere Gewicht der asiatischen Wirtschaft spiegelte sich darin. Auch die Geschichte der europäischen Entdeckungen wurde zunächst durch die Erkenntnisse und Erfahrungen der Asienfahrer dominiert.