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Komplexe Organisationsformen und Großbetriebe
ОглавлениеGroßbetriebe
Gewerbliche Großbetriebe gelten als wesentliches Kennzeichen des Industrialisierungsprozesses. Produkte an einem Ort in großen Stückzahlen und damit entsprechend kostengünstig herzustellen, erforderte eine zentrale organisatorische Struktur und beförderte den Einsatz neuer technischer Hilfsmittel ebenso wie die Herausbildung neuer Finanzierungsformen. Gleichzeitig unterschied sich der Arbeitsalltag durch strenge Kontrolle und festgesetzte Arbeitszeiten grundsätzlich von den Lebensrhythmen der Landwirtschaft oder der gewerblichen Heimarbeit. Traditionell kannten zahlreiche Hochkulturen die räumliche Konzentration hunderter oder tausender Arbeitskräfte vornehmlich in der Monumentalarchitektur oder dem Wasserbau, nicht aber in der gewerblichen Produktion. Zunächst waren in der Regel obrigkeitliche Organe die Träger solcher Großbetriebe, insbesondere in der seit der Song-Zeit in China zentral organisierten Eisen-, Salz-, Textil-, Keramik- und Papierherstellung. Um 1400 produzierten in der „Porzellanstadt“ Jingdezhen Zehntausende von Arbeitern in arbeitsteilig organisierten Großbetrieben. Hohe Anforderungen stellten die immer wieder optimierten, sich bis zu 60 Meter hügelaufwärts erstreckenden Brennöfen, die mit einem ausgefeilten Mehrkammersystem mit unterschiedlichen Brenntemperaturen für verschiedene Sorten von Keramik und Porzellan arbeiteten. Aus Persien sind im 17. Jahrhundert ebenfalls zahlreiche Seiden-, Teppich- und Keramikmanufakturen bekannt.
Maschinen
In der Zeit vor 1800 blieb die Ausstattung solcher Großbetriebe mit Maschinen, die durch eine zentralisierte Energieversorgung wie Wasserräder oder Dampfmaschinen angetrieben wurden, die Ausnahme. In Europa lieferte der zehntausendfache Einsatz der Mühlentechnologie seit der Spätantike zwar einen wichtigen Beitrag für die Energieversorgung. Solche Maschinen waren jedoch kaum geeignet, komplexe Arbeitsschritte auszuführen, sondern dienten der Zerkleinerung von Rohstoffen (Bestandteile des Schießpulvers, Rinde für die Gerberei, Zerfasern von Lumpen für die Papierherstellung) oder der groben Bearbeitung von Halbfertigprodukten (Walken von Tuchen, Antrieb von Schmiedehämmern).
Staatliche Nachfrage
Bei gewerblichen Großbetrieben in der Zeit vor 1800 handelt es sich demnach um Manufakturen, in denen Arbeitsprozesse zwar kleinteilig aufgesplittet waren, jedoch weiterhin eine vergleichsweise hohe handwerkliche Expertise erforderten. Ein Schwerpunkt der in Europa im 18. Jahrhundert meist auf obrigkeitliche Initiative gegründeten Manufakturen lag auf dem bereits erwähnten Versuch der „einheimischen“ Produktion von Luxusgütern aus Übersee wie Porzellan oder Seidenstoffen. Solche Manufakturen stellten dann in ökonomischer Hinsicht einen Sonderfall dar, wenn sie ausschließlich für staatliche Nachfrage produzierten, die hergestellten Waren also gar nicht auf dem Markt gehandelt wurden. Das war insbesondere im militärischen Bereich der Fall, zu denken ist an die Waffenproduktion im indischen Mogulreich oder in den europäischen Territorialstaaten ebenso wie an die staatlichen Werften, welche die Kriegsschiffe der europäischen Flotten bauten. In China bildeten sich allerdings im Umfeld staatlicher Textil- und Porzellanmanufakturen auch privatwirtschaftlich organisierte Großbetriebe heraus, die als Subunternehmer zu Zeiten der späten Ming-Dynastie erhebliche Anteile der Gesamtproduktion übernahmen. Ohnehin waren einzelne Gewerberegionen Chinas zu dieser Zeit vielfach von dezentralen, privatwirtschaftlich organisierten Strukturen geprägt.
In vielen Kulturen sind kleinteilige organisatorische Zwischenformen zu erkennen, welche die massenhafte Produktion von Gütern strukturierten, ohne zentrale Betriebsstätten wie Manufakturen einzurichten und dafür erhebliche Mittel investieren zu müssen. Einen weit geringeren Einsatz an fixem Kapital erforderte, gerade in der Textilherstellung, das europäische Verlagswesen: Unternehmer lieferten hier meist familiären Kleinbetrieben die nötigen Rohstoffe und nahmen das nach vorgegebenen Standards gefertigte Endprodukt zu einem festgelegten Preis wieder ab. Über ähnliche, protokapitalistische Strukturen verfügten auch die Zentren der indischen Baumwollverarbeitung, wo in Heimarbeit mit hochgradiger regionaler Spezialisierung und Arbeitsteilung produziert wurde. In China übernahm eine breite Schicht von Unternehmer-Kaufleuten vergleichbare Funktionen im Gewerbe.
Bergbau
Eine Tendenz zu Großbetrieben zeigte sich vielfach im Bergbau. Abbau und Verarbeitung unterschiedlicher Mineralien und Erze erfolgte zunächst in allen Kulturen dezentral auf Grund lokaler Initiative. Der Aufwand für die Gewinnung und Verhüttung von Metallen legte allerdings zentralisierte Organisationsformen nahe, insbesondere wenn die Rechte am Bergbau in den Händen der Territorialherrschaft lagen. Doch auch in kleinteiliger Arbeitsweise waren beeindruckende Resultate möglich: Verfahren zur Härtung kleiner Mengen Eisens zu Stahl für Waffen und Gebrauchsgegenstände waren beispielsweise früh in Ostafrika, Indien und Sri Lanka bekannt; auch in Südamerika bestanden bereits vor der Ankunft der Europäer beeindruckende Kompetenzen der Gewinnung von Silber. Die erforderlichen hohen Temperaturen in den Schmelzöfen wurden jeweils durch ausgeklügelte Verfahren der Windzirkulation erreicht. Der von den Spaniern mit aller Härte vorangetriebene Bergbau in den Minen von Potosí (Bolivien) erreichte dann allerdings völlig neue quantitative Dimensionen.
Eisenproduktion
Auch China kannte Techniken der Härtung von Roheisen zu Stahl bereits in der Han-Dynastie (206 v. Chr.–220 n. Chr.). Hier – und nicht erst in England zu Beginn der Industrialisierung – wurde für solche Prozesse auch erstmals Kohle anstelle der ansonsten üblichen Holzkohle als Brennstoff eingesetzt. Zwischen 800 und 1100 verzehnfachte sich die chinesische Eisenproduktion. Spitzenwerte von bis zu 125.000 Tonnen jährlich wurden in Gesamteuropa erst um 1700 erreicht. In den folgenden Jahrhunderten sank die Eisenproduktion in China jedoch aus bislang ungeklärten Ursachen um etwa die Hälfte – mögliche Ursachen wären Brennstoffknappheiten ebenso wie die Mongoleneinfälle –, blieb aber bis in die Moderne auf hohem Niveau. Die erzeugten Produkte umfassten bereits in der Song-Zeit neben Waffen eine breite Palette von Gerätschaften für den Alltagsgebrauch in der Landwirtschaft ebenso wie Kunstgegenstände.
Innovationsprozesse
In Zentraleuropa wurde der Bergbau seit dem Spätmittelalter zum Leitsektor für die ökonomische Blütezeit nach dem Ende der Pestepidemien. Auch wenn er auf dem Kontinent – im Gegensatz zum englischen Bergbau der Frühindustrialisierung – unter obrigkeitlicher Regie erfolgte, wurden die einzelnen Arbeitsprozesse vielfach durch Subkontrakte an Kleinunternehmer vergeben. Als sogenannte Lehn- oder Gedingehauer stellten diese dann eigene Arbeitskräfte ein. Die staatlichen Verwaltungsorgane verfügten gerade zu Zeiten der großen Montankonjunktur, die von 1450 bis 1550/1560 reichte, noch längst nicht über das Fachpersonal, das die komplexen technischen Vorgänge hätte übersehen und anleiten können. Wie in diesem Zeitraum üblich, resultierten daher Innovationsprozesse „spontan“ aus der Initiative einzelner technischer Experten und Unternehmer. Dies betraf die Grubenentwässerung mit Wasserhebemaschinen ebenso wie die Zufuhr von Frischluft in die Gruben durch mechanische Anlagen oder die Gewinnung der Erze durch den Einsatz von Schießpulver, letzteres allerdings erst gegen Mitte des 17. Jahrhunderts. Hinzu kamen Neuerungen ab dem 15. Jahrhundert in der Erzaufbereitung, zum Beispiel durch Wasch- und Pochwerke, die knappes Brennholz sparen halfen, die sogenannte Saigertechnik, mittels derer Silber oder Gold durch Zugabe von Blei aus den Erzen erschmolzen werden konnte, und schließlich die Eisenerzeugung im Hochofen. Um 1780 wurde in England Brennmaterial und Eisenerz in getrennten Kammern platziert und das Schmelzgut durch die Technik des Puddelns bearbeitet. Auf diesem Weg war es möglich, Holzkohle als Energielieferant in großem Stil durch Kohle beziehungsweise Koks zu ersetzen, was einen entscheidenden Impuls für den Aufstieg der Eisen- und Stahlindustrie im 19. Jahrhundert darstellte.
Abhängigkeit von topographischen Gegebenheiten
Bis die Kohle mit der Eisenbahn auch auf dem Landweg über große Strecken kostengünstig zu transportieren war, blieb die Herausbildung energieintensiver Großgewerbe in der vorindustriellen Zeit eng an topographische Gegebenheiten gebunden: Holz konnte unter vertretbaren Kosten nur auf dem Wasserweg über weitere Strecken transportiert werden, sei es durch Trift, sei es mittels der Flößerei. So beruhte der Erfolg des schwedischen Eisengewerbes um 1700 auf den ausgiebigen Vorkommen hochwertiger Eisenerze in waldreichen Gegenden. Der Einsatz der Dampfmaschine zur Entwässerung englischer Bergwerke wiederum war in der Anfangszeit auf Grund des schlechten Wirkungsgrades nur dort rentabel, wo die Maschinen direkt „auf der Kohle“ standen und somit kaum Transportkosten anfielen. In Frankreich und der Habsburgermonarchie hingegen lagen Eisenerz- und Kohlevorkommen vielfach geographisch so weit auseinander, dass die Eisenerzeugung länger auf der Basis von Holzkohle erfolgte als in England und die reichlich vorhandene Wasserkraft länger und intensiver genutzt wurde.
Generell versuchte man auf den kostspieligen Verbrauch von Brennholz in großgewerblichen Produktionsstätten mit Technologien zu reagieren, die in Europa als „Holzsparkünste“ bezeichnet wurden. Sie sollten den Verbrennungsprozess und die Führung der erzeugten Wärme durch spezielle Ofenkonstruktionen optimieren. Im großen Maßstab wurden im 16. Jahrhundert auch in der chinesischen wie in der europäischen Salzherstellung neue, gegenüber früheren Techniken brennholzsparende Verfahren erprobt. In China gelang die sukzessive Konzentration der Sole (Gradierung) in mehreren Bassins unter ausschließlicher Verwendung von Sonnenenergie. Im europäischen Salinenwesen konnte der Brennholzverbrauch bei der Gradierung durch neue Verfahren immerhin reduziert werden.