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Gewerbe und Handwerk

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Güterkonsum

Viele Hochkulturen der Zeit zwischen 1200 und 1800 beherrschten komplexe und vielfältige technische Verfahrensweisen in Handwerk und Gewerbe. Textilherstellung, Eisenbearbeitung oder die Produktion von Glas und Keramik basierten häufig auf langen Traditionen. China und Europa erlebten im 16./17. Jahrhundert einen weiteren Schub der Ausdifferenzierung traditioneller Handwerke und ein Anwachsen lokaler und regionaler Märkte. Um 1800 überstieg die asiatische Gewerbeproduktion nach neueren Schätzungen quantitativ diejenige Europas weiterhin um das Zwei- bis Dreifache. Die zu dieser Zeit erreichte Warenvielfalt erstreckte sich dabei nicht nur auf Luxuswaren; dies zeigen in beiden Kulturen beinahe gleichzeitig einsetzende Debatten um die moralische Legitimität des Güterkonsums durch breitere gesellschaftliche Schichten. Sprach der Soziologe und Volkswirt Werner Sombart noch eher dem Luxuskonsum besondere ökonomische Bedeutung zu und postulierte, die moderne Welt sei aus dem Geist der Verschwendung entstanden, gelten demgegenüber nunmehr populuxe goods wie Textilien, Porzellan, Kleinmöbel und andere Haushaltsgegenstände als maßgebliche Impulse für steigende Nachfrage in der vorindustriellen Zeit. Waren dabei asiatische Produkte wie Porzellan, Seiden- und Baumwollstoffe oder Rohwaren wie Tee in Europa sehr gefragt, konnten die europäischen Kaufleute bei ihren asiatischen Handelspartnern trotz aller Bemühungen kaum Interesse für europäische Produkte wecken. So bezahlten die europäischen Handelsmächte die begehrten chinesischen Luxus- und Konsumgüter mit großen Mengen an Silber meist südamerikanischer Herkunft. Nicht zuletzt auf Grund hoher europäischer Einfuhrzölle gingen allerdings ab etwa der Mitte des 18. Jahrhunderts die chinesischen und indischen Exporte insbesondere von Porzellan und Textilien zurück; nun wurden insbesondere Rohstoffe wie Rohseide oder Tee nach Europa verschifft.

Innovationen

Die vielfältigen technischen Wandlungsprozesse im vorindustriellen Handwerk können letztlich nur angemessen beurteilt werden, wenn der gesamte Produktionszyklus von den Rohstoffen über die Arbeitsorganisation bis zu den Herstellungsverfahren in den Blick genommen wird. In allen drei Bereichen waren technische Innovationen im weiteren Sinne möglich. Rohstoffe beispielsweise wurden einzusparen oder zu substituieren gesucht: Auf die Verknappung von Biberhaar reagierten französische Hutmacher in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit der sogenannten Quecksilberbeize: Hasen- und Kaninchenhaare wurden so aufbereitet, dass sie sich zu hochwertigen Hüten verarbeiten ließen. Arbeitsorganisatorische Innovationen zeigen sich vornehmlich in handwerklichen Großbetrieben, sei es im indischen Textilgewerbe, der chinesischen Porzellanherstellung oder europäischen Waffenmanufakturen. Innovationen in den Herstellungsprozessen sind im europäischen Handwerk beispielsweise an der Ausdifferenzierung verschiedener Werkzeuge und Geräte wie Schraubstock, Hobelbank oder Drehbank ablesbar. Im 17./18. Jahrhundert waren diese für die Fertigung wissenschaftlicher Präzisionsinstrumente wie Teleskope, Mikroskope und Messgeräte unerlässlich. Allerdings waren auch im arabischen Raum feinmechanische Fertigkeiten der Herstellung von Astrolabien und anderen Messinstrumenten bereits vor 1200 perfektioniert worden. Wie aussagekräftig Thesen sind, nach denen europäische Handwerker beispielsweise im Metallgewerbe der Frühen Neuzeit über ein ausdifferenzierteres Arsenal an Werkzeugen verfügten als ihre arabischen, indischen oder chinesischen Kollegen, bedarf noch einer genauen Überprüfung. Innovationen in diesem Bereich verdeutlichen jedoch, dass Korporationen wie die europäischen Zünfte entgegen häufigen Vorurteilen Neuerungen gegenüber nicht grundsätzlich abgeneigt waren: Sie beurteilten diese nur unter einer spezifischen Perspektive, nämlich der Frage, ob sie ihren Mitgliedern insgesamt zugute kommen würden oder ob sie deren gemeinsame ökonomische Basis bedrohten (s.S. 452–455).

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