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Maschinen in der gewerblichen Produktion
ОглавлениеMühlentechnik
Traditionell gelten große oder besonders komplexe mechanische Gerätschaften als Indikator des Standes der Technik einer Kultur. Gleichzeitig gilt deren Konstruktion als besonderes Zeichen technischer Fertigkeiten, beispielsweise mit Blick auf die Uhren- und Automatentechnik. Die leistungsfähigsten mechanischen Anlagen der vorindustriellen Zeit waren die Wassermühle und von ihr abgeleitete Varianten. Wassermühlen mit vertikalem Wasserrad und einer Getriebeübersetzung zum Antrieb des Mühlsteins sind im Europa der Römerzeit ebenso belegt wie im Nahen Osten und in China. Neuere Forschungen haben gezeigt, dass sich die Nutzung von Wassermühlen in Europa seit der Spätantike beinahe kontinuierlich verdichtete. Dieser Prozess ist grundsätzlich darauf zurückzuführen, dass sich in Europa der Anbau von Weizen und Roggen als Brotgetreide etablierte. In China bestand auf Grund der Entwicklung zu einer „Reiskultur“ kein Bedarf an einer derart umfassenden Nutzung der dort ebenso bekannten Mühlentechnik. Windmühlen mit vertikaler Achse sind im 7. Jahrhundert erstmals im Iran belegt und gelangten von dort nach China; in Europa verbreiteten sich Varianten mit Segeln an einer horizontalen Achse erst seit dem 12./13. Jahrhundert in Holland und England. Ihre Verbreitung gilt als Zeichen guter Agrarkonjunkturen, in denen sich solche kapitalintensiven Investitionen lohnten – insbesondere dort, wo geeignete Wasserläufe als Antrieb fehlten.
Eine entscheidende Weiterentwicklung der Mühlentechnik führte zu den bereits erwähnten Varianten, die nicht nur dem Mahlen von Getreide dienten, sondern mittels unterschiedlicher Maschinenelemente andere einfache Prozesse verrichteten. In China waren wasserradgetriebene Blasebälge bereits um 1100 bekannt. Die damit erreichbaren Schmelztemperaturen waren mit für die erheblichen Produktionssteigerungen im Metallgewerbe und in der Porzellanherstellung verantwortlich. Im islamischen Großreich arbeiteten bereits um 1000 Stampf- und Papiermühlen im Gebiet des heutigen Irak/Iran. Nach 1200 wurden solche Varianten allerdings dort ebenso wie in China nur noch im Detail weiterentwickelt. In Europa hingegen verdichteten sich Versuche, mechanische Anlagen zu optimieren und ihnen neue Anwendungsfelder zu erschließen, seit dem 14. Jahrhundert – am weitestgehenden sind diese Ansätze in den Notizbüchern Leonardo da Vincis und vieler seiner Zeitgenossen dokumentiert.
Wasserhebeanlagen und Pochwerke
Schon seit dem Mittelalter beruhte die Prosperität einzelner Gewerberegionen auf dem Einsatz solcher Maschinen, wie beispielsweise der wassergetriebenen Eisenhämmer im Metallgewerbe der Oberpfalz oder später der windgetriebenen Sägemühlen für den Schiffbau in der Region um Amsterdam. Große Potentiale eröffnete, wie bereits erwähnt, der Einsatz von Wasserhebeanlagen für die Trockenlegung von Stollen in den zentraleuropäischen Bergbauregionen. Sie beruhten ebenfalls auf der Mühlentechnik, nutzten jedoch zum Wasserschöpfen eine Vielfalt unterschiedlicher Verfahren von Eimerketten bis zu groß dimensionierten Pumpwerken. Hinzu kamen mechanische Anlagen wie Pochwerke zur Zerkleinerung der Erze und über Wasserkraft betriebene Blasebälge. Innovationen all solcher Maschinen lassen sich an einer fast kontinuierlichen Steigerung entsprechender Patentanmeldungen in vielen europäischen Territorien ablesen.
Komplexer chinesischer Zugwebstuhl zur Fertigung aufwendig gemusterter Seidenstoffe. »Tian gong kai wu«, 1637, Vorlage vermutlich 13. Jh.
Maschinen im Textilgewerbe
Maschinen mit komplexeren Funktionen als die bislang beschriebenen wurden zunächst vor allem im Textilgewerbe einzusetzen versucht. In China waren Webstühle mit Pedalen zur Musterbildung und das Spinnrad bereits seit der Han-Zeit verbreitet. Pedalgetriebene Seidenzwirnmühlen sind um 1100 belegt, komplexere Spinnmaschinen, die mehrere Spindeln gleichzeitig versorgten und zum Teil mit Wasserkraft betrieben wurden, im 13. Jahrhundert. Europa kannte alle diese Gerätschaften zum Teil erst Jahrhunderte später: Der mit Pedalen ausgestattete Horizontalwebstuhl ermöglichte im Hochmittelalter gegenüber dem traditionellen Vertikalwebstuhl eine Erhöhung der Qualität und Schnelligkeit der Tuchproduktion. Dies galt insbesondere für den im führenden flandrischen Textilgewerbe im 12. Jahrhundert verbreiteten Webstuhl, der von zwei Arbeitern bedient wurde und mit dem breitere Tuchbahnen produziert werden konnten. Eine erhebliche Beschleunigung und Qualitätsverbesserung des Spinnens wurde im 15. Jahrhundert durch die Flügelspindel erzielt, die ein gleichzeitiges Spinnen und Aufspulen und damit einen kontinuierlichen Spinnvorgang erlaubte.
Der Bandwebstuhl, der im 17. Jahrhundert das gleichzeitige Weben mehrerer Schmuckbänder ermöglichte, und die zunächst primär für die Verarbeitung von Baumwolle, später auch von Wolle, in England eingesetzten Spinn- und Webmaschinen läuteten im ausgehenden 18. Jahrhundert den Beginn der Industrialisierung des Textilsektors in England ein. Die (Teil-)Mechanisierung gerade der Baumwollspinnerei durch vergleichsweise kleine Maschinen, deren Erfindung ganz auf handwerklichen Traditionen beruhte, hatte in den 1760/1770er Jahren zunächst eine Produktivitätssteigerung von Heimarbeit und von Kleinbetrieben im Auge: Das gilt für die Spinning Jenny ebenso wie für die Mule und die Waterframe. Erst in einem zweiten Schritt wurden verschiedene Textilmaschinen zu großtechnischen Systemen weiterentwickelt, die nur in einer zentralisierten Fabrik einsetzbar waren. Diese Anlagen wurden dann auch durch Wasserkraft und später Dampfmaschinen betrieben. Seit etwa 1780 ermöglichte ihr Einsatz Steigerungen der absoluten Produktionszahlen ebenso wie der Arbeitsproduktivität, der Betriebsgrößen und des Kapitaleinsatzes. Technische Wandlungsprozesse gingen dabei mit neuen arbeitsorganisatorischen Formen der Fabrikarbeit Hand in Hand, wobei die Arbeitsbedingungen nach heutigen Maßstäben in der Regel katastrophal waren und vielfach soziale Spannungen hervorriefen. Bereits um 1800 erbrachte die Nachfrage der Baumwollindustrie nach Kohle, Eisen und Maschinen kräftige Impulse für andere Gewerbezweige, mit zeitlichem Abstand gelang die schwierigere Mechanisierung der Bearbeitung von Wolle und Leinen.
Baumwolle
Die globale Vernetzung dieser Entwicklung zeigt sich nicht nur daran, dass die Mechanisierung der Baumwollverarbeitung auch eine Reaktion auf die aus Indien importierten Stoffe darstellte. Der Rohstoff selbst, traditionell seit dem Spätmittelalter aus dem östlichen Mittelmeerraum nach Europa importiert, musste zunächst aus Südamerika, später dann aus den Vereinigten Staaten nach England gebracht werden. Um 1800 ermöglichte die Erfindung einer kleinen, unscheinbaren Maschine zur Trennung von Baumwollsamen und -fäden (saw-gin) einen erheblichen Anstieg der amerikanischen Baumwollproduktion.
Vereinigte Staaten und Großbritannien
Die in Europa im Laufe von Jahrhunderten akkumulierte Expertise im Bau großer mechanischer Anlagen war die Voraussetzung des Maschinenbaus in der Frühindustrialisierung; Gewerberegionen mit einer intensiven Nutzung der Wasserkraft entstanden häufig dort, wo schon seit langem zahlreiche Getreidemühlen betrieben wurden. Dies gilt letztlich auch für die Vereinigten Staaten: Die intensive Nutzung der Mühlentechnik, die ebenso aus Europa stammte wie die Tradition des Anbaus von Brotgetreide, gilt hier als einer der begünstigenden Faktoren für die Herausbildung einer fabrikmäßigen Massenproduktion von Gütern im 19. Jahrhundert. Auch wenn sie später zum Symbol der Industrialisierung wurde, hatte die mit fossilen Energiequellen betriebene Dampfmaschine im Vergleich zur Mühlentechnik in den Jahrzehnten vor 1800 quantitativ noch eine zu vernachlässigende Bedeutung. Die frühen Dampfpumpen nach dem Typ Newcomens (Thomas Newcomen, 1663–1729) entwässerten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einzelne englische Kohlebergwerke. Trotz ihres schlechten Wirkungsgrades war der Einsatz auf Grund der geringen Kosten für den Brennstoff rentabel. Die Ende der 1760er Jahre entwickelten Dampfmaschinen von James Watt zeichneten sich durch einen verbesserten Wirkungsgrad und die Möglichkeit aus, Maschinen anzuschließen, für die keine Auf-und-ab-Bewegung, wie beim Pumpen von Wasser, sondern eine kreisförmige Bewegung erforderlich war – beispielsweise in der Textilindustrie. Um 1800 waren dennoch in Großbritannien erst einige hundert Dampfmaschinen in Betrieb. Wasserräder, auf Basis geometrischer Berechnungen optimiert, dominierten noch lange Zeit die Energieversorgung der entstehenden Fabriken. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts sollten die mit Kohle betriebenen Dampfmaschinen in Großbritannien und dann auch mit einigen Jahrzehnten Verzögerung auf dem europäischen Kontinent Energiepotentiale in völlig neuen Dimensionen bereitstellen.
Feinmechanik
Ganz andere Zwecke erfüllten Entwicklungen in der Feinmechanik. Die bedeutende Tradition arabischer Unterhaltungsautomaten und Wasseruhren, die zum Teil auf antiken Traditionen aufbaute, hatte sich bereits vor 1200 ausgebildet und wurde danach nicht mehr wesentlich weiterentwickelt. Auch in China sind Beispiele für mechanische Unterhaltungstechnik bereits in der Han-Zeit belegt. Einen Höhepunkt stellte später Su Sungs um 1090 in Kaifeng errichtete, mit einer ausgefeilten Regelungseinrichtung ausgestattete astronomische Monumentaluhr dar, die etwa 100 Jahre in Betrieb blieb. Die Expertise auf diesem Gebiet ging in der Folgezeit jedoch wieder verloren, Uhren und andere mechanische Instrumente waren die einzigen europäischen Gerätschaften, die den chinesische Kaiserhof zu Zeiten der Jesuitenmission im 17. Jahrhundert beeindruckten.
Uhrzeit
Während komplexe europäische Wasser- und Sanduhren des Mittelalters teilweise von arabischen Vorbildern beeinflusst waren, gilt die im späten 13. Jahrhundert vermutlich in einem englischen Kloster zunächst für astronomische Messungen erfundene mechanische Räderuhr als genuin europäisches Produkt. Das entscheidende technische Element war die neuartige Spindelhemmung. Sie teilte das Fallen der zum Antrieb genutzten Gewichte in gleichförmige Zeitintervalle ein. Die Uhrzeit wurde zunächst akustisch über Schlagwerke, einige Jahrzehnte später auch optisch über Ziffernblätter angezeigt. Turmuhren verbreiteten sich bereits im 14. Jahrhundert als Statussymbol zahlreicher europäischer Städte, bald darauf hielten astronomische Uhren mit Automatenfunktionen Eingang in viele Kirchen. Ab etwa 1500 wurde die Uhrentechnik als federgetriebene Taschenuhr miniaturisiert. Die Ausstattung von Uhrwerken mit einem Pendel und weitere feinmechanische Innovationen erhöhten im 17. Jahrhundert die Genauigkeit der Zeitmessung. Stand- und Taschenuhren wurden in der Zeit um 1800 zu typischen populuxe goods immer breiterer Schichten.