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Fernhandel und Entdeckungen

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Folker Reichert

Als im Mai 1498 ein kleines Geschwader unter dem Kommando des portugiesischen Edelmanns Vasco da Gama an der indischen Malabarküste vor Anker ging, war nach jahrzehntelangen Anstrengungen endlich der Seeweg nach Indien gefunden. Doch bei den Einheimischen hielt sich die Freude in Grenzen. Zwar wurden die Fremden mit Ehren empfangen, aber mit dem Herrscher von Calicut geriet man in Streit, die mitgebrachten Geschenke wurden als schäbig erachtet, und arabische Kaufleute, die dort lebten, fuhren die unerwünschte Konkurrenz an: „Hol dich der Teufel! Wer hat dich hierher gebracht?“ Auf die Frage, was die Portugiesen in Indien wollten, lautete die denkwürdige Antwort: „Wir sind gekommen, um Christen und Gewürze zu suchen.“

Suche und Entdeckung

Die Geschichte, die von einem Mitglied der Mannschaft erzählt wird und somit glaubwürdig ist, bringt Grundzüge der europäischen Entdeckungsgeschichte auf den Punkt: Die Auffindung neuer Länder oder Inseln war selten dem puren Zufall zu verdanken. Oft ging der Entdeckung die Suche voraus, und was man fand, war zuvor schon vage bekannt und wurde nur wiederentdeckt. Jene Länder hatten ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Traditionen, keinesfalls waren sie leer. Wer sie besuchte, sah sich mit indigenen Kulturen konfrontiert, und immer gab es Konkurrenten vor Ort. Die Entdeckung fremder Länder schließt immer den Kontakt und oft den Konflikt von Kulturen in sich ein.

Pragmatische Motive dominierten, sei es, dass man (christliche) Bündnispartner suchte, sei es, dass man hochwertige Handelsgüter gegen die eigenen Waren eintauschen wollte. Vor allem die Aussicht auf Handelsgewinne, daneben diplomatische, dann auch missionarische Absichten waren die Triebkräfte, die das Reisen in ferne Weltgegenden, auf unbekannten See- und beschwerlichen Landwegen, motivierten. Entdeckungen um der Entdeckung willen, Erkundungen, um die Welt zu erforschen, blieben vorerst die Ausnahme. Geographische Kenntnisse wurden nicht in erster Linie erstrebt. Allerdings ergaben sie sich aus den Erfahrungen der Reisenden, nützten deren Nachfolgern und veränderten die Weltsicht ihrer Zeit. Sowohl die mittelalterlichen Kontakte zwischen Asien und Europa als auch die sogenannten großen Entdeckungen der Frühen Neuzeit bestätigen das Bild, das die beschriebene Episode vermittelt.

wbg Weltgeschichte Bd. IV

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