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Schießpulver und Feuerwaffen

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China

Ähnlich wie im Falle von Kompass und Buchdruck zeigt auch die Verbreitung der Technologie von Schießpulver und Feuerwaffen unterschiedliche Modalitäten des Transfers und der Nutzung neuer Technologien im eurasischen Raum. In China diente das aus Schwefel, Salpeter und Holzkohle gefertigte Schießpulver nach seiner gewöhnlich auf das 9. Jahrhundert datierten Erfindung zunächst vor allem für Feuerwerke oder zur Beseitigung topographischer Hindernisse bei Verkehrswegen. Im Zuge der Auseinandersetzungen mit Grenzvölkern wurden dann verschiedene Typen kleinerer Sprengsätze genutzt, im 13. Jahrhundert größere Mörser, die nun auch Mauerwerk zum Einsturz bringen konnten. Zudem wurden erste Handfeuerwaffen entwickelt. Feuerwaffen kamen dementsprechend bei mongolisch-chinesischen Auseinandersetzungen zum Einsatz und gelangten mit den Mongolen weit in den Westen des eurasischen Kontinents.

Gegengewichtsschleudern

Im islamischen Nordafrika und Spanien wurde Schießpulver in Mörsern möglicherweise bereits um 1300 genutzt, in Zentraleuropa tauchten vergleichbare Waffen, die kaum zielgenau schossen und eher abschreckende Wirkung hatten, in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts auf. Für den europäischen Belagerungskrieg waren die Feuerwaffen nicht die ersten Beispiele schwerer Artillerie, die aus dem Nahen Osten übernommen wurden. Bereits die Kreuzfahrer hatten dort die aus China in den islamischen Kulturraum vermittelten Gegengewichtsschleudern kennen gelernt und nach Europa transferiert. Mit diesen sogenannten Triböcken konnten Geschosse von 50 bis 100 Kilogramm Gewicht mehrere hundert Meter weit geschleudert werden. Diese Gegengewichtsschleudern kamen erst im Zuge der Durchsetzung der Kanonen im 15./16. Jahrhundert außer Gebrauch, als sich die Distanz zwischen Angreifern und Verteidigern befestigter Plätze durch die größere Reichweite der Kanonenkugeln stark erhöhte.

Perfektionierung schwerer Artillerie

In Europa wurde die Herstellung von Kanonen und Handfeuerwaffen seit dem 16. Jahrhundert durch die unablässige militärische Konkurrenz der dortigen Territorien so vorangetrieben, dass sie den Feuerwaffen anderer Kulturen bald in technischer Hinsicht überlegen waren. Gleichzeitig sahen sich die Territorialherren durch die Perfektionierung schwerer Artillerie zum Aufbau völlig neuartiger Festungsanlagen gezwungen. Der Einsatz der Kanonen veränderte so nicht nur die Modalitäten des Belagerungskrieges. Die enormen Kosten von Feuerwaffen und Festungsanlagen belasteten auch in Friedenszeiten die Haushalte der sich in der Frühen Neuzeit konsolidierenden Territorialstaaten, auch wenn sich im 18. Jahrhundert zahlreiche Versuche der Rationalisierung von Arbeitsprozessen erkennen lassen. Zusammen mit dem Unterhalt der stark anwachsenden stehenden Heere förderten diese militärtechnischen Innovationen damit Tendenzen der politischen Zentralisierung.

„Schießpulver-Imperien“

Seit dem 16. Jahrhundert wurden Feuerwaffen jedoch im gesamten eurasischen Raum hergestellt. Wenn auch die verwendeten Legierungen und die Qualität der Waffen differierten, zeigt auch dieses Beispiel die breite gemeinsame Basis technischer Fertigkeiten in der Metallgewinnung und -verarbeitung. Neben den zentraleuropäischen Staaten nutzte vor allem das Osmanische Reich Kanonen zur Herrschaftskonsolidierung (s.S. 190). Es verfügte zudem über eine mit Kanonen bestückte Flotte, wie sie bei der Schlacht von Lepanto 1571 zum Einsatz kam. Noch bei der Belagerung von Wien 1683 waren gerade die Mineure und Artilleristen des osmanischen Heeres gefürchtet. Im 15./16. Jahrhundert kontrollierten die „Schießpulver-Imperien“ (Osmanisches Reich, Safawiden, Usbeken-Khanat und Mogulreich) große Teile West- und Zentralasiens zumindest teilweise auf der Basis der von ihnen genutzten Feuerwaffen. Während indische Herrscher große Mörser wie auch kleinere Hakenbüchsen zunächst aus Zentralasien übernommen hatten, wurden Gewehre und kleinere Kanonen für die Feldartillerie vielfach von europäischen Vorbildern beeinflusst. Stets resultierten im Übrigen aus der Diffusion von Handfeuerwaffen in breitere Bevölkerungsschichten innenpolitische Spannungen, die zum Teil durch staatliche Monopole auf die Produktion solcher Waffen zu vermeiden gesucht wurden.

Japanische Feuerwaffen

Einen Sonderfall der kontinuierlichen Verbreitung von Feuerwaffen über den Globus stellt die japanische Geschichte im 17. und 18. Jahrhundert dar. Zunächst wurden hier ab der Mitte des 16. Jahrhunderts insbesondere Handfeuerwaffen produziert und beispielsweise im japanisch-koreanischen Krieg einige Jahrzehnte später eingesetzt. Während der anschließenden, weitgehenden Abschottung Japans gegenüber europäischen Einflüssen kamen Feuerwaffen innerhalb Japans außer Gebrauch. Dies liegt jedoch weniger, wie zuweilen behauptet, an einem „freiwilligen“ Verzicht auf die neue Technologie zugunsten des traditionellen Kampfes mit dem Schwert. Vielmehr beruhte die innenpolitische Stabilität der Samurai in der Tokugawa-Zeit auf einer umfassenden Entwaffnung der eigenen Bevölkerung, so dass Unruhen mit traditionellen Waffen niedergeschlagen werden konnten.

Handfeuerwaffen für die Jagd

Hinsichtlich der Auswirkungen der Feuerwaffen ist schließlich nicht nur ihr militärischer Einsatz zu bedenken, sondern beispielsweise auch die Verwendung von Handfeuerwaffen für die Jagd. Besonders eindrücklich ist das Beispiel der Indianer Nordamerikas, die im Laufe des 17. Jahrhunderts nach und nach auf ihre traditionellen Jagdwaffen zugunsten von Gewehren verzichteten. Da sie diese nicht selbst herstellen konnten, wurden sie vollständig von deren Handel abhängig, der in der Hand der europäischen Siedler lag. Gleichzeitig gingen die Bestände der gejagten Tiere durch die größere Treffsicherheit der Feuerwaffen vielfach zu Lasten regionaler Ökosysteme zurück.

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