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Architektur und Infrastruktur Architektur
ОглавлениеIn der Zivil- und Militärarchitektur können neue funktionale Bauformen ebenso als technische Entwicklungen gelten wie der Einsatz neuartiger Materialien oder Verfahrensinnovationen, welche die Bauabläufe rationalisierten. Von der Monumentalarchitektur früher Hochkulturen über den Kirchen- und Tempelbau bis zu Wohngebäuden, Straßen, Brücken und Wasserbauten kannten um 1200 unterschiedliche Weltregionen bereits eine unüberschaubare Vielfalt von material- und bautechnischen Lösungen, angepasst an die jeweiligen Umweltbedingungen oder die Verfügbarkeit spezifischer Materialien. Alle bedeutenderen Kulturen, vielleicht mit Ausnahme derjenigen der Mongolen, nutzten in der Folge große Gebäudekomplexe als politische und religiöse Zentren. Eindrucksvoll ist die rasche Akkumulation von bautechnischer Expertise in schnell wachsenden Machtzentren wie dem der Azteken: Die Planung weitgehend neu angelegter Städte erfolgte hier nach einheitlichen Prinzipien für die zentralen Bauwerke.
Kirchenbau
Eher selten blieben in der Zeit zwischen 1200 und 1800 bautechnische Innovationen, die gegenüber der vorangehenden Zeit auf den ersten Blick erkennbare, breitenwirksame Standards setzten. Ein solcher Fall ist sicherlich die Kombination von Spitzbogen, Rippengewölbe und Strebepfeiler, welche auf Grund ihrer innovativen Statik den Bau der lichtdurchfluteten gotischen Kathedralen ermöglichte und sich damit deutlich von Prinzipien der romanischen Baukunst absetzte. Spitzbogen und Rippengewölbe hatten sich bereits im 9. Jahrhundert im islamischen Raum zu architektonischen Standardformen ausgebildet und wurden von dort aus um 1100 nach Zentraleuropa übernommen. Neue statische Lösungen sind in Europa auch im Bau großer Kuppeln von Kirchenbauten der Renaissance zu erkennen. Immer wieder finden sich auch Standardisierungsprozesse einzelner Arbeitsschritte wie der Steinbearbeitung oder spezifische regionale Innovationen. So ermöglichten die aus dünnen Ziegeln konstruierten, schalenförmigen „katalanischen Gewölbe“ seit dem Mittelalter durch schnelle Ausführbarkeit, minimalen Raumbedarf und reduzierten Materialverbrauch beeindruckende bauliche Lösungen. Bei der Ausstattung von Gebäuden sind insbesondere in Nordeuropa die Einführung von Glasfenstern und (Kachel-)Öfen als Ersatz für offene Kamine seit dem Spätmittelalter von Bedeutung. Sie breiteten sich in der Folgezeit von den Repräsentations- und Wohnbauten der Eliten in die Häuser bürgerlicher Schichten aus und zogen häufig eine neue Raumaufteilung der Wohnbereiche nach sich.
Brückenbau
Eine besondere statische Herausforderung war in allen Kulturen seit jeher der Brückenbau. Hier findet sich von den indianischen Hochkulturen bis nach Japan eine große Vielfalt unterschiedlicher Lösungen. Regionale Bautraditionen nutzten nicht nur verschiedene Materialien (Pflanzenfasern, Holz, Stein), sondern orientierten sich stets auch an den intendierten Transportzwecken. Wo der Lastentransport – wie in den Anden – von vornherein auf Menschen und Lasttiere beschränkt war, mussten weit weniger Belastungen einkalkuliert werden als dort, wo Transporte mit Karren oder Wagen ermöglicht werden sollten. Wie in vielen anderen Bereichen auch zeigen chinesische Beispiele, dass scheinbar so logische europäische Entwicklungslinien der vorindustriellen Zeit keine globale Gültigkeit beanspruchen können. In Europa gelten beim Bau von steinernen Brücken flache Bögen als zentrale Innovation, die nach ersten Beispielen im Mittelalter und der Renaissance im 18. Jahrhundert weit größere Spannweiten ermöglichten als traditionelle Rundbögen. In China findet sich die Nutzung flacher Bögen mit großen Spannweiten allerdings vereinzelt bereits im 7. Jahrhundert. Eine Revolution im europäischen Brückenbau markieren im späten 18. Jahrhundert die ersten Eisenbrücken. Ihr Werkstoff ermöglichte völlig neue konstruktive und gestalterische Lösungen, sollte aber auch auf Grund mangelnder Erfahrungen im 19. Jahrhundert spektakuläre Einstürze mit sich bringen. Ohnehin eröffnete zu dieser Zeit die Verwendung von Eisen für die tragenden Teile von Bauwerken neue Möglichkeiten. Bis dahin hatte Eisen, sei es im Kathedralenbau oder schon früher im chinesischen Tempelbau, vornehmlich zur Festigung von Bauwerken durch Klammern oder Zuganker gedient; auch der Einsatz von Eisenketten für Hängebrücken ist in China bereits früh nachgewiesen.
Verteidigungsanlagen
Verteidigungsanlagen befestigter Plätze waren in allen Kulturen eine Antwort auf die jeweils verfügbare Angriffstechnik, sofern sich kriegerische Auseinandersetzungen nicht allein auf dem Schlachtfeld abspielten, sondern die Eroberung bewohnter Siedlungen oder militärischer Festungen einschlossen. Wallanlagen und Wassergräben vor den eigentlichen Mauern dienten zunächst der Abwehr feindlicher Heere, die mit vergleichsweise einfachen Hilfsmitteln wie Leitern, Rammböcken oder rollbaren Schutzhütten ausgestattet waren. Derartige burgenähnliche Anlagen finden sich in vielen Hochkulturen des eurasischen Raumes. So zeigten sich die europäischen Kreuzfahrerheere um 1200 von den steinernen Burgen der weiter entwickelten islamischen Baukunst im Nahen Osten beeindruckt. Für die Folgezeit ist es aus globaler Perspektive jedoch charakteristisch, dass nur die europäischen Territorien seit dem späten 15. Jahrhundert ein völlig neues System von geometrisch angelegten, raumgreifenden Festungsanlagen entwickelten. Sie reagierten damit auf die veränderten Bedingungen des Belagerungskrieges durch den Einsatz schwerer Artillerie: Die hohen Mauern typisch mittelalterlicher Verteidigungsanlagen konnten dem wiederholten Beschuss mit Kanonenkugeln nicht standhalten. Die bastionäre Form wurde so zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert charakteristisch für die Topographie europäischer Städte und Festungswerke. Im Detail wurden diese mit erheblichem logistischem und finanziellem Aufwand umgesetzten Strukturen allerdings sehr unterschiedlich ausgestaltet – in Süd- und Mitteleuropa aus Stein, in den Niederlanden und benachbarten Regionen aus einer Kombination von Erdwällen und Wassergräben. Wie im Folgenden noch erläutert wird, fanden Feuerwaffen, ausgehend von China, im gesamten eurasischen Raum Verwendung, sei es in Form von Handfeuerwaffen, kleineren Raketen oder schwererer Artillerie. Jedoch differierten die militärischen Konstellationen ebenso wie die topographischen Gegebenheiten: Nur in Europa waren derart viele, mit vergleichbar starker Artillerie ausgestattete Machtzentren auf vergleichbar kleinem Raum versammelt, dass sich der Transport schwerer Artillerie technisch bewerkstelligen ließ und belagerte Städte damit massiv bedroht waren. In Asien befanden sich unter den Kriegsgegnern hingegen häufig nomadisierende Völker. Zudem standen Regenzeiten, Insellagen in Südostasien oder schlicht die erheblichen Entfernungen dem Transport schwerer Artillerie entgegen. Eine spezifisch neue Festungsarchitektur, wie sie in Zentraleuropa und ansatzweise im Osmanischen Reich realisiert wurde, war daher dort nicht zwingend notwendig; die spektakulärste mit Kanonen gesicherte Festungsanlage blieb so die im 15./16. Jahrhundert wiederaufgebaute und verstärkte „Chinesische Mauer“.