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Intensivierung der Landnutzung

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Die Ausdehnung landwirtschaftlichen Kulturlandes war ein möglicher Weg der Steigerung der Agrarproduktion. Ein anderer Weg bestand in der intensiveren Nutzung der bereits vorhandenen Agrarflächen. Dies konnte wiederum auf mehrfache Art und Weise geschehen. Eine Möglichkeit war die Reduzierung der Brache, eine weitere Möglichkeit war der Übergang zu Mehrfachernten und verbesserter Düngung, ein dritter Weg bestand in der Einführung von neuen, ertragreicheren Kulturpflanzen.

Brachsysteme

Die meisten traditionellen Agrarsysteme kannten die Brache, also das Unterbrechen des Anbaus für eine bestimmte Zeit. Dadurch wurde einerseits die Fruchtbarkeit des Bodens wiederhergestellt, andererseits konnte Unkraut entfernt und Pflanzenkrankheiten konnten besser kontrolliert werden. Die Dauer der Brachezeit variierte je nach Agrarsystem. In manchen außereuropäischen Systemen des Wanderfeldbaus konnte die Brachezeit bis zu 30 Jahre dauern. Dies erlaubte die völlige Regeneration der Walddecke und machte erneute Rodung am Ende der Brache nötig. Nahm die Bevölkerungsdichte in einer Region zu, so wurde es notwendig, die Brachezeit zu reduzieren. Im mittelalterlichen Europa wurde zwischen der Hälfte und einem Drittel des Ackerlandes jeweils ein Jahr brach liegen gelassen. Seit dem 8. Jahrhundert breitete sich vom Kernraum des Karolingerreiches das System der Dreifeldwirtschaft langsam aus. Im 13. Jahrhundert hatte es sich in einem Großteil von Mittel-, West- und Nordeuropa durchgesetzt. Nur in Teilen Osteuropas sowie in Russland blieben weiterhin Systeme der Zweifelderwirtschaft prägend. Der Übergang zur Dreifelderwirtschaft bedeutete bereits einen wesentlichen Intensivierungsschub im System der Landnutzung. Der nächste Intensivierungsschub erfolgte, als man anfing, die Bracheflächen im System der Dreifelderwirtschaft Stück für Stück zu reduzieren und schließlich ganz aufzugeben. Dieser Prozess begann in Teilen von Flandern bereits im 13. und 14. Jahrhundert. Von dort breitete er sich in den übrigen Niederlanden aus. Im 17. Jahrhundert erreichte er schließlich Teile von England. Im frühen 19. Jahrhundert war der Bracheanteil am gesamten Ackerland in England auf ca. 10 Prozent abgesunken. Im Gebiet der heutigen Republik Österreich betrug er um 1830 noch ca. 15 Prozent, in Frankreich um 1850 noch ca. 20 Prozent.

Klee und Futterrüben

Möglich wurde die Reduzierung der Brache unter anderem durch die Einführung neuer Futterpflanzen wie Klee oder Futterrüben. Klee besitzt die Fähigkeit, den Boden mit Stickstoff anzureichern. Dies allein verringerte die Notwendigkeit der Brache. Außerdem ist Klee ein wertvolles Viehfutter – sein Anbau erlaubte die Vergrößerung der Viehbestände. Dies erhöhte wiederum den Anfall an tierischem Dünger, der dann zur Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit eingesetzt werden konnte. Auch die Einführung der Futterrüben leistete einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der Brache. Zum einen beschatten die Blätter dieser Pflanze den Boden und verdrängen damit die Dauerunkräuter, zum anderen wird gleichzeitig der Boden dem Regen weniger stark ausgesetzt. Dies führt wiederum dazu, dass weniger Stickstoff ausgewaschen wird. Natürlich bedeutet der Anbau von Futterrüben auf den früheren Brachfeldern eine Vermehrung der Viehbestände und damit eine Erhöhung der Düngermenge.

Der beschleunigte Rückgang der Brache seit der Mitte des 17. Jahrhunderts war ein Teil eines umfassenden Umbauprozesses in den europäischen Agrarökonomien, der in der Literatur als Agrarrevolution bezeichnet wird. Diese Agrarrevolution brachte nicht nur die Reduktion der Brache und den Aufstieg neuer Feldfrüchte, sondern auch neue Fruchtfolgen, eine enorme Ausweitung des Viehbestandes sowie insgesamt einen massiven Anstieg der gesamten Agrarproduktion. Dieser vollzog sich im Kontext einer enormen Nachfragesteigerung nach Agrarprodukten, die wiederum durch Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und beginnende Industrialisierung ausgelöst wurde.

Mehrfachernten von Reis

In den Nassreisanbauregionen von Südchina gab es um 1200 keine Brache mehr. Sie war auch nicht notwendig – die Bodenfruchtbarkeit ging im System des Nassreisanbaus durch kontinuierlichen Anbau nicht verloren. Die Ansammlung von Blaualgen in den bewässerten Feldern sorgte dafür, dass den Feldern ständig wieder neuer Stickstoff zugeführt wurde. Intensivierung war natürlich auch in diesem Agrarsystem möglich. Diese konnte auf mehrfache Weise erreicht werden: durch den Wechsel von jährlichen Ernten zu Doppel- und Dreifachernten, durch vermehrte Düngung, durch sorgfältigere Auswahl des Saatgutes sowie durch verbesserte Methoden der Wasserbewirtschaftung. Mehrfachernten von Reis waren in Südchina seit dem frühen 11. Jahrhundert möglich geworden. Damals hatte ein Kaiser aus der Nördlichen Song-Dynastie eine neue Reissorte aus Vietnam, den sogenannten Champa-Reis, in Südchina einführen lassen. Dieser Reis reifte in nur ca. 100 Tagen, nachdem er vom Reisbeet ins Feld verpflanzt wurde. Damit wurden nun erstmals zwei Reisernten pro Jahr möglich. Die älteren Reissorten hatten deutlich längere Reifezeiten gehabt und deshalb auch nur einmaliges Ernten pro Jahr erlaubt. Gleichzeitig mit dem neuen Champa-Reis ließ die chinesische Regierung auch Agrarpamphlete zirkulieren, welche den Bauern den richtigen Umgang mit der neuen Reissorte erklärten. Die Bauern begannen nun auch in Eigenregie selber frühreifende Reissorten zu züchten. Aus diesen Bemühungen waren bis ins 12. Jahrhundert neue Sorten entstanden, die in nur ca. 60 Tagen nach der Verpflanzung reiften.


Bewässerte Reisfelder in einem chinesischen Agrartraktat »Xhoushi tongkao«, 1742.

Die Ausbreitung dieser neuen Reissorten war ein langfristiger Prozess. Am Ende der Südlichen Song-Dynastie (1270) wurden die frühreifenden Reissorten hauptsächlich in den Provinzen am Unterlauf des Jangtse sowie in den Küstenregionen von Fujian angebaut. Während der Zeit der Yuan- sowie der Ming-Dynastie breitete sich die neue Technik in den weniger entwickelten Regionen von Anhui und in den Ebenen des Gelben Flusses aus. Im 17. und 18. Jahrhundert setzte sich die Innovation dann schließlich auch in Zentralchina, in Sichuan sowie in den Frontierräumen von Süd- und Südwestchina durch.

Das Jangtse-Delta

Das Jangtse-Delta, die Region Jiangnan, zählt zu den fruchtbarsten Agrarregionen in ganz Ostasien. Die Region umfasst ca. 43.000 Quadratkilometer und ist damit etwa halb so groß wie Österreich. Um 1620 lebten ca. 20 Millionen Menschen in der Region, ca. 29.000 Quadratkilometer an Ackerfläche standen ihnen zur Verfügung. Die vorhandenen Landreserven waren damit größtenteils aufgebraucht. Neues Ackerland konnte in den folgenden zwei Jahrhunderten nicht mehr dazu gewonnen werden. 95 Prozent der Ackerfläche wurde mit Nassreis bepflanzt. Auf 100 Hektar Ackerland kamen um 1620 also schon 689 Personen. Diese Region wies damit bereits eine sehr intensive Bodennutzung auf. Trotzdem konnte auch in den folgenden zwei Jahrhunderten die Landnutzungsintensität weiter gesteigert und damit eine wichtige Grundlage für das Anwachsen der Bevölkerung auf ca. 36 Millionen um 1850 gelegt werden.

Fäkalien und Sojakuchen als Dünger

Mehrere Innovationen waren dafür verantwortlich: Zum einen breitete sich das System der Mehrfachernten weiter aus, zum anderen wurde intensiver gedüngt. Zwei Formen von Dünger sind hier besonders erwähnenswert: menschliche Fäkalien aus den Städten der Region sowie importierter Sojakuchen aus der Mandschurei. Der Einsatz menschlicher Fäkalien als Dünger ist in der Region bereits für die Zeit der Song-Kaiser belegt. Eine weitere Verbreitung fand diese Düngerform aber erst im 17. und 18. Jahrhundert. Damals entwickelte sich in der Region ein hoch kommerzialisierter Handel mit menschlichen Fäkalien. Eigene Gruppen von Kaufleuten kontrollierten diesen Handel. Das Einsammeln der Fäkalien wurde zu einem wichtigen Tätigkeitsbereich der städtischen Arbeiterschaft. Das Urbanisierungsmuster im Jangtse-Delta förderte die Entwicklung dieser Düngerform. Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert wuchs im Jangtse-Delta vor allem die Zahl der Städte, weniger ihre Größe. Dadurch blieben die Transportwege für den Fäkalienhandel begrenzt. Trotzdem waren auf Grund der Transportkosten die Fäkalien für die Bauern in Stadtnähe natürlich billiger. In einem zeitgenössischen Agrarhandbuch heißt es deshalb auch, dass die Äcker in Stadtnähe auf Grund der geringeren Transportkosten für menschlichen Dünger ertragreicher waren.

Eine weitere wichtige Düngerform im Jangtse-Delta war Sojakuchen, der aus der Mandschurei importiert wurde. Sojakuchen entsteht als Überrest, wenn aus den Sojabohnen das Öl ausgepresst wird. Dieser Sojakuchen ist reich an Eiweiß und kann deshalb als wertvolles Tierfutter verwendet werden. Außerdem enthält er viel mehr Stickstoff als tierischer Dünger. Er entfaltet seine Wirkung im Acker auch viel schneller als normaler Dünger. Seit dem frühen 17. Jahrhundert wurde Sojakuchen auf den Reisfeldern des Jangtse-Deltas verwendet. Umstritten sind nach wie vor das genaue Ausmaß seiner Verwendung und die Höhe der aus der Mandschurei importierten Mengen. Umstritten ist deshalb auch, ob es gerechtfertig ist, im Falle des Jangtse-Deltas von einer Düngerrevolution zu sprechen. Fest steht aber, dass im 17. und 18. Jahrhundert ausgepresste Ölkuchen, sowohl aus Sojabohne, als auch aus Raps oder Sesam, eine weite Verbreitung auf den Reisfeldern in Jiangnan fanden.

Zwischenfazit

Fassen wir kurz zusammen: Zwischen 1200 und 1800 wurden in vielen Weltregionen die Agrarflächen enorm ausgeweitet sowie existierende Agrarflächen intensiver genutzt. In Ost- und Südasien betraf diese Ausweitung vor allem Ackerland, in der Neuen Welt entstanden neben dem neuen Ackerland auch riesige Weideflächen. Die Expansion der Agrarflächen und die intensivere Nutzung bestehender Flächen waren keine linearen Prozesse. Neben Phasen der Expansion und Intensivierung gab es auch Phasen der Stagnation, der Rückentwicklung und der Extensivierung. In solchen Phasen der Rückentwicklung wurde Acker- in Weideland verwandelt oder Siedlungen wurden völlig aufgegeben. In Europa geschah dies während der Wüstungsprozesse des Spätmittelalters. Im Mittleren Osten wurden im Zuge der mongolischen Eroberungen Bauernäcker in Nomadenland umgewandelt. In der Literatur wird dieser Prozess als Beduinisierung bezeichnet. Er spielte vor allem im Iran und im Irak eine größere Rolle. Auch in vielen Regionen Nordchinas wurde während des 12. und 13. Jahrhunderts Bauernland in Nomadenland umgewandelt oder überhaupt aufgelassen. In der Neuen Welt waren die Prozesse der Rückbildung von Agrarflächen beziehungsweise des Übergangs von intensiven zu extensiven Landnutzungssystemen im Zuge der spanisch-portugiesischen Conquista wahrscheinlich am umfassendsten. Insgesamt kennzeichnet den Zeitraum von 1200 bis 1800 aber eine enorme Expansion der Agrarflächen sowie ein langfristiger Trend zu intensiverer Nutzung von bestehendem Kulturland.

wbg Weltgeschichte Bd. IV

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