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Seeschifffahrt

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Im Zeitraum zwischen 1200 und 1800 intensivierte sich die Vernetzung der Weltkulturen insbesondere durch die Seeschifffahrt. Diesem Prozess lagen zahlreiche Innovationen im Schiffbau und der Navigation zugrunde. Berührungspunkte der Küstenschifffahrt im eurasischen Raum ermöglichten vielfältige Transferprozesse zwischen unterschiedlichen Traditionen des Schiffbaus. Einzelne Schiffe verkehrten vor den Zeiten der europäischen Expansion in der Regel nur innerhalb bestimmter geographisch und klimatisch definierter Gebiete, an deren Grenzen Waren umgeladen beziehungsweise weiterverkauft wurden (s.S. 69): In Europa stellten Ost- und Nordsee sowie die Atlantikküste und das Mittelmeer lange Zeit solche abgegrenzten Zonen dar, an der Levanteküste bestanden Kontakte mit der arabischen Seefahrt. In Asien verblieben Handelsschiffe in der Regel innerhalb der Grenzen des Arabischen Meeres, des Indischen Ozeans und des Gelben Meeres. Lange vor der Ankunft der Europäer bestanden hier dicht vernetzte Handelssysteme, als Massengüter wurden insbesondere Nahrungsmittel (Reis, Getreide), Textilien und Keramik befördert.

Asiatische Hochseeschifffahrt

Um 1100 sicherte die Entwicklung seetüchtiger Dschunken China die Vorherrschaft im ostasiatischen Seehandel. Die staatliche Handelsflotte umfasste mehrere tausend mit Feuerwaffen und Kompass ausgerüstete Schiffe. Mit wegweisenden Elementen wie wasserdichten Schotten ausgestattet, waren sie die größten und leistungsfähigsten Schiffe der Zeit. Höhepunkte der chinesischen Hochseeschifffahrt waren die Entdeckungsfahrten unter Zheng He im gesamten asiatischen Raum, die zwischen 1405 und 1430 bis an die Küste Ostafrikas führten. Die häufig kolportierten, gigantischen Ausmaße der Schiffe seiner Flotte sind in jüngerer Zeit kritisch hinterfragt worden, als gesichert kann gelten, dass sie die im eurasischen Raum gängigen Dimensionen deutlich übertrafen. Die 1433 dekretierte Entscheidung, in Zukunft auf eine kaiserliche Flotte zu verzichten, bedeutete zwar nicht das Ende des chinesischen Seehandels im ostasiatischen Raum, allerdings gingen von solchen nun illegalen Aktivitäten keine weitreichenden Impulse mehr für den chinesischen Schiffbau aus. Doch nicht nur die chinesischen Schiffe, auch die größten Dhaus und andere Schiffe im arabisch-indischen Seehandel hatten um 1500 weit höhere Ladekapazität als die ersten portugiesischen Schiffe, die den Indischen Ozean befuhren. Die europäischen Kolonialmächte erreichten diese Dimensionen erst nach und nach ab dem 17. Jahrhundert mit neuen Konstruktionsformen wie der Galeone. Neue Schiffstypen wurden allerdings auch im innerasiatischen Handel entwickelt, beispielsweise im Kontext des expandierenden Seehandels des indischen Mogulreichs ab dem 16. Jahrhundert.

Navigationsinstrumente

Wie bereits angedeutet, kam der Kompass – ausgehend von China – in der Seefahrt um 850 in Südostasien und im 11. Jahrhundert im Indischen Ozean zum Einsatz, in Europa ist seine Kenntnis im späten 12. Jahrhundert belegt. Da die Erstbelege für den arabischen Raum erst aus der Zeit um 1230 datieren und die dortige Benennung auf europäischer Terminologie basiert, war der europäische Kompass möglicherweise eine Parallelerfindung – magnetisierte Mineralien waren hier ebenso wie in China verfügbar. Doch bleibt auch eine Transmission aus dem Fernen Osten nach Europa denkbar. Um 1300 erleichterte der Kompass die Navigation im Mittelmeer wie auch entlang der Atlantikküste und ermöglichte zusätzliche Handelsfahrten in Jahreszeiten mit ungünstigen Windverhältnissen. Ab dem 16. Jahrhundert stellte die zunehmende Hochseeschifffahrt als Teil der europäischen Expansion neue Anforderungen: Kompass und Portolankarten reichten zur Positionsbestimmung nicht mehr aus, erforderlich wurden Techniken zur Beobachtung der Sternhöhen auf See ebenso wie eine Berücksichtigung der Abweichung des magnetischen vom geografischen Nordpol. Präzisere Navigationsinstrumente und neue Projektionsverfahren für kartographische Darstellungen verringerten in den folgenden Jahrhunderten die Risiken der Küsten- und Hochseeschifffahrt. Die Bestimmung des Längengrades auf See wurde erst ab den 1760er Jahren durch den Bau von Präzisionsuhrwerken möglich, die auch bei schwerer See die „mitgenommene“ Normalzeit verlässlich anzeigten – über den Vergleich mit der durch astronomische Beobachtungen gewonnenen Ortszeit ließ sich nun auch der Längengrad bestimmen.

Schiffstypen

In Europa spiegelten sich die unterschiedlichen politischen Einflusssphären in der Küstenschifffahrt auf Nord- und Ostsee auf der einen und dem Atlantik- und Mittelmeerraum auf der anderen Seite lange Zeit in deutlichen Unterschieden der jeweils verwendeten Schiffstypen: War die Kogge Teil des ökonomischen und politischen Erfolgs des Hanse-Städtebundes in der Ostseeregion, dominierte die mit Ruderern und Segeln ausgestattete Galeere demgegenüber den Mittelmeerhandel. Durch die zunehmende Überlappung dieser Handelsgebiete wurden seit dem 15. Jahrhundert Elemente der jeweiligen Schiffstypen wechselseitig übernommen. Im Mittelmeer setzte sich zu dieser Zeit die Karavelle als neuer Schiffstyp durch. Sie war vergleichsweise klein und mit einer Ladekapazität von bis zu 50 Tonnen kaum für den Transport großer Warenmengen geeignet, kam auf Grund ihrer Wendigkeit jedoch bei Entdeckungsfahrten wie denen von Christoph Kolumbus zum Einsatz. Karavellen wurden im Deutschen namengebend für die traditionell am Mittelmeer genutzte, im 15. Jahrhundert über die Portugiesen nach West- und Nordeuropa gelangte Kraweelbauweise, welche der Schifffahrt auf Nord- und Ostsee den Bau größerer und stabilerer Schiffe ermöglichte. Dabei wurden die Schiffsplanken nicht dachziegelartig übereinandergelegt, sondern nebeneinander auf einem vorgefertigten Gerüst befestigt. Den europäischen Asienhandel dominierten im 16. Jahrhundert die größeren, mit drei bis vier Masten ausgestatteten Karacken und Galeonen, deren Ladekapazität von anfänglich ca. 400 Tonnen auf mehr als das Doppelte anstieg und die über 100 Mann Besatzung sowie bis zu 400 Passagiere aufnehmen konnten. Verbesserungen der Manövrierbarkeit resultierten beispielsweise aus der Erhöhung der Zahl der Segel pro Mast und, seit etwa 1700, der Verbreitung des Steuerrades anstelle der Ruderpinne.


„Neuheiten“ aus europäischer Perspektive. Die gezeigten Technologien waren vielfach asiatischen Ursprungs. Im Uhrzeigersinn: Buchdruck, Kompass als Voraussetzung der Entdeckung Amerikas, alchemistische Apparaturen, Guaiakholz als Medizin gegen die Syphilis, Kanone und Schießpulver, Steigbügel, Seide, mechanische Räderuhr. Jan van der Straet, um 1580.

Insgesamt entwickelte sich die europäische Schiffbautechnik keineswegs einheitlich. So gab es erhebliche regionale Unterschiede in der Nutzung von Zeichnungen, Modellen und mathematischen Berechnungen im Bauprozess – galten beispielsweise Zeichnungen im englischen Schiffbau als unverzichtbar, spielten sie in den Niederlanden praktisch keine Rolle. Den markantesten Einschnitt für den Schiffbau sollten im 19. Jahrhundert die Dampfschifffahrt und die Ablösung hölzerner durch eiserne Schiffskörper darstellen, die zunächst im Überseehandel erfolgte. In einer langen Übergangsphase wurde jedoch die Besegelung trotz Nutzung der Dampfkraft beibehalten.

Ökonomische Potentiale

Die ökonomischen Potentiale, welche die Verwendung neuer Schiffstypen eröffneten, lassen sich an holländischen Beispielen aufzeigen: Beispielsweise ließen sich mit den im 15. Jahrhundert konstruierten, breiten holländischen Booten für die Heringsfischerei nicht nur größere Fangnetze einsetzen, der Fisch konnte auch gleich an Bord statt an Land eingesalzen werden. Dies ermöglichte eine längere Verweildauer auf See und trug damit zur Vorrangstellung der holländischen Fischer in der Nordsee bei. Die um 1600 entwickelte „Fleute“, ein langgestrecktes, schnelles Frachtschiff, das mit einer kleinen Mannschaft gesegelt werden konnte, ermöglichte es, nicht nur einmal jährlich von den Niederlanden in die Ostsee zu fahren, sondern bis zu drei Mal. Was das Bautempo anging, blieben die holländischen Werften im Schiffbau des 17. Jahrhunderts führend. Die weitverbreiteten, windgetriebenen Sägemühlen lieferten gleichförmigere Planken, als dies bei der Bearbeitung des Holzes mit der Axt möglich war, und reduzierten die Bauzeit gegenüber vergleichbaren englischen Schiffen. Der Aufbau großer Flotten für den Ostindienhandel beruhte nicht zuletzt darauf, dass mittels einer komplexen organisatorischen Struktur Bauholz aus den Waldgebieten um Main und Rhein, insbesondere dem Schwarzwald, bis nach Holland geflößt wurde. Dort zeitigte der Schiffbau zahlreiche weitere ökonomische Impulse, die von der Holzverarbeitung über das Leinwandgewerbe für die Segel und die Seilherstellung bis zur Herstellung von Navigationsinstrumenten, Seekarten und Schiffszwieback reichten.

Kriegsschiffe

Ab dem 16. Jahrhundert bauten die europäischen Werften neben Handelsschiffen auch mit zahlreichen Kanonen bestückte Kriegsschiffe, was konstruktive Veränderungen auf Grund der spezifischen Gewichtsverteilung erforderte. Neben der im Mittelmeer eingesetzten Flotte des Osmanischen Reiches waren auch chinesische Schiffe mit kleineren Kanonen ausgestattet. Zu Seeschlachten wie zwischen den in Europa im Seekrieg engagierten Mächten – insbesondere England, den Niederlanden, Frankreich, Spanien und Portugal – kam es hier jedoch nicht, denn der innerasiatische Seehandel wurde traditionell nicht in kriegerische Auseinandersetzungen einbezogen. Gefahren drohten hier eher durch Piraten. Dort, wo die europäischen Mächte in Asien ihre Machtansprüche mit militärischen Mitteln durchsetzten, hatten ihre Schiffe auf Grund leistungsfähigerer Artillerie und im Seekrieg trainierter Mannschaften bald eindeutige Vorteile.

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