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Einführung neuer, ertragreicherer Nahrungspflanzen

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Eine besondere Form der Intensivierung der Landnutzung stellt die Einführung neuer, ertragreicherer Nahrungspflanzen dar. Nahrungspflanzen unterscheiden sich sehr in Bezug auf die Kalorienerträge, die ihr Anbau pro Hektar Ackerfläche liefert. Getreide und Knollenpflanzen sind Stärkepflanzen. Sie stellen die beiden wichtigsten Typen der Nahrungspflanzen dar. Generell gilt, dass die aus der Neuen Welt stammenden Getreide und Knollenpflanzen (Mais, Kartoffel, Maniok, Süßkartoffel) höhere Kalorienerträge liefern als die Stärkepflanzen der Alten Welt. Es gibt dazu nur eine Ausnahme: den aus Asien stammenden Reis. Dieser liefert vergleichbar hohe Kalorienerträge wie die amerikanischen Stärkepflanzen. Nach 1492 wurden die Stärkepflanzen der Neuen Welt in einem riesigen Transferprozess in die Alte Welt transferiert. Dieser führte in der Alten Welt zu einer massiven Ausweitung des Nahrungsmittelspielraumes, der wiederum dann vor allem im 18. Jahrhundert in vielen Regionen der Alten Welt zu einer der wichtigsten Grundlagen für ein nachhaltiges Bevölkerungswachstum wurde. Besonders deutlich sichtbar ist dieser Zusammenhang im frühneuzeitlichen Europa und in China.

Mais

In Europa wurden Kartoffel und Mais die beiden wichtigsten Kulturpflanzenimporte aus der Neuen Welt. Der Mais breitete sich zunächst südlich der Alpen und Pyrenäen aus, die Kartoffel nördlich davon. Als erster setzte sich Mais im Ackerbau einzelner europäischer Regionen durch. Aus der Zeit um 1520 stammen die ersten Zeugnisse seines Anbaus auf der Iberischen Halbinsel. Mais wurde damals am Guadalquivir, im Alentejo sowie um Coimbra geerntet. Von Spanien und Portugal gelangte der Mais dann nach Italien, zunächst nach Venetien, schließlich in die Lombardei. Ab 1670 nahm in diesem Raum die Maisproduktion stark zu, im 18. Jahrhundert überflügelte sie bereits die Weizenproduktion. In Süditalien blieb der Maisanbau unbedeutend. Wie auf der Iberischen Halbinsel formierten sich auch in Italien die Hauptanbaugebiete im Norden. Auch Südwestfrankreich und der Balkan wurden zu frühen maiserzeugenden Regionen Europas. Für das (heute zu Kroatien gehörige) Gebiet Požega gibt es erste Belege diesbezüglich aus dem Jahr 1611, für Bosnien aus der Zeit um 1660, für Serbien und das Banat um 1692. Im österreichischen Teil Serbiens wurden 1718 bereits 30,9 Prozent der Saatfläche mit Mais bebaut.

Kartoffel

Nördlich von Alpen und Pyrenäen sollte die Kartoffel zu einem der wichtigsten Kulturpflanzenimporte aus Amerika werden. Ihr Aufstieg begann allerdings später als jener des Mais. Irland ist das klassische Beispiel für ein frühes Anbauzentrum. Leider gibt es wenige verlässliche Quellen über die genaue Chronologie der Ausbreitung der Kartoffelkultur. Auf Grund der unvollständigen Quellenlage ist auch umstritten, wann genau die Kartoffel zum Hauptnahrungsmittel für die Iren wurde: Die Meinungen variieren hier zwischen der Zeit um 1680, 1730, 1740 bis 1780 sowie nach 1780. Klar ist aber, dass 1845 in Irland ca. eine Million Hektar Ackerland mit Kartoffeln bebaut wurden, das waren ca. 31 bis 38 Prozent der gesamten Saatfläche. Zur selben Zeit war die Kartoffel für 40 Prozent der Bevölkerung das alleinige Nahrungsmittel, für den Rest ein bedeutender Nahrungsmittelanteil.

Frühe Anbauzentren

Zwei weitere frühe Anbauzentren bildeten die Gebiete der südlichen und nördlichen Niederlande. Die Ausbreitung des feldmäßigen Kartoffelanbaus begann hier zwischen ca. 1670 und 1720. Von Westflandern breitete sich dieser über große Teile des heutigen Belgien aus. In den Vereinigten Provinzen, den heutigen Niederlanden, begann der Anbau etwas später, die Ausbreitung erfolgte dann aber schneller. Der früheste Beleg für einen bereits relativ großflächigen Anbau stammt aus dem Jahr 1697. Vom küstennahen Raum expandierte der Kartoffelanbau dann ins Landesinnere. Um 1800 war in keinem anderen europäischen Land – mit Ausnahme von Irland natürlich – der Kartoffelanbau so weit verbreitet wie im Raum des heutigen Belgien und der heutigen Niederlande. Auch in Zentraleuropa gab es frühe Anbauzentren, die Pfalz und das sächsische Vogtland zum Beispiel, der generelle Durchbruch der Kartoffel scheint aber erst im Zuge der Hunger- und Subsistenzkrise der frühen 1770er Jahre erfolgt zu sein. Nach 1800 beschleunigte sich dann die Ausbreitung des Kartoffelanbaus überall in Europa.

Reistransfer von Asien nach Europa

Der Aufstieg von Mais und Kartoffel zu wichtigen europäischen Nahrungspflanzen zählt heute schon zu den bekannten großen Erzählungen der europäischen Wirtschaftsgeschichte. Weniger bekannt ist, dass in etwa zur selben Zeit auch die europäische Reisproduktion einen massiven Aufschwung erlebte. Reis ist die einzige Stärkepflanze aus der Alten Welt, die vergleichbar hohe Kalorienerträge wie die Stärkepflanzen der Neuen Welt liefert. Ihre Ausbreitung in Europa besitzt deshalb hohe Relevanz für die europäische Bevölkerungs- und Agrargeschichte. Der Reistransfer von Asien nach Europa war zwar schon im Zuge der arabisch-islamischen Expansion des frühen Mittelalters erfolgt, sein Aufstieg zu einer quantitativ bedeutenden europäischen Feldfrucht begann aber erst in der Frühen Neuzeit. Das Gebiet von Valencia in Spanien und Oberitalien wurden damals zu wichtigen Reisanbauregionen. Die frühesten Belege zum Reisanbau in Oberitalien stammen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, und zwar aus Verona. Ende des 15. Jahrhunderts ist der Reisanbau in der Lombardei belegt. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts breitete er sich in der Emilia-Romagna aus. Zur selben Zeit war Reis im Piemont bereits ein wichtiges Exportprodukt geworden. In den folgenden drei Jahrhunderten sollten dann die Lombardei, Piemont und Venetien zur wichtigsten Reisschüssel Europas werden.

Nahrungspflanzen in China

Kein anderer der großen Agrarräume der Alten Welt übernahm die amerikanischen Stärkepflanzen so schnell wie China. Die Hauptrolle spielten in China Mais und Süßkartoffeln. Diese beiden amerikanischen Kulturpflanzen wurden vor allem für die Binnenkolonisation wichtig. China war im 17. Jahrhundert – bedingt durch den intensiven Nassreisanbau – bereits ein sehr dicht besiedeltes Land. Der Großteil der Chinesen wohnte aber in den Ebenen, dort, wo Nassreisanbau möglich war. Vieles deutet darauf hin, dass die trockenen Hügel- und Bergregionen von Nordchina und der Jangtse-Region um 1700 noch größtenteils unbesiedelt waren. Die amerikanischen Stärkepflanzen, vor allem der Mais und die Süßkartoffel, ermöglichten es nun den Chinesen seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, diese für den Anbau von Reis und anderen einheimischen Getreidesorten nicht geeigneten Gegenden zu besiedeln und landwirtschaftlich zu nutzen.

Die Süßkartoffel wird erstmals in einigen Lokalgeschichten der im Südwesten Chinas gelegenen Provinz Yunnan in den 1560er/1570er Jahren erwähnt. Dies legt einen Transfer auf der Landroute über Indien und Burma nahe. Bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war die Süßkartoffel über den Seeweg in die Küstenregion von Fujian, im Südosten des Landes, eingeführt worden. In den südöstlichen Küstenprovinzen breitete sich ihr Anbau dann ebenfalls sehr rasch aus. In dieser Region war Reis immer knapp und die Menschen waren seit langem an zwei andere Knollenfrüchte, nämlich Yams und Taro, gewöhnt. Die Süßkartoffel hatte indes eine Reihe von Vorteilen für die chinesischen Bauern. Sie lieferte hohe Erträge, hatte einen angenehmeren Geschmack, war widerstandsfähig gegenüber Heuschrecken, weniger empfindlich gegenüber Dürre als die einheimische Yamswurzel und wuchs auch auf wenig fruchtbaren Böden. Damit stand sie in keinem Wettbewerb mit anderen einheimischen Nahrungspflanzen um gute Böden. Im 18. Jahrhundert breitete sich der Anbau der Süßkartoffel weiter in allen Jangtse-Inland-Provinzen aus, wobei Sichuan zum Hauptproduzenten wurde. Nach 1700 wurden auch die Bauern in Nordchina durch mehrere kaiserliche Edikte dazu aufgefordert, die Süßkartoffel großflächig anzubauen, um Hungersnöte abzuwehren.

Wie bei der Süßkartoffel, so folgte auch beim Mais der Transfer nach China sowohl über den Land- wie über den Seeweg. Bereits vor der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde Mais im Südwesten Chinas sowie in einem Bezirk von Henan angebaut. Auch im Küstengebiet von Fujian und Zhejiang tauchte der Mais früh auf, er blieb aber unbedeutend, die Menschen bevorzugten hier Reis und Süßkartoffel. Bis um 1700 wurde Mais primär im Südwesten und in einigen verstreuten Bezirken an der Südostküste angebaut. Im 18. Jahrhundert wurde der Maisanbau schließlich in die Hügel- und Bergregion der Jangtse-Inland-Provinzen ausgeweitet. Einige Millionen Binnenmigranten fanden damals im Mais jene Schlüsselpflanze, die es ihnen erlaubte, diese Gegenden im Landesinneren neu zu erschließen und agrarisch zu nutzen. Ein Strom dieser Migranten wanderte bis Sichuan und Yunnan, ein anderer besiedelte den Einzugsbereich des Han-Flusses. Auch die Hügel- und Bergregionen entlang der anderen Nebenflüsse des Jangtse wurden damals in Maisfelder umgewandelt.

Zusammenfassung

Ausgangspunkt der Darstellung war das beträchtliche Wachstum von Bevölkerung, Städten und Staaten zwischen 1200 und 1800. Dieses dreifache Wachstum hatte zahlreiche Ursachen. Eine davon war die weltweite Steigerung der Agrarproduktion. Diese war wiederum durch eine Expansion der Agrarflächen, eine intensivere Nutzung der bereits vorhandenen Flächen sowie durch die Einführung neuer, leistungsstärkerer Nahrungspflanzen möglich geworden. In vielen Teilen der Welt wurde neues Acker- und Weideland gewonnen, die Brache reduziert, vermehrt und intensiver gedüngt, eine verbesserte Form der Bewässerung eingeführt oder zu Mehrfachernten übergegangen. Nach 1492 führte schließlich die zunehmende globale Vernetzung der Welt zu einem weltweiten Transfer von Kulturpflanzen. Alle von den Bauern der verschiedenen Weltregionen während mehrerer Jahrtausende gezüchteten Kulturpflanzen wurden nun erstmals wirklich global verfügbar. Das pflanzenkulturelle Know-how von Alter und Neuer Welt wurde damit gebündelt und stand weltweit nun immer mehr Bauern und Agrarproduzenten zur Verfügung. Dies bedeutete zum einen, dass mehr von den kalorienhaltigen Hochertragspflanzen zur Verfügung standen, zum anderen vergrößerte sich die Vielfalt, der Grad an Diversität im Kulturpflanzenbestand. Dies brachte wiederum ein höheres Maß an Risikoabsicherung. Insgesamt steigerte also der globale Transfer von Kulturpflanzen die Leistungskraft der weltweiten Agrarproduktion. Der Nahrungsmittelspielraum konnte so bedeutend vergrößert werden.

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