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3 Der schwierige Fall Susanne Fauser Fallbeispiel 3.1

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Der 27-jährige Jurastudent litt seit dem 19. Lebensjahr an unspezifischen Auren (»ein schwieriges Gefühl im Kopf«) und hyperkinetischen Anfällen mit einer Dauer von 15–45 s. Die Anfallsfrequenz lag im Schnitt bei 2–4 Anfällen pro Tag. Die bisherigen medikamentösen Behandlungsversuche führten zu keiner Anfallsfreiheit, allenfalls zu einer leichten Reduktion der Anfallshäufigkeit. Zum Zeitpunkt der prächirurgischen Abklärung im Epilepsie-Zentrum Bethel war er mit einer Dreifachkombination aus Levetiracetam (1.000 mg/d), Lacosamid (200 mg/d) und Oxcarbazepin (1.200 mg/d) behandelt. Höhere Dosierungen hätten nur zu Nebenwirkungen, nicht jedoch zu einer Besserung der Anfallssituation geführt. Zuvor waren Lamotrigin und Topiramat bis zur Nebenwirkungsgrenze dosiert worden. Selbst an einer neurologischen Klinik mit epileptologischer Expertise konnte zunächst anhand der MRT-Bildgebung keine Ursache für die Epilepsie gefunden werden, sodass die Epilepsie als non-läsionell klassifiziert wurde. Auch die bisherigen EEG-Aufzeichnungen ergaben keine wegweisenden Befunde. Aktuell stellte er sich zu einer Zweitmeinung mit der Frage nach Ursache seiner Epilepsie und nach einer operativen Therapiemöglichkeit in Bethel vor.

Im Video-EEG-Monitoring mit Oberflächenelektroden zeigte sich auch in unserer Klinik ein unauffälliger interiktualer Befund (keine regionalen Verlangsamungen und keine epilepsietypischen Potenziale). Es konnten vier Auren und sieben hyperkinetische Anfälle ohne klinische Lateralisationszeichen aufgezeichnet werden. Am Oberflächen-EEG konnte man v. a. auch aufgrund der Bewegungsartefakte kein Anfallsmuster abgrenzen ( Abb. 3.1A). Die neuropsychologische Untersuchung ergab intakte neuropsychologische Leistungen in allen untersuchten Bereichen. In der MRT-Bildgebung (3-Tesla-MRT) zeigte sich jedoch nun im linken Frontallappen (Gyrus frontalis medius) eine flaue Auffälligkeit, welche verdächtig auf eine fokale kortikale Dysplasie (FCD) Typ IIb war, am ehesten einer sogenannten Sulcustal-Dysplasie entsprechend ( Abb. 3.1B, C). Das Sprach-fMRT ergab eine linksseitige Sprachdominanz. Die fragliche Läsion lag weit entfernt vom Broca-Zentrum.

Elektrodenimplantation zur Bestätigung der Anfallsursprungszone.

Aufgrund der nur flauen MRT-Läsion, die immerhin zur frontalen Anfallssemiologie passte (unspezifische Aura → hyperkinetischer Anfall), wurde ein invasives Video-EEG-Monitoring mit Tiefenelektroden ergänzt. Mit diesem invasiven Monitoring sollte die Epileptogenität der


Abb. 3.1: (A) Mit Oberflächenelektroden ließ sich wegen sofort einsetzender Muskelartefakte kein elektrografischer Anfallsursprung erkennen. (B, C) In dünngeschichteten Fluid-attenuated- inversion-recovery-(FLAIR)-Bildern wurde der Verdacht auf eine FCD Typ IIb gestellt (Pfeile): minimale Signalhyperintensität im Sulcustal (koronare Bilder, C), angedeutetes Transmantle-sign (B, C). Die Läsion wurde bildgebend als nur fraglich eingestuft, passte aber zur Anfallssemiologie. (D) Rekonstruierte Reallage der implantierten Tiefenelektroden. (E) Interiktuales EEG mit Tiefenelektroden. An zwei Elektrodenkontakten zeigte sich ein »repetitive spike pattern«. (F) Iktuales EEG mit Tiefenelektroden: Verdichtung des interiktualen Spikemusters und Übergang in hochfrequente Aktivität sowie Ausdehnung auf benachbarte Elektrodenkontakte. (G–I) Postoperativer MRT-Befund nach erweiterter Läsionektomie links frontal.

fraglichen Läsion bestätigt werden. Es wurden drei Tiefenelektroden in und um die fragliche Läsion links frontal platziert und eine weitere Tiefenelektrode rechts frontal implantiert ( Abb. 3.1D).

Bereits interiktual zeigte sich ein nahezu kontinuierlicher Spike-Fokus, meist sehr begrenzt auf die Elektrodenkontakte FAL 1–2, z. T. mit Ausdehnung auf die Elektrodenkontakte FLL 1–4 ( Abb. 3.1E). Bei den zahlreichen aufgezeichneten hyperkinetischen Anfällen kam es zunächst an genau diesen Kontakten zu einer Verdichtung dieser Polyspikes und dann – mit Beginn der klinischen Symptomatik – zu einer Transition in ein hochfrequentes Beta-Muster ( Abb. 3.1F). Die rechts frontale Elektrode zeigte keine iktuale oder interiktuale Aktivität.

Somit konnte die Epileptogenität der MRT-Läsion bewiesen werden. Passend zu einer fokalen kortikalen Dysplasie zeigte sich im Bereich der Läsion ein umschriebener, sehr aktiver, nahezu kontinuierlicher interiktualer Fokus, von dem aus auch die hyperkinetischen Anfälle ihren Beginn nahmen. Bei dem Patienten wurde eine erweiterte Läsionektomie durchgeführt ( Abb. 3.1G-I), Histologie: FCD Typ IIb. Zehn Monate nach der komplikationslosen Operation erlitt er einen unprovozierten, bilateral tonisch-klonischen Anfall, seither ist er anfallsfrei. Er wird mit einer Kombination aus Levetiracetam (1.000 mg/Tag; 4,5 µg/ml) und Lacosamid (400 mg/Tag; 4,7 µg/ml) behandelt. Letztes verfügbares Follow-up: 24 Monate nach dem Eingriff.

Prächirurgische Diagnostik und chirurgische Epilepsietherapie

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