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4.5 Klimawandel als planetare Grenzüberschreitung
ОглавлениеSeit über 200 Jahren werden immer mehr Gase in die Atmosphäre eingetragen. Das hat nachgewiesene Wirkung auf die mittlere Oberflächentemperatur unseres Planeten und erhebliche Konsequenzen für seine Fähigkeit, Lebewesen mit höheren Lebensfunktionen zu beherbergen. Betrachten wir dazu einen ganz wesentlichen Prozess etwas genauer: die Steuerung der inneren Temperatur eines Säugetieres wie des Menschen.
Ein gesunder Körper funktioniert optimal, wenn seine Temperatur im Inneren etwa 37°C beträgt. Die Körpertemperatur kann allerdings durchaus schwanken, denn der Organismus passt seine Temperatur ständig an die Umweltbedingungen an. Wenn man Sport treibt, steigt sie zum Beispiel an. Außerdem ist sie nachts niedriger als am Tag und am späten Nachmittag höher als morgens.
Die Temperatur im Körperinneren wird von einem Teil des Gehirns geregelt, dem Hypothalamus. Er überprüft die aktuelle Temperatur und vergleicht sie mit der normalen. Ist die Körperinnentemperatur zu niedrig, sorgt er dafür, dass der Körper Wärme bildet und diese hält. Ist die aktuelle Körpertemperatur dagegen zu hoch, wird Wärme abgegeben oder Schweiß produziert, der die Haut, durch Verdunstung abkühlt.
Besonders belastend für den Menschen sind hohe Temperaturen in Kombination mit hoher Luftfeuchtigkeit. Als Maß dafür wird die Kühlgrenztemperatur benutzt. Sie drückt physikalisch aus, auf welchen Wert Luft durch Verdunstung bis zum Sättigungswert (100% relative Luftfeuchtigkeit) abgekühlt werden kann. Eine Lufttemperatur von 50°C mit einer Luftfeuchte von 80 Prozent besitzt z.B. eine Kühlgrenztemperatur von 36°C. Doch schon bei einer Kühlgrenztemperatur von 35°C ist menschliches Überleben nicht mehr möglich, da sich der menschliche Körper durch Schwitzen nicht mehr selbst abkühlen kann. Sie kommt unter den heutigen klimatischen Bedingungen weltweit noch nicht vor. Selbst bei den gegenwärtigen Hitzewellen, die mit ca. 50 Prozent Luftfeuchtigkeit einhergingen und weltweit Tausende Tote forderten, lag die Kühlgrenztemperatur maximal zwischen 29°C und 31°C.
Weltweit gibt es aktuell vor allem drei Regionen, in denen eine Kühlgrenztemperatur von 28°C bei Hitzewellen überschritten wird: Südwest-Asien um den Persischen Golf und das Rote Meer, Süd-Asien im Indus- und Ganges-Tal und das östliche China. Die Talregionen am Indus und Ganges sind besonders kritisch, weil dort viele Menschen leben, die oft ohne den Schutz von Gebäuden im Freien landwirtschaftlich tätig sind. Gründe für die hohe Luftfeuchtigkeit in dieser Region liegen zum einen in den feuchten Luftmassen, die mit dem Sommermonsun vom Arabischen Meer und dem Golf von Bengalen ins Landesinnere transportiert werden. Zum anderen verdunstet sehr viel Wasser in beiden Tälern über den ausgedehnten Bewässerungsflächen der landwirtschaftlichen Nutzflächen.
Während der Hitzewelle 2015 in Südostasien lagen die Kühlgrenztemperaturen etwas unter 30°C. 2016 waren sie merklich höher und erreichten am 21. Mai 2016 über 30 und stellenweise sogar über 31°C. Der Grund könnten sehr hohe Temperaturen im Indischen Ozean und der starke El Niño 2015/16 gewesen sein.
Wird es zunehmend wärmer auf der Erde, steigen sowohl die Verdunstungsrate über den Ozeanen als auch die Oberflächen- und Atmosphärentemperatur an. Mit anderen Worten: Die Kombination Temperatur und Luftfeuchtigkeit, die die Kühlgrenztemperatur bestimmt, verändert sich durch den Klimawandel für sehr viele Menschen katastrophal. Bis zu drei Viertel der Weltbevölkerung könnten bis zum Ende des Jahrhunderts durch tödliche Hitzeextreme gefährdet sein, so eine neue Studie (Li et al. 2020). Sie zeigt, dass derzeit knapp ein Drittel der Weltbevölkerung Hitzeextremen ausgesetzt ist, die in der Vergangenheit zu Todesfällen geführt haben. Sie werden mit steigenden globalen Temperaturen zunehmen. Eine globale Erwärmung auf weniger als 2°C über dem vorindustriellen Niveau würde das Risiko potenziell tödlicher Hitzewellen zumindest auf etwa die Hälfte der Weltbevölkerung begrenzen.