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2.1 Der Einfluss von Umweltveränderungen auf die Chirurgie

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Einige Umweltveränderungen stellen direkte Risiken für die Gesundheit des Menschen dar und sind zum Teil direkt mit chirurgischen Krankheitsbildern assoziiert. Wärmeres Wetter geht einher mit einer höheren Rate an Wundinfektionen (Anthony et al. 2017), Naturkatastrophen wie Waldbrände oder Stürme verursachen zum Teil schwere Verletzungen und führen dazu, dass viele Menschen zeitgleich operativ versorgt werden müssen. Das stellt eine immense Herausforderung dar für die Chirurgie. Zudem setzen Naturkatastrophen krebserregende Stoffe frei, erhöhen das Krebsrisiko und steigern den Bedarf u.a. an Tumorchirurgie. So entsteht bei Waldbränden eine große Menge von u.a. krebserregendem Feinstaub (IARC Working Group 2016; Liu et al. 2016). Naturkatastrophen wie Hurrikans führen durch die Beschädigung von Industrieanlagen und Ölraffinerien zur Freisetzung von krebserregenden Stoffen wie Dioxin (Friedrich 2017). Auch die Exposition gegenüber dem krebserregenden Aflatoxin kann durch Temperaturerhöhung-bedingten vermehrten Pilzbefall von Nahrungsmitteln zunehmen (Battilani et al. 2016).

Umweltveränderungen gefährden die Gesundheit des Menschen aber auch indirekt, vermittelt durch Änderungen des ökologischen oder sozioökonomischen Systems (Hobbhahn et al. 2019). Ökologischerseits können Niederschlagsextreme, Überschwemmungen und Dürreperioden zu Mangel- und Unterernährung führen (Wheeler 2013), was Chirurgie-spezifisch in einem erhöhten perioperativen Risiko und vermehrten Wundheilungsstörungen resultieren kann (Roa et al. 2020). Mangel- und Unterernährung, Luftverschmutzung und Bewegungsarmut können zudem zu mehr nicht-übertragbaren Krankheiten, vor allem Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, führen. Diese gehen ebenfalls mit einem erhöhten perioperativen Risiko und aufwendigerem perioperativem Managementbedarf einher, bedürfen aber oftmals auch selbst einer chirurgischen Intervention wie Bypass-Operationen (Sulbaek et al. 2010). Durch Umweltveränderungen werden zudem übertragbare Krankheiten vermehrt und neu auftreten, die für die Chirurgie erhöhte Infektionsrisiken, vermehrten Infektionsschutz-Aufwand und steigenden Behandlungsbedarf bedeuten dürften (Ryan et al. 2019). Aus sozioökonomischer Sicht führen Landflucht und Migration in Ballungsräume zu eingeschränkter häuslicher familiärer Versorgung, was gerade für die postoperative Rekonvaleszenz von großer Bedeutung ist. Auch können soziale oder ökonomische Konflikte zu Gewalt und chirurgischer Behandlungsnotwendigkeit führen. Die negativen Auswirkungen von Umweltveränderungen auf die psychische Gesundheit des Menschen wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression, Angststörung oder Suizidalität werden zunehmend berichtet und sind unmittelbar oder durch einen reduzierten Allgemeinzustand oder ein eingeschränktes Immunsystem Chirurgie-relevant (Palinkas u. Wong 2020).

Umweltveränderungen können jedoch nicht nur direkte oder indirekte Risiken für die menschliche Gesundheit darstellen, sie können die Chirurgie als Teil der Gesundheitsversorgung auch selbst gefährden. So mussten im Hitze-Sommer 2018 in Solleftea, Schweden, die Operationssäle wegen ungenügender Sterilität infolge hoher Luftfeuchtigkeit geschlossen werden (Silverberg u. Moberg Granström 2018). Naturkatastrophen und Wetterextreme können zudem die Leistungsfähigkeit der Chirurgie durch Stromausfall und andere Infrastrukturschäden, Lieferengpässe, Personalmangel oder ähnliches beeinträchtigen. Die umweltbedingte Unterbrechung von Krebstherapien geht dabei nachweislich mit einer erhöhten Sterblichkeit einher (Nogueira et al. 2019).


Während die unmittelbaren Auswirkungen von Naturkatastrophen und Wetterextreme auf die Chirurgie gut dokumentiert sind und über viele Einzelfälle auch medial in der Breite berichtet wird, ist die Evidenz für die direkten und indirekten Risiken von Umweltveränderungen auf die Chirurgie-spezifische Gesundheit des Menschen derzeit noch gering.

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