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Die Ätiologie der bipolaren Erkrankung ist sehr komplex und lässt sich am besten durch das Vulnerabilitäts-Stress-Modell veranschaulichen. Bei entsprechender genetischer Vorbelastung (Vulnerabilität) eines Individuums können Krankheitsepisoden durch Stressoren (z. B. Umweltfaktoren) ausgelöst werden. Die Umweltfaktoren bzw. Stressoren können an jedem Zeitpunkt der Entwicklung des Individuums ihre Wirkung entfalten.

In jüngster Zeit rücken in der genetischen Forschung bei bipolaren Erkrankungen sogenannte epigenetische Mechanismen in den Fokus (Petronis 2003). Epigenetische Mechanismen wie z. B. die DNS-Methylierung oder Histon-Acetylierung sind biochemische Veränderungen an der DNS, die durch Umweltfaktoren beeinflusst werden. Diese Veränderungen beeinflussen die Genregulation bzw. Genexpression und somit im Wesentlichen die Genfunktion, ohne die DNS-Sequenz zu verändern. So kann z. B. die Methylierung (Anlagerung einer CH3 -Methylgruppe an Cytosin-Basen) des Cytosin-Pyrimidin-Rings in der DNS-Sequenz in CpG-Dinukleotiden zu einem »silencing« der DNS-Transkription und damit zu einer verminderten Expression (Inaktivierung) des Genprodukts führen (Jaenisch und Bird 2003). Die Phosphorylisierung, Methylierung oder Acetylierung der terminalen Enden der Histone durch Histonacetyltransferasen bewirken die Öffnung bzw. die Schließung der Histon-Konformation, wodurch das Gen für die Transkription geöffnet bzw. geschlossen wird. Eine weitere Möglichkeit zur Regulierung der Genexpression besteht durch nichtkodierende RNS. Das sind kleine RNS-Moleküle auch microRNS genannt, welche die Genexpression auf der post-transkriptionalen Ebene regulieren, indem sie durch das Binden an Erkennungssequenzen die Translation in ein funktionelles Protein verhindern können.

Epigenetische Mechanismen sind im Vergleich zur statischen Natur der DNS in ihrem Wirken deutlich variabler und werden durch Umweltfaktoren beeinflusst. Sie bieten auch eine gute Erklärung für den dynamischen und phasenhaften Verlauf psychischer Erkrankungen, wie er für die zyklischen bipolaren Störungen typisch ist (Abdolmaleky et al. 2004; Rutten und Mill 2009; Connor und Akbarian 2008). Wissenswert ist auch, dass epigenetische Veränderungen in der DNS reversibel sind. Durch geeignete Maßnahmen lassen sie Methylierungen und Acetylierungen rückgängig machen und bieten dadurch eine Möglichkeit zur Überwachung und Beurteilung therapeutischer Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirkung.

Die aktuelle Übersichtsarbeit von Gürel et al. (2020) fasst den Stand der epigenetischen Forschung im Bereich der Schizophrenie und der bipolaren Erkrankung der letzten Jahre zusammen. Die Übersichtsarbeit diskutiert die Ergebnisse von mehreren Studien zur Methylierung (Hyper- und Hypomethylierung) von DNS/Gen-Abschnitten, zur Methylierung oder Acetylierung der terminalen Enden der Histone sowie mit Arbeiten zur Funktion von nichtkodierenden RNS auf der post-transkriptionalen Ebene. Bei der Bewertung der aufgeführten Studien fällt auf, dass die Studien in Hinblick auf die untersuchten Biomaterialien sehr heterogen sind. Einige Forschergruppen arbeiten mit Blutzellen, andere mit Spermien, Speichel oder postmortem Gehirngewebe. Außerdem sind die Studienpopulationen im Vergleich zu GWAS-Studien noch sehr klein, was u. a. auf die aktuell noch sehr teuren Analysen zur Bestimmung epigenetischer Veränderungen zurückzuführen ist. Aktuell fehlt es auch an replizierbaren genomweiten epigenetischen Untersuchungen in großen Kohorten, sodass die Übertragbarkeit der epigenetischen Erkenntnisse auf den klinischen Alltag noch nicht absehbar erscheint. Schließlich werden in Zukunft auch jene Studien von Bedeutung sein, die epigenetische Veränderungen an unterschiedlichen Zeitpunkten messen, um die Wirkung von Stressoren auf die Genfunktion über die Zeit, besser beurteilen zu können. Die Studie von Comes et al. (2020) ist bisher eine der wenigen Studien, die bei Patienten mit einer bipolar affektiven Störung genomweite epigenetischen Veränderung über den Zeitraum von zwölf Monaten anhand von Methylierungsraten an unterschiedlichen Zeitpunkten untersucht hat.

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