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Einführung

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Der folgende Beitrag behandelt die Geschichte Assyriens von der Mitte des 10. Jahrhunderts bis 609 v. Chr. In dieser Periode stieg Assyrien zum ersten altorientalischen Imperium auf; am Ende wurde es von den verbündeten Medern und Babyloniern für immer von der politischen Landkarte Vorderasiens getilgt.

Geographischer Ausgangspunkt – Umwelt Assyriens

Der geographische Ausgangspunkt des Beitrags ist das assyrische Kernland, das nördlich des Dschebel Hamrin am oberen Tigris lag (heutiger Nordirak). Ganz grob entsprach es der Fläche des Städtedreiecks Assur (Süden) – Arbela (Osten) – Ninive (Norden). Abgesehen von einigen isoliert liegenden Gebietsresten des Mittelassyrischen Reiches, das im 13. und 12. Jahrhundert v. Chr. geblüht hatte, beschränkte sich das assyrische Territorium Mitte des 10. Jahrhunderts v. Chr. auf dieses vergleichsweise kleine Gebiet. Die zu dieser Zeit beginnende assyrische Reconquista, welche darauf abzielte, die im offensichtlich unruhigen 11. und beginnenden 10. Jahrhundert v. Chr. verlorenen Gebiete des Mittelassyrischen Reiches wieder zu gewinnen, und der anschließende Aufstieg zum ersten altorientalischen Imperium verknüpften die Geschichte Assyriens eng mit der ganz Vorderasiens – deshalb zunächst ein kurzer Blick auf die Umwelt Assyriens in der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr.: Südlich von Assyrien erstreckte sich am Unterlauf von Euphrat und Tigris Babylonien, östlich von Babylonien und etwa deckungsgleich mit der heutigen westiranischen Provinz Huzestan lag Elam. Das Verhältnis zu Babylonien, mit dem Assyrien nicht nur in sprachlicher (Assyrisch und Babylonisch sind Dialekte des Akkadischen), sondern auch in kultureller und religiöser Hinsicht vieles gemeinsam hatte, war ein ambivalentes: Rivalität auf politischer Ebene, Respekt, wenn nicht gar Bewunderung, auf kulturell-religiöser Ebene. Die assyrisch-elamischen Beziehungen waren hingegen fast durchweg feindselig; dies nicht zuletzt deshalb, weil Elam der natürliche Verbündete Babyloniens im Kampf gegen Assyrien war. Babylonien und Elam waren alte Nachbarn, die seit vielen Jahrhunderten neben Assyrien existierten. Ein weiterer alter, wenngleich weit entfernter „Nachbar“ war Ägypten, dessen Geschichte sich im ausgehenden 8. Jahrhundert v. Chr. mit der Assyriens mehr und mehr zu verflechten begann. Zu den neuen Nachbarn zählten unter anderen der sich seit dem 9. Jahrhundert v. Chr. nördlich von Assyrien um den Vansee ausbildende Staat Urartu (im Ararathochland), das südöstlich des Urmiasees gelegene Königreich der Mannäer, ferner die vor allem westlich des assyrischen Kernlandes neu entstandenen aramäischen Fürstentümer, phönizische Stadtstaaten wie Tyros und Sidon, die aus dem Alten Testament bekannten Königreiche Israel und Juda sowie die im 8. Jahrhundert v. Chr. vornehmlich als Piraten am Horizont des assyrischen Weltreiches auftauchenden Griechen.

Quellen

Was die für die politische Geschichte Assyriens zur Verfügung stehenden Quellen angeht, so sind deren wichtigste die neuassyrischen Königsinschriften. Man hat in der Forschung angemerkt, dass diese grundsätzlich übertreiben würden und im Hinblick auf einen angeblich besonders ruhmredigen mittelassyrischen König vom „Tiglatpileser-Prinzip“ gesprochen: Das Niederbrennen eines Getreidefeldes wäre in der königlichen Berichterstattung zur Eroberung des Landstrichs geworden, in dem das Feld lag. Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass beileibe nicht alle neuassyrischen Könige ausführliche Inschriften beziehungsweise Feldzugsberichte hinterlassen haben, obwohl doch jeder von ihnen mehr als genug Gelegenheiten gehabt haben dürfte, irgendwo ein paar Felder niederzubrennen. Die Mehrzahl der überlieferten Königsinschriften stammt vielmehr von einigen wenigen besonders erfolgreichen Herrschern. Einen Titel wie „König bis hin zu den vier Rändern der Welt“ konnte man sich offenbar nicht einfach so zulegen, er musste vielmehr erkämpft werden. Natürlich sind alle neuassyrischen Königsinschriften in gewisser Weise Idealbiographien, in denen kleinere Erfolge zuweilen ausgeschmückt und Niederlagen generell verschwiegen werden, das heißt aber nicht, dass ihre Glaubwürdigkeit grundsätzlich in Frage zu stellen ist. Bisweilen ermöglichen zusätzliche Quellen auch einen ganz anderen Blick auf den in seinen Inschriften stets siegreichen assyrischen König: Asarhaddon etwa, der Eroberer Ägyptens, Liebling der großen Götter und, wie er sich auch nennt, König der Welt, erscheint im erhaltenen Briefwechsel mit seinen Ärzten als ein anscheinend chronisch kranker Mann, der unter anderem von einer schweren Hautkrankheit geplagt wurde – man vermutet lupus erythematodes disseminatus, auch bekannt als „Scheibenrose“.

Reichtum an Quellen

Hiermit deutet sich zugleich der Reichtum an Quellen an, die für die hier behandelte Epoche zur Verfügung stehen: Unter Abertausenden bisher ausgegrabenen Keilschrifttafeln finden sich zahlreiche Briefe aus dem Archiv der assyrischen Staatskanzlei, unzählige Rechts- und Verwaltungsurkunden sowie Texte religiösen und medizinischen Inhalts. Ferner wird eine literarische Tradition greifbar, zu der nicht nur die großen Texte der mesopotamischen Keilschriftkultur wie das Gilgamesch-Epos gehörten, sondern auch kleine Geschichten wie diese: „Eine Spinne spann ihr Netz für eine Fliege. Eine Eidechse schlängelte sich gegen das Netz heran zu(m Fang) der Spinne.“ Mit diesem Beispiel sei ein möglicher Gegenentwurf zur folgenden Darstellung der politischen Geschichte Assyriens angedeutet. Mit anderen Worten: Assyrien war weit mehr als nur die brutale Kampfmaschine, die uns in den Königsinschriften entgegentritt.

wbg Weltgeschichte Bd. II

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