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Strukturen des Achaimenidenreiches

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An der Spitze des Reiches stand der König, der sich in seinen Inschriften, in der Nachfolge seiner vorderorientalischen Vorläufer, als „König der Könige“, „Großkönig“ und „König auf dieser Erde gar fernhin“ bezeichnete. Durch ihre enge Verbundenheit mit „Auramazda und den anderen Göttern, die es gibt“, denen sie ihre Herrschaft verdankten und durch deren Gunst sie zum Schutz der guten göttlichen Ordnung befähigt worden waren, sowie durch den Hinweis auf ihre persische und iranische (arische) Abkunft und die Zugehörigkeit zum Achaimenidenhause unterstrichen Dareios I. und seine Nachfolger auch die iranischen Komponenten ihrer Herrschaft. Zugleich betonten sie mit der Idee eines nur den Königen aus dem Hause des Achaimenes zukommenden Erbcharismas die Legitimität ihrer Herrschaft. In der Regel ernannte der Großkönig seinen Nachfolger – zumeist den ältesten, zuweilen aber auch den ersten in Purpur geborenen Sohn. War kein Thronfolger aus der Verbindung mit der „Frau des Königs“, das heißt der „ersten“ Ehefrau, vorhanden, konnten, wie im Falle Dareios’ II., auch Abkömmlinge aus anderen Ehen den Thron besteigen, niemals aber männliche Angehörige anderer Familien, selbst wenn sie mit weiblichen Mitgliedern des Königshauses verheiratet waren. Der möglichen Gefahr von dieser Seite begegneten die Perserkönige zuweilen durch eine ausgesprochen endogame Heiratspolitik, zum Teil auch zwischen Halbgeschwistern. Thronstreit war, wie in den meisten monarchischen Systemen, ein wichtiger Krisenfaktor; im Achaimenidenreich scheint er sogar der wichtigste gewesen zu sein.

Thronfolger

Beim Tod eines Königs war es die Aufgabe des Thronfolgers, für eine würdevolle und rituell korrekte Bestattung des Vorgängers – in den kreuzförmigen Felsgräbern von Naqsch-i Rustam oder Persepolis – zu sorgen. Das bei der Thronbesteigung des Königs entzündete „Königsfeuer“ wurde dabei gelöscht und ein Kult des Verstorbenen in der Nähe des Bestattungsortes eingerichtet und aus Mitteln des Staates unterhalten. Die Krönung des neuen Herrschers fand in Pasargadai statt, dem alten Residenzort Kyros’ II. (s. Abb. S. 57). Dabei waren gleichfalls bestimmte Passageriten zu beachten, die den neuen König an die Anfänge des Reiches und der Dynastie erinnern sollten. Am Ende der Zeremonien standen dann die Übertragung der königlichen Insignien und die öffentliche Vorstellung des neuen Herrschers. In Anbetracht des Krisenpotentials des Königstodes verwundert nicht, dass der Herrscher sich nur selten der Todesgefahr im Felde aussetzte und sich ein in den Quellen als tapfer gerühmter Herrscher wie Dareios III. bei Issos und Gaugamela dem ohne Rücksicht auf Verluste auf ihn losstürmenden Alexander zu entziehen suchte.

In ihren Inschriften, auf Reliefs und auf Siegeln – in Gestalt des „königlichen Helden“, der Monster bezwingt – betonten die Achaimenidenkönige ihre besonderen Fähigkeiten auf der Jagd, im Kampfe und generell im Streit für das Gute. In einem elaborierten Erziehungscurriculum waren sie darauf und auf ihre spezifische Rolle als Herrscher von den Magiern vorbereitet worden, die sie zu diesem Zwecke auch mit den persischen Mythen und Legenden vertraut gemacht hatten. Die Perserkönige verstanden sich zudem – ganz in altorientalischer Manier – als Verteidiger und Förderer von Recht und Gerechtigkeit, und sie ließen diese Vorstellung inschriftlich und bildlich auch im ganzen Reich verbreiten. Als von Auramazda mit der Herrschaft Belehnte und als Großkönige von des Gottes Gnaden gaben sie als ihr Ziel aus, dem Recht im Reich durch einen Ausgleich zwischen Schwachen und Starken zum Durchbruch zu verhelfen, die Feinde des Rechts zu bestrafen und damit die gute Schöpfung Auramazdas – mit Gottes Hilfe – in einer politisch-ökonomischen Friedensordnung abzubilden und zu verstetigen.

Bestrafung von Rechtsbrechern

Zur Veranschaulichung dieser Ziele und dieses Selbstverständnisses bedienten sie sich in Wort und Bild, zumindest im iranischen Zusammenhang, einer zoroastrischavestischen Terminologie und Symbolik, wobei sie jungavestische, religiös-ethische Konzepte politisch transformierten. Dies gilt in besonderer Weise für die Kennzeichnung der zu bestrafenden ungerechten Untertanen und Rechtsbrecher, die als Anhänger der drauga, der Lüge, denunziert wurden: Das Unrecht dieser Personen oder Gruppen bestand dann vor allem darin, sich gegen die vorgeblich gottgewollte politische Ordnung zu stellen, das vorgeblich zu beiderseitigem Nutzen und zum Wohle des Reichsganzen geknüpfte Band zwischen Großkönig und Untertanen zu durchtrennen, den Herrschern gegenüber illoyal zu sein. Das Geschenkegeben an den König und das überreiche Vergelten des Königs – etwa durch Kleidung, Schmuck, Pferde, Privilegien und Ehrentitel – waren Kennzeichen persischer Ordnung, und elaborierte und genau zu beachtende Statusrepräsentationen machten auch den Außenstehenden klar, wer dem König wie nahe stand, und dass es sich auszahle, diesen in seinem Bemühen um Gerechtigkeit und Wohlfahrt des Reiches zu unterstützen. Der Achaimenidenhof war Spiegelbild solcher Ordnungen, wurde von griechischen Betrachtern, wie etwa von Ktesias, aber oft genug nur als Stätte von Willkür und Intrige geschildert.

Der altpersisch-avestische Terminus für das göttliche und – aus ihm abgeleitet – auch das königliche Gebot, data, ist eines der Schlüsselwörter der achaimenidischen Königsinschriften. Wegen seiner umfassenden Bedeutung, seiner Reichweite und seiner göttlichen Sanktionierung, aber durchaus auch wegen der tatsächlich spürbaren Vorzüge der auf seiner Befolgung aufgebauten pax Achaemenidica wurde das Wort nicht nur zum Kennzeichen achaimenidischer Rechtsordnung schlechthin, sondern auch in zahlreiche nichtiranische Sprachen entlehnt. Die Achaimenidenkönige entschieden – wie ihre altorientalischen Vorläufer –, Rechtsfälle zumeist nach Maßgabe lokaler Vorgaben im Wege der Einzelfallgerechtigkeit. Dass sie dabei politisch enorm klug und diplomatisch vorgingen, häufiger das Zuckerbrot als die Peitsche bemühten, ihre Untertanen auch in religiösen Angelegenheiten „nach ihrer Facon selig werden ließen“, so sie sich nicht gegen ihren Oberherrn verschworen, hat ihnen zu Lebzeiten und auch später in den Kernländern ihres Reiches den Ruf der Rechtschaffenheit, ihrer Herrschaft den der Rechtmäßigkeit und Gerechtigkeit eingebracht.

Satrapen

Das Achaimenidenreich war spätestens seit Dareios I. in Provinzen eingeteilt, die, mit einem zeitgenössisch-iranischen Terminus, als Satrapien bezeichnet werden. Statthalter einer solchen Provinz war der Satrap („Schützer des Reiches“), fast immer ein persischer oder iranischer Aristokrat, der von einem den königlichen Residenzen nachgebildeten Residenzzentrum aus, das in den eroberten Territorien vielfach der alten „Hauptstadt“ entsprach, den ihm vom Großkönig anvertrauten Reichsteil verwaltete. Im Laufe der Zeit kam es dabei in einigen Reichsteilen zu Veränderungen im Zuschnitt der Provinzen: So wurde etwa in den ersten Jahren der Regierungszeit Xerxes’ I. die Provinz, die dem alten Neubabylonischen Reich entsprach, in die Satrapien Transeuphratene (Ebir-Nari: „Jenseits des Flusses“) und Babylonien geteilt, wurden im 4. Jahrhundert Karien und Lykien zu einer Provinz zusammengefasst.

Von seinem Palast im Verwaltungszentrum aus, der auch dem König bei Visiten als Wohnung zur Verfügung stand, überwachte der Satrap den Einzug von Steuern beziehungsweise Tribut, von denen ein Teil zur Nutzung im Lande verblieb, ein anderer in die Schatzhäuser des Zentrums weitergeleitet wurde; hier unterhielt er auch ein Archiv, in das Abschriften eigener Anweisungen und Originale königlicher Edikte und Anordnungen Eingang fanden. Einige der satrapalen Paläste, die oft nach dem Vorbild der großköniglichen Palastanlagen von Susa und Persepolis gestaltet waren, sind auch archäologisch nachgewiesen worden, nicht zuletzt derjenige in Babylon. Wie in den Kernlanden des Reiches, Persis und Elam, gab es auch in den Provinzen befestigte Schatz- und Lagerhäuser, in denen Münzen, Edelmetalle und Naturalabgaben bis zur Nutzung aufbewahrt wurden. In seiner Provinz kommandierte der Satrap, dessen Amt, wohl entgegen der ursprünglichen Absicht, in einer Familie Erbgut werden konnte, einerseits die dort zu Kriegs-, Kontroll- und öffentlichen Arbeitszwecken stationierten Truppen und Garnisonen; andererseits war er, wie bereits betont, durch die Aufsicht über Finanzen und Verwaltungsangelegenheiten auch für das Wohlergehen und die wirtschaftliche Leistungskraft des ihm anvertrauten Reichsteils und seiner Bewohner verantwortlich.


Steinsarkophag von Kyros dem Großen in Pasargadai.

Autonomie und Kontrolle

Der Schein eines nach diesem Muster vereinheitlichten administrativen Institutionengefüges trügt allerdings, gab es doch sprechende Ausnahmen von der Regel: So waren etwa die Völkerschaften des Zagros mit ihren pastoralistisch-transhumanten Bevölkerungselementen nicht Bestandteil dieses Systems, waren sie doch schwer zu kontrollieren, zugleich aber militärisch – als Schleuderer und Bogenschützen – bedeutsam. Der Modus vivendi sah nun so aus, dass der Großkönig ihre Eliten regelmäßig mit Geschenken, die übrigen mit lebensnotwenigen Gerätschaften und Gütern versah und sich im Gegenzug freien Durchzug durchs Gebirge, militärische Unterstützung und den Verzicht der Bergstämme auf Überfälle und Räuberei einhandelte. Eine ähnliche Vereinbarung der Perserkönige kennen wir aus den arabischen und skythischen Territorien: Sicherten die einen daraufhin die Karawanenrouten, etwa ins persisch kontrollierte Gaza, brachten dem Herrscher „Geschenke“ (statt Tribut) in Form von Weihrauch und unterstützten ihn bei Waffengängen, so wurden die anderen, gegen nicht näher spezifizierte Privilegien und Geschenke, unverzichtbare militärische Parteigänger des Großkönigs.

In besonders wichtigen und traditionsreichen Reichsteilen, etwa in Ägypten und in Babylonien, bemühten sich die Achaimeniden und ihre Funktionäre, nicht zuletzt aus politischer Notwendigkeit, entsprechend den regionalen Traditions- beziehungsweise Legitimationsmustern zu handeln und zu repräsentieren – als Pharao beziehungsweise als legitimer babylonischer König. Unterhalb der Satrapienebene ließen die Perser ein großes Maß an lokaler Autonomie (allerdings unter strikter Aufsicht) zu: So waren etwa dem Satrapen der Transeuphratene zugleich die selbstverwaltete jüdische Tempelgemeinde im Distrikt Jehud, der Distrikt Samaria, die Ammonitis in Transjordanien unter einem eigenen Verwalter und, im 4. Jahrhundert, Idumäa in der Negevregion untertan.

Solche Formen lokaler Autonomie waren kein Zeichen eines „schwachen Reiches“, im Gegenteil: Gerade sie sicherten seinen Bestand durch die Möglichkeit, auf lokale oder regionale Bedürfnisse und Probleme angemessen und flexibel reagieren zu können, zumal die durch Garnisonen und königliche beziehungsweise satrapale Funktionäre garantierte staatliche Aufsicht jederzeit gewährleistet war. In Verbindung mit dem allem Anschein nach erfolgreichen Bemühen der persischen Großkönige um administrative Effizienz und wirtschaftliche Prosperität waren Autonomie und Kontrolle Garanten einer Ordnung, die nicht nur von den Herrschern, die sie ideologisch in Wort und Bild vertraten, sondern auch von vielen Untertanen als erfolgreiche Friedensordnung aufgefasst und erlebt wurde. Von den Krisen, die das Reich heimsuchten, waren bis zu Alexander die schwersten nicht die, die von außen angestoßen, sondern die, die im Innern ausgelöst wurden – vor allem durch Thronstreitigkeiten. Doch selbst diese stellten die Eignung der achaimenidischen Dynastie für die Beherrschung des ersten Weltreiches der Antike nicht in Frage.

Sozialer Aufstieg

Waren auch die führenden Positionen des Reiches in der Hand von Iranern, so gab es doch für die Eliten der Provinzen vielfältige Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs: durch Übernahme von mindestens ebenso wichtigen Aufgaben auf der regional-lokalen Ebene, durch Einheirat in führende iranische Familien oder gar in das Königshaus selbst – wie die Zweitfrau Artaxerxes’ I. beziehungsweise Mutter Dareios’ II. beweist – mit der Möglichkeit, „persische“ Kinder zu erhalten, oder durch Vertrautwerden mit der persischen Wertewelt und Repräsentationstradition.

Auch ein Teil der einfachen Bevölkerung konnte in den Genuss der Erfahrung imperialer Gemeinsamkeiten kommen: diejenigen etwa, die als Einheimische, Deportierte oder Zugewanderte zum Militärdienst verpflichtet waren und diesen auf der Basis eines zugewiesenen Stück Landes mit Angehörigen anderer Reichsteile ableisteten. Waren solche Pflichten nicht verlangt – und das war nach der Reichserrichtungsphase und vor den Auseinandersetzungen mit Alexander die Regel –, so war eine Abgabe in Silber fällig; später konnte im Ernstfall auch eine Ersatzperson gestellt werden. Es besteht kein Grund, mit der älteren Forschung eine militärische Schwäche des Reiches in der Spätphase wegen seiner angeblichen Abhängigkeit von griechischen und anderen Söldnern zu postulieren; die gewaltigen menschlichen Ressourcen, die Dareios III. im Kampf gegen Alexander aufbieten konnte, sprechen eine andere Sprache. „Internationalität“ war auch das Kennzeichen der Arbeitskollektive, die – wohl auf einer ähnlichen Basis wie die Militärpflichtigen – bei den großen architektonischen (Palastbauten) und infrastrukturellen Projekten zum Einsatz kamen.

Maßgeblich für das Funktionieren staatlicher Aufsicht war nicht zuletzt das exzellente Straßen- und Nachrichtenwesen, das zwar auch Handels-, vor allem aber militärischen und politischen Zwecken diente und das mit seiner Terminologie und seinen Einrichtungen noch Makedonen und Römern als Vorbild diente. Der griechische Autor Herodot und elamische Verwaltungstontäfelchen aus Persepolis dokumentieren dabei das reichsweite Straßennetz mit seinen Straßenstationen und Karawansereien, in denen Nachrichtenübermittlern, darunter den berühmten reitenden Boten, und in staatlichem Auftrag reisenden Personen unter dem Schutz von „Straßenwächtern“ gegen Vorlage ihrer Firmane (amtliche Dokumente) Unterkunft und Versorgung geboten wurde.

Wildparks und Gartenanlagen

Über das ganze Reich verteilt waren auch die großen Güter der persischen Aristokraten oder der Angehörigen des Königshauses, in der Regel von Verwaltern beaufsichtigt, zuweilen aber auch von ihnen selbst und ihren Familienangehörigen bewohnt. Aus Mysien sind uns solche Güter bekannt, die, mit einem befestigten und von Soldaten gesicherten Turmgebäude versehen, zum Teil von „Militärsiedlern“ bewohnt wurden, die im Notfall – zusammen mit Soldaten der nächstgelegenen Garnisonen – dem Gutsherrn zu Hilfe kommen und von ihm im Kriegsfalle zu den Waffen gerufen werden konnten. Auch königliche Domänen lagen über das Reich verstreut, oft genug in Form von Wildparks und Gartenanlagen (paradeisoi) gestaltet, die mit ihrer beeindruckenden Anlage und ihren zum Teil exotischen Tieren und Pflanzen nicht nur Nachahmer außerhalb des Reiches finden, sondern – in der Septuaginta – begrifflich auch den berühmten Garten Eden des Buches Genesis fassen sollten. Den wirtschaftlichen Erfolg dieser Güter, aber auch der Landwirtschaft insgesamt, versuchten die Großkönige nicht zuletzt durch Bewässerungsgroßprojekte zu gewährleisten: in Babylonien durch die Pflege und den Ausbau des Kanalsystems, für die eigene Funktionäre angestellt waren; in Baktrien gleichfalls durch die Weiterführung älterer Vorbilder; in Nordiran durch den Ausbau des bekannten, typisch iranischen Qanatsystems, das dann etwa auch in einer der ägyptischen Oasen zur Anwendung kam. Besonders erfolgreich waren die Achaimeniden beim Landesausbau in ihrer Heimat, der Persis (heute Fars): Archäologische Surveys erwiesen diese Region am Ende der Perserzeit als dichtbesiedelt, mit zahlreichen Städten und Dörfern unterschiedlichster Größe.

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