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Das Imperium (744 bis 631 v. Chr.)

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Tiglatpileser III.

Unter Tiglatpileser III. (744–727 v. Chr.) kam die assyrische Expansion wieder in Gang, und das mit einer bisher nicht dagewesenen Effizienz. Ab jetzt berichten die Königsinschriften vermehrt über die Einrichtung neuer Provinzen, die von assyrischen Beamten verwaltet wurden. Die bisher vorwiegend praktizierte indirekte Herrschaft (Vasallensystem) trat damit hinter einem System zurück, welches auf direkte Kontrolle setzte.

Einige wichtige Wegmarken der Entwicklung Assyriens zum ersten altorientalischen Imperium waren Feldzüge in den heutigen Westiran gegen das Königreich Parsua (nicht mit der späteren Persis/Fars identisch; 744 v. Chr.) und die Mederfürsten (737/736 v. Chr.), der Sieg über ein vom urartäischen König angeführtes Bündnis der nordwestlichen Nachbarn Assyriens (743 v. Chr.), die Einnahme der zu dieser Koalition gehörenden nordsyrischen Stadt Arpad nach dreijähriger Belagerung (741 v. Chr.), Vorstöße entlang der Küste Palästinas bis nach Gaza, die Einnahme von Damaskus (733/2 v. Chr.) und die Intervention in Babylonien, die mit Tiglatpilesers III. Krönung zum König von Babylon endete (729 v. Chr.).

Deportationen

Es bleibt, nach den Gründen für die plötzlichen und vor allem nachhaltigen Erfolge Tiglatpilesers III. zu fragen. Warum die Assyrer nun auch Großstädte wie Arpad und Damaskus einnehmen konnten, ist nicht ganz klar. Hinweise auf innovative Belagerungstechniken fehlen. Auffällig ist jedoch, dass in Königsinschriften seit der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. von den „Heeresmassen Assurs“ die Rede ist, was auf eine deutlich erhöhte Truppenstärke schließen lässt. Fraglich bleibt allerdings, wie diese zustande kam. Ferner wurde jüngst darauf hingewiesen, dass sich die lokalen Machthaber in assyrischen Vasallenstaaten im Laufe der Zeit immer mehr auf die assyrische Schutzmacht und kaum noch auf die eigene Bevölkerung gestützt haben: In assyrischen Feldzugsberichten ist mehrfach nachzulesen, dass es aufständischen Vasallenherrschern dann oft nicht mehr gelang, die eigene, zuvor vernachlässigte Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen. Diese öffnete vielmehr den anrückenden Assyrern die Stadttore. Zu den wichtigsten Maßnahmen, mit denen Tiglatpileser III. und seine Nachfolger ihre Herrschaft stabilisierten, gehörten groß angelegte Deportationen. Von Zwangsumsiedlungen berichten zwar schon die Inschriften seiner Vorgänger, unter Tiglatpileser III. stieg die Zahl der Deportierten jedoch stark an. Knapp 400.000 Männer, Frauen und Kinder mussten ihre Häuser und, was vielleicht noch schwerer ins Gewicht fiel, auch ihre Heiligtümer und die Gräber ihrer Angehörigen zurücklassen, womit sie wichtiger Elemente ihrer kulturellen Identität beraubt wurden. Im Hintergrund stand dabei nicht nur der stets wachsende Bedarf an Arbeitskräften und Soldaten, sondern auch die Absicht der assyrischen Könige, eine möglichst heterogene Bevölkerung zu formen, deren einzelne Gruppen einander mit Misstrauen begegneten. Letzteres sollte der permanenten Gefahr von Aufständen entgegenwirken.

Salmanassar V.

Die Quellen zur Herrschaft Salmanassars V. (726–722 v. Chr.) fließen spärlich. Möglicherweise hat man nach seinem Tod versucht, die Erinnerung an ihn auszulöschen, da er es offensichtlich gewagt hatte, verschiedenen assyrischen Städten, darunter auch Assur, ihre Privilegien zu entziehen. Diese bestanden vor allem darin, dass sie von Abgaben und Dienstleistungen befreit waren. Von den Reformversuchen Salmanassars V. wissen wir nur aus den Inschriften Sargons II., der berichtet, dass er die alten Privilegien erneut gewährt hat. Die wichtigsten Ereignisse während der kurzen Regierung Salmanassars V. waren seine Krönung zum König von Babylon und die nur in einer babylonischen Chronik vermerkte Eroberung Samarias. Kurz nach dem Fall Samarias (Herbst 722 v. Chr.), mit dem das Nordreich Israel von der politischen Landkarte Vorderasiens verschwand, starb Salmanassar V. (Winter 722/721 v. Chr.) und Sargon II. kam an die Macht. Unter welchen Umständen er den Thron bestiegen hat, ist nicht ganz klar. Als gesichert kann jedoch inzwischen gelten, dass Sargon II. ein Sohn Tiglatpilesers III. war und damit zumindest der königlichen Familie entstammte. Die Eroberung Samarias, bei der er zugegen war, hat er sich später übrigens selbst zugeschrieben.

Sargon II.

Gleich zu Beginn der Herrschaft Sargons II. (722–705 v. Chr.) erhoben sich im Westen des Reiches Damaskus (assyrische Provinz seit 732 v. Chr.), Simirra (das antike Simyra; Provinz seit 738 v. Chr.), Arpad (Provinz seit 740 v. Chr.), Hamath (738/732 v. Chr. annektiert) und auch das erst kurz zuvor eroberte Samaria. Bei Qarqar am Orontes wurde die Koalition jedoch von einer assyrischen Armee vernichtend geschlagen (720 v. Chr.). Der Umstand, dass im anschließend eroberten Hamath verbannte Assyrer angesiedelt wurden, ist angesichts des geringen zeitlichen Abstandes zum Regierungsantritt Sargons II. als Indiz dafür zu werten, dass es dabei auch im assyrischen Kernland zu Unruhen gekommen war. Im Gegenzug wurden die Bewohner Hamaths und später dann auch noch Kriegsgefangene aus Babylon und Kutha (ab 710 v. Chr.) in Samaria angesiedelt, das jetzt zu einer assyrischen Provinz wurde. Zweihundert Streitwagen aus Samaria integrierte Sargon II. in seine Garde und stationierte sie in Kalchu.

Meer und Wüste

Der Westen des Reiches blieb indes auch weiterhin Kriegsschauplatz: In den folgenden Jahren stießen assyrische Truppen bis an die Grenze Ägyptens vor, Juda entrichtete Tribut, Asdod (biblisch und modern Aschdod) wurde mit weiteren Städten Palästinas zur südlichsten assyrischen Provinz (711 v. Chr.). Währenddessen kam es im Nordwesten des Reiches zu Kämpfen zwischen dem assyrischen Statthalter von Que (das klassische Kilikien; von Salmanassar V. erobert) und Mita von Muschku, hinter dem sich niemand anderes als Midas von Phrygien verbirgt. 709 v. Chr. bat er Sargon II. um Frieden und versprach, fortan Tribut und Steuern zu zahlen. Bereits für 715 v. Chr. vermerken die Inschriften Sargons II. ionische Piraten, die Kilikien und Tyros bedrohten; sie wurden in einer Seeschlacht besiegt. Die hier zum Einsatz kommende Flotte war allerdings keine assyrische, sondern die der Bewohner des Landes Hatti (Nordsyrien). Das Meer und die Wüste waren zwei Bereiche, in welche die Assyrer nur mit fremder Hilfe vordringen konnten. Dennoch unterwarfen sich im Jahr 708 v. Chr. sogar sieben Könige Zyperns, „das in einer Entfernung von sieben Tagen mitten im Meer von Sonnenuntergang liegt“.

Im Norden, Osten und Süden wurde ebenfalls gekämpft. Das nördlich von Assyrien gelegene und nach einer verheerenden Niederlage gegen Tiglatpileser III. (743 v. Chr.) inzwischen wieder erstarkte Reich Urartu wurde zwischen 717 und 714 v. Chr. bekämpft. 714 v. Chr. war Urartu das Ziel eines groß angelegten Feldzugs. Unsere wichtigste Quelle hierfür ist ein Brief an den Reichsgott Assur, in dem Sargon II. in einer bisher nicht dagewesenen Ausführlichkeit und hochliterarischen Sprache berichtet, wie er durch das östlich von Assyrien gelegene Gebiet der Mannäer zum Urmiasee und damit ins Zentrum des urartäischen Reiches vordrang. Die Einnahme der Hauptstadt Tuschpa blieb Sargon II. zwar versagt, er konnte jedoch ein urartäisches Heer schlagen und auf dem Rückweg mit der Plünderung des urartäischen Kultzentrums Musasir einen weiteren Erfolg verbuchen, der ihm eine riesige Beute bescherte. Vom urartäischen König wird berichtet, dass ihn diese Ereignisse in tiefe Verzweiflung gestürzt haben, in den Annalen Sargons II. heißt es sogar: „Mit seinem eigenen Schwert durchbohrte er sein Herz so, wie (man) ein Schwein (absticht), und machte so seinem Leben ein Ende.“ Sargon II. selbst will übrigens während des ganzen Feldzugs nur fünf Männer verloren haben.

Tod Sargons II.

Im Süden musste Sargon II. gegen Babylonien zu Felde ziehen. Dort hatte der chaldäische Fürst Marduk-apla-iddina (Merodach-Baladan) die Wirren nach dem Tod Salmanassars V. (Winter 722/721) genutzt, um in Babylon die Macht zu ergreifen (721–710 v. Chr.). Als Sargon II. 710 v. Chr. mit einem großen Truppenaufgebot in Babylonien erschien, vermochte ihm Marduk-apla-iddina nichts entgegenzusetzen. Seine Hausgötter und die Gebeine der Ahnen im Gepäck floh er ins babylonisch-elamische Grenzgebiet, wo er auf einen günstigen Zeitpunkt zum Gegenschlag wartete. Den leeren Thron von Babylon bestieg Sargon II. Er blieb noch bis 707 v. Chr. in Babylonien, um die Marduk-apla-iddina unterstützenden chaldäischen Stammesgebiete im Süden zu unterwerfen. Kurz nach seiner Rückkehr aus Babylonien konnte Sargon II. seine seit 717 v. Chr. im Bau befindliche neue Residenz Dur-Scharru-(u)kin („Sargonsburg“) einweihen (706 v. Chr.). Bevölkert wurde sie ebenso wie 864 v. Chr. Kalchu mit Kriegsgefangenen aus allen Teilen des Reiches, die von Sargon II. „eines Mundes“, das heißt gehorsam, gemacht worden waren. Ein Jahr später kam Sargon II. auf einem Feldzug in Anatolien ums Leben. Dass sein Leichnam nicht geborgen und in Assur königlich bestattet werden konnte, war für seine Zeitgenossen, insbesondere für seinen Sohn und Nachfolger Sanherib, eine beinahe noch größere Katastrophe. Die Konsequenzen dieses schlimmen Todes waren wahrscheinlich auch dem assyrischen Gelehrten Nabu-zuqupkenu bewusst, der zu dieser Zeit die 12. Tafel des Gilgamesch-Epos kopierte. Gilgamesch fragt hier den noch einmal für kurze Zeit aus der Unterwelt zurückgekehrten Enkidu: „Sahst du den, dessen Leichnam in die Steppe geworfen ist?“ – „Ich sah ihn. Sein Totengeist findet in der Unterwelt keinen Schlaf.“ Sanherib jedenfalls nutzte die neue Residenz nicht weiter, sie wurde zum Sitz eines Provinzgouverneurs degradiert. Der sich hier abzeichnende Motivkomplex eines weltherrscherlichen Bauvorhabens, des „einen Mundes“ und dem plötzlichen Ende des Projekts ist von theologischer Seite als mögliche Grundschicht der berühmten, später dann umgearbeiteten Turmbauerzählung in Genesis 11,1–9 ausgemacht worden.

Regierungszeit Sanheribs

Auch die Regierungszeit Sanheribs (704–681 v. Chr.) begann mit Aufständen in verschiedenen Teilen des Reiches. In Babylonien nutzte Marduk-apla-iddina erneut den Machtwechsel in Assyrien, um den Thron von Babylon zu besteigen. Sanherib brach noch Ende des Jahres 704 v. Chr. an der Spitze seiner Truppen nach Süden auf. Marduk-apla-iddina blieb nur die erneute Flucht in die südlichen Sumpfgebiete. Sanherib zog unterdessen in Babylon ein; im Jahr 703 v. Chr. unternahm er noch einen Feldzug gegen die südbabylonischen Stämme. Zum König ließ sich Sanherib – entgegen der Politik seiner Vorgänger – aber nicht krönen, stattdessen installierte er einen am assyrischen Hof aufgewachsenen Babylonier namens Bel-ibni als Marionettenkönig. Im Jahr 701 v. Chr. zog Sanherib gegen die revoltierenden Städte Phöniziens und Palästinas. Der genaue Verlauf dieses Feldzugs lässt sich anhand der Quellen nicht sicher rekonstruieren, die wichtigsten Ereignisse sind folgende: Mehrere aufständische phönizische Küstenstädte, darunter Sidon, werden unterworfen. Sanherib empfängt die Tribute der phönizischen Stadtstaaten und anderer Königreiche (Ammon, Moab, Edom). Der König von Askalon, der sich nicht unterwerfen will, wird mitsamt seiner Familie nach Assyrien deportiert und durch einen pro-assyrischen Herrscher ersetzt. Bei Elteke besiegen die Assyrer ein ägyptisches Heer. Dieses war von den Bewohnern der Stadt Ekron herbeigerufen worden, nachdem sie ihren pro-assyrischen König Padi entmachtet und an König Hiskija von Juda (727–698 v. Chr.) ausgeliefert hatten. Die Assyrer erobern Elteke, Thimna und Ekron. Sanherib zieht gegen Juda und dessen abtrünnigen König Hiskija. 46 Städte, darunter Lachisch, werden erobert und 200.150 Menschen deportiert. Die eroberten Städte werden den Territorien assyrischer Verbündeter zugeschlagen. Die Belagerung Jerusalems bleibt erfolglos. Hiskija lässt dennoch Padi von Ekron frei und zahlt Tribut.

Kämpfe in Babylonien

Im folgenden Jahr musste Sanherib schon wieder in Babylonien intervenieren. Die neuerlichen Unruhen, an denen sich auch wieder Marduk-apla-iddina beteiligte, wurden niedergeschlagen, und der erfolglose Bel-ibni wurde als König von Babylon abgesetzt. Sein Nachfolger wurde Sanheribs Sohn Assur-nadin-schumi. Zwischen 700 und 694 v. Chr. konzentrierte sich Sanherib ganz auf den Ausbau seiner neuen Hauptstadt Ninive. Diese suchte er nicht nur mit zahlreichen Prachtbauten zu schmücken, sondern durch groß angelegte Wasserbauten auch in ein Ackerbauzentrum zu verwandeln. 694 v. Chr. ließ Sanherib seine Truppen über den Persischen Golf auf elamisches Gebiet übersetzen, um dorthin ausgewichene Chaldäer anzugreifen. Hinter diesem Vorstoß stand zweifellos der Versuch, Südbabylonien endlich nachhaltig zu befrieden. Sanherib provozierte mit dieser Aktion jedoch einen militärischen Gegenschlag des elamischen Königs, der mit der Verschleppung seines in Babylon residierenden Sohnes Assur-nadin-schumi endete. Einem ca. zwanzig Jahre nach diesen Ereignissen verfassten Brief zufolge waren es hochrangige babylonische Verschwörer, die ihn den Elamern und damit wahrscheinlich dem Tod überantwortet haben. Der von den Elamern als neuer König von Babylon eingesetzte Nergal-uschezib konnte zwar 693 v. Chr. noch die assyrientreue Stadt Nippur erobern, vor deren Toren wurde er jedoch kurz darauf, nach verlorener Schlacht gegen ein assyrisches Heer, gefangengenommen. Während der elamische König zuhause einer Verschwörung zum Opfer fiel und die Assyrer von Winterstürmen zum Abbruch eines Feldzugs gegen Elam gezwungen wurden, konnte der Chaldäer Muschezib-Marduk Ende 693 v. Chr. ungestört den babylonischen Thron usurpieren. Angesichts der bevorstehenden Rückkehr der Assyrer schickte er sofort reiche Bestechungsgeschenke an den neuen elamischen König, der dann 691 v. Chr. in der Schlacht von Halule auch an seiner Seite gegen die zurückgekehrten Assyrer kämpfte. Während Sanherib in seinen Inschriften den Sieg für sich beansprucht, vermeldet eine babylonische Chronik die Zurückweisung der Assyrer. Wahrscheinlich entspricht dieses Unentschieden genau dem Ausgang der Schlacht, nach der sich offensichtlich alle Beteiligten geschwächt zurückziehen mussten. Ab 690 v. Chr. wurde Babylon von assyrischen Truppen belagert. Muschezib-Marduk war offensichtlich nicht mehr willens oder in der Lage, den Assyrern noch einmal in offener Feldschlacht entgegenzutreten. Nach der Einnahme der Stadt, die erst Ende 689 v. Chr. gelang, war Sanherib anscheinend entschlossen, das „babylonische Problem“ endgültig zu lösen: Mit der Umleitung des Flusses Euphrat sollte das politische Fundament Babylons hinweggespült werden; mit der Ersetzung des babylonischen Gottes Marduk durch Assur im Weltschöpfungsgedicht »Enuma elisch« und der Verlegung des Neujahrsfestes in die Stadt Assur wurde Babylon auch in kultisch-ideologischer Hinsicht entbehrlich. Die spektakuläre Zerstörung Babylons könnte sogar dem Dichter der »Ilias« zu Ohren gekommen sein und ihn dazu inspiriert haben, seine Achaier noch im zehnten Jahr vor Troia eine Lagerbefestigung bauen zu lassen, die später vom Meeresgott Poseidon vollständig zerstört wird.

Änderung der Thronfolge

Für die Jahre von 688 bis 681 v. Chr. gibt es keine ausführlichen Inschriften Sanheribs mehr. Die wichtigste Maßnahme Sanheribs in diesem Zeitraum ist die Änderung der Thronfolge (683 v. Chr.). Den bisherigen Platz Arda-Mullissus nahm nun der junge Prinz Asarhaddon ein, wahrscheinlich auf Betreiben seiner Mutter Naqia/Zakutu. Wie wenig gefestigt die Stellung des neuen Thronfolgers war, zeigen ein überlieferter Vertrag, der alle Großen des Reiches zur Loyalität gegenüber Asarhaddon verpflichtete, und der Umstand, dass er – wahrscheinlich aus Sorge um seine Sicherheit – in den Westen des Reiches geschickt wurde, aus dem auch seine Mutter stammte. Zwei Jahre später ist Sanherib ermordet worden – sehr wahrscheinlich von dem zurückgesetzten Arda-Mullissu, dem biblischen Adrammelech. Asarhaddon kehrte daraufhin eilends aus dem Westen zurück. Der Aufstand Arda-Mullissus und weiterer (Halb-)Brüder Asarhaddons brach nach nur eineinhalb Monaten zusammen, vor allem deshalb, weil die Truppen der Aufständischen scharenweise zu Asarhaddon überliefen. Zu den wichtigsten Maßnahmen während Asarhaddons Herrschaft zählte der Befehl zum Wiederaufbau Babylons (seit frühestens 679 v. Chr.). Damit nahm er die Babylonienpolitik von Sanheribs Vorgängern wieder auf.

Eroberung Ägyptens

Das herausragende militärische Ereignis der 70er Jahre war zweifellos die Eroberung Ägyptens. Nach einem ersten gescheiterten Invasionsversuch (Februar 673 v. Chr.) gelang einer assyrischen Armee zwei Jahre später die Durchquerung des wasserlosen Sinai. Möglich war dies durch den Rückgriff auf nomadische „Technologie“. Erst der Einsatz von Lastkamelen, die offensichtlich der auch aus Genesis 25,13 bekannte arabische Stamm Mibsam zur Verfügung stellte, ermöglichte es, genügend Wasserschläuche mitzuführen und die gewaltigen Sanddünen des Sinai zu überwinden. Dass mit dem Sinai eine Grenze überschritten wurde, die nicht nur eine physische, sondern auch eine mythische Barriere darstellte, zeigt ein fragmentarischer Bericht über den Vormarsch nach Ägypten, der ein geographisches und ein mythisches Raumbild kombiniert und damit in der assyrischen Annalistik ohne Parallelen dasteht: Das geographische Raumbild finden wir bei der Schilderung des Marsches entlang der den Assyrern bekannten Küste Palästinas. Charakteristisch hierfür sind itinerarartige Orts- und Entfernungsangaben. Nach dem Betreten des Sinai ist das geographische Raumbild in Form der Entfernungsangaben zwar weiterhin präsent, neben dieses tritt mit der Erwähnung von zweiköpfigen und gelbgrünen, die Flügel spreizenden Schlangen aber noch ein mythisches Raumbild mit wertmäßiger Tönung. Die genannten Fabelwesen verweisen hier trotz des Umstandes, dass es sich bei den geflügelten Schlangen offensichtlich um Lokalkolorit handelt, welches sich auch bei Jesaja und Herodot findet, weniger auf einen konkreten Raum, sondern eher auf einen bestimmten Raumtyp. Bei diesem handelt es sich um den gefährlichen Bereich außerhalb der geordneten Welt, die mit der Stadt und dem kultivierten Umland identisch ist. Die Ägypter unterlagen in drei kurz aufeinander folgenden Schlachten (22. Juni, 5. und 7. Juli 671 v. Chr.). Am 11. Juli 671 v. Chr. wurde Memphis eingenommen und geplündert. Zu diesem Zeitpunkt operierte die assyrische Armee ca. 1900 km von der Hauptstadt Ninive entfernt, das sind 95 Tagesmärsche à 20 km.


Granitstele: Der assyrische König Asarhaddon führt die Besiegten am Nasenring. 7. Jh. v. Chr.

Weitere militärische Aktionen Asarhaddons richteten sich gegen die aus der eurasischen Steppe stammenden Kimmerier, welche in den vorangehenden Jahrzehnten sowohl Urartu (707 v. Chr.) als auch Phrygien (nach 695 v. Chr.) erfolgreich angegriffen hatten, und gegen die aufständische phönizische Hafenstadt Sidon, die 677/676 v. Chr. erobert, geplündert und vollständig zerstört wurde. Die danach an anderer Stelle neu gegründete Hafenstadt Kar-Asarhaddon („Asarhaddon-Hafen“) diente vermutlich dazu, einen Wirtschaftskrieg gegen das ebenfalls phönizische Tyros zu entfesseln, das sich daraufhin von Assyrien ab- und Ägypten zuwandte. Nach dem ersten erfolglosen assyrischen Angriff auf Ägypten (673 v. Chr.) sagte sich Tyros endgültig von Assyrien los, seit 671 v. Chr. blockierte es zusammen mit dem phönizischen Stadtstaat Arwad mehrere Jahre lang die assyrischen Stützpunkte an der Mittelmeerküste. Die noch im selben Jahr während des assyrischen Vormarschs auf Ägypten begonnene Belagerung von Tyros blieb erfolglos, da die auf einer Insel gelegene Stadt für die assyrischen „Landratten“ praktisch uneinnehmbar war. Zur endgültigen Beilegung des Konflikts mit Tyros und Arwad kam es offensichtlich erst unter Assurbanipal, wobei hervorzuheben ist, dass beide Städte anscheinend nicht militärisch besiegt wurden. Asarhaddon starb 669 v. Chr. auf dem Weg nach Ägypten. Die Nachfolge hatte er schon 672 v. Chr. geregelt: Sein ältester Sohn Schamaschschum-ukin wurde König von Babylon, der jüngere Assurbanipal bestieg den Thron Assyriens.

Assurbanipal

Assurbanipals Herrschaft (668–631 v. Chr.) begann mit einem Restitutionsversuch des von Asarhaddon besiegten Pharaos Taharqa (690–664 v. Chr.). Dieser konnte sich jedoch nicht gegen ein schnell entsandtes assyrisches Heer behaupten und wurde wieder nach Süden zurückgedrängt (667 v. Chr.). Während eines weiteren Feldzugs drangen Assurbanipals Truppen sogar bis nach Theben vor, das 664 v. Chr. erobert und geplündert wurde. Auf Dauer konnten sich die Assyrer jedoch nicht in Ägypten halten; Mitte der fünfziger Jahre gewann Ägypten unter Psammetich I. (664–610 v. Chr.) seine Selbständigkeit zurück (s. Beitrag „Das Alte Ägypten“ in Band I). Zu einem bemerkenswerten Kontakt mit der Welt der antiken Geschichtsschreibung kam es Mitte der 60er Jahre, als eine Gesandtschaft des lydischen Königs Gyges bei Assurbanipal eintraf und dessen Hilfe gegen die in Kleinasien eingefallenen Kimmerier erbat. Die lydisch-assyrischen Beziehungen waren aber nicht von Dauer, da sich Gyges schon bald nach Ägypten orientierte. Dies erwies sich indes als schwerer Fehler, denn nun schlossen die Assyrer einen Nichtangriffspakt mit den Kimmeriern. Kurz darauf griffen diese unter ihrem König Tugdamme (Lygdamis) Lydien an und zerstörten die Hauptstadt Sardes (um 645 v. Chr.). Gyges fiel im Kampf. Sein Sohn und Nachfolger unterhielt dann wieder gute Beziehungen zu Assyrien.

Konflikt zwischen den Brüdern

Zum größten Problem der ersten beiden Jahrzehnte von Assurbanipals Herrschaft wurde das sich stetig verschlechternde Verhältnis zu seinem in Babylon regierenden Bruder Schamasch-schum-ukin. Zum offenen Konflikt kam es 652 v. Chr., als dieser Assurbanipal am Betreten der Heiligtümer von Babylon hinderte. Der Bruderkrieg endete erst 648 v. Chr. mit der Eroberung Babylons, bei der Schamasch-schum-ukin den Tod fand. Als neuen König von Babylon setzte Assurbanipal einen Mann namens Kandalanu ein (647–627 v. Chr.), über den es keine weiteren Nachrichten gibt. Nur wenig später wurde Elam angegriffen, das ebenso wie die in Südbabylonien ansässigen aramäischen und chaldäischen Stämme Schamasch-schum-ukin unterstützt hatte (648/647). Einen nachhaltigen Erfolg brachte aber erst ein zweiter Feldzug im folgenden Jahr, der mit der Eroberung und Plünderung der elamischen Hauptstadt Susa endete (646 v. Chr.). Für Elam bedeutete dies die zweite große Niederlage gegen Assyrien in nur wenigen Jahren, denn es hatte bereits 653 v. Chr. eine große Schlacht mitsamt dem König verloren. Völlig unklar ist hingegen, was sich während der Regierung Assurbanipals in Urartu abspielte. Abgesehen von der Erwähnung zweier urartäischer Gesandtschaften (653 und um 643 v. Chr.) schweigen die Inschriften Assurbanipals über die Ereignisse im Norden. Möglicherweise ist Urartu irgendwann zwischen 640 und 625 v. Chr. von den Skythen überrannt worden. Mit Urartu im Norden und Elam im Südosten verschwanden unter Assurbanipal zwei der gefährlichsten Nachbarn Assyriens von der politischen Landkarte Vorderasiens. Die Unterwerfung der Mannäer (ca. 660 v. Chr.) sorgte für Ruhe im Nordosten; seinem Mederfeldzug (um 658 v. Chr.) hat Assurbanipal offensichtlich nur wenig Bedeutung beigemessen, da er in dessen späten Inschriften gar nicht mehr erwähnt wird. Der Aufstieg Mediens zu einer neuen Großmacht stand noch bevor. Die letzten eineinhalb Jahrzehnte von Assurbanipals Herrschaft liegen weitestgehend im Dunkeln: Ab 645 v. Chr. fehlen Annalen, nach 639 v. Chr. gibt es keine datierbaren Inschriften mehr von ihm. Die letzte nach Assurbanipal datierende Urkunde stammt aus dem Jahr 631 v. Chr.

Bibliothek

Das Bemühen, das gesamte Wissen seiner und früherer Zeiten zu sammeln, hat Assurbanipal mit der Wiederentdeckung seiner großartigen Bibliothek in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beinahe den Ruf eines „Scottschen Antiquars“ beschert. Dieses Image passt aber nicht so recht zu einem Herrscher, der sich in seinen Inschriften zwar durchaus seiner Weisheit rühmt, generell aber der Topik seiner Vorgänger verhaftet bleibt – etwa wenn er ausführlich beschreibt, welches Schicksal er den babylonischen Rebellen angedeihen ließ: „Ihre Gesichtszüge verstümmelte ich, ihre Häute zog ich ab, ich zerstückelte ihr Fleisch.“

wbg Weltgeschichte Bd. II

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