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Einleitung
ОглавлениеDie Geschichte des antiken Nahen Ostens, aber auch des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Austausches zwischen Europa und Asien in jener Zeit, wurde im Zeitraum zwischen ca. 550 v. Chr. und 650 n. Chr. maßgeblich von drei Großreichen bestimmt, deren ursprüngliche Zentren in der Großregion lagen, die ihre Bewohner in der Antike „Iran“ nannten. Unterbrochen wurde die Zeit der teispidisch-achaimenidischen, der parthischen und der sasanidischen Herrschaft über den Vorderen Orient von den Reichen Alexanders des Großen und seiner seleukidischen Nachfolger. Allerdings haben sich auch diese nicht den Einflüssen der vorderorientalischen Großreiche entziehen können, wie ihre Einrichtungen und Gepflogenheiten umgekehrt, nicht zuletzt dank der königlichen Förderung griechisch-makedonischer Bevölkerungselemente und kultureller Traditionen, Einfluss auf die Reiche der Parther und Sasaniden nehmen konnten.
„Griechische Freiheit“ – „orientalische Despotie“
Die Geschichte der Beziehungen zwischen den iranischen Großreichen und Griechenland beziehungsweise Rom und Ostrom wird in zahlreichen europäischen Darstellungen bis heute oft genug immer noch ausschließlich aus westlicher Warte, das heißt als Teil der Geschichte Griechenlands und Roms, geschrieben. Sie wird weiterhin als Geschichte stetiger Auseinandersetzungen zwischen den Staaten des Westens und des Ostens und als Begegnung zwischen einer uns Europäern angeblich vertrauten „westlichen“ (teilweise fällt auch bereits das Wort „europäischen“) und einer fremden Welt vorgestellt, die oft genug, nach antikem Vorbild, als eine regelrechte „Gegenwelt“ verstanden wird. Der Verweis auf das bis heute geschichtsmächtige Gegensatzpaar „griechisch(-europäisch)e Freiheit“ hier, „orientalischer Despotismus“ dort oder auf die Kennzeichnung der Schlacht von Salamis als „Geburtsstunde Europas“ mag hier genügen. Die Geschichte europäischer Identifikationen beweist allerdings, „dass sich Selbst- und Fremdbilder Europas stets in der Auseinandersetzung mit inner- und außereuropäischen ‚Anderen‘ kristallisierten. Differenzerfahrungen sind die Grundlage europäischer Zugehörigkeitsgefühle; zugleich entscheidet die Deutung dieser Differenzen über den Inhalt dessen, was als spezifisch europäisch wahrgenommen wird. Wofür Europa jeweils steht, ist deshalb abhängig von den Konfrontationen, in die sich Europäer begeben, und von den Antipoden, die sie sich zu ihrer Selbstbestimmung auswählen.“ (Ute Frevert)
Das in Griechenland – von Herodot und Ktesias – grundgelegte Schema einer Abfolge von Weltreichen, das später in Europa in der translatio-imperii-Idee weiterlebte und bis heute, in seinen chiliastisch-apokalyptischen Bezügen, in westlichen fundamentalistischen Kreisen immer noch virulent ist, hat zudem, zusammen mit der Hegelschen Idee von Weltgeschichte, den nahöstlichen Reichen und Kulturen, darunter auch den iranischen, nicht mehr als die Rolle eines Kindheitsstadiums der Weltgeschichte zuerkannt und darüber hinaus die Verbindungen dieser Kulturen nach Osten und in Richtung auf den späteren islamischen Vorderen Orient gekappt. Die Rolle der antiken iranischen Großreiche erschöpft sich nun aber gerade nicht darin, den großen Gegenspieler oder auch Partner der Griechen und Römer abgegeben zu haben; sie ist vielmehr unter anderem auch dadurch bestimmt, dass die politische Einigung des Nahen Ostens unter ihrer Ägide kulturelle, religiöse und weltanschauliche Entwicklungen und Vermittlungen erlaubte, die nach Westen und Osten und in die Räume des Reiches selbst hinein ausstrahlten und historisch bedeutsam wurden. Hier sei nur an wissenschaftlich-technische Errungenschaften wie das Bewässerungs-, Straßen- und Nachrichtenwesen sowie die Park- und Gartenkultur (paradeisos), an die Vermittlung und den Transport von Waren, aber auch von bis dahin „exotischen“ Tieren und Pflanzen auf Seiden-, Weihrauch- und „Königsstrassen“ sowie an die Entwicklung von religiösen Ideen im parthisch und sasanidisch beherrschten Zweistromland und in Iran und ihre Vermittlung nach Osten und Westen erinnert.
Nicht nur in Europa ist bis heute eine gerechte „Würdigung“ der historischen Rolle der iranischen Großreiche unterblieben; auch im heutigen Nationalstaat Iran – der ja nur einen Teil des antiken Irans ausmacht, zu dem damals etwa auch weite Gebiete Afghanistans, Turkmenistans, Usbekistans und Tadschikistans gezählt wurden – wird sie nicht vorurteilsfrei betrieben: Den aus der westlichen Tradition in der Schahzeit nach Iran reimportierten Teispiden/Achaimeniden wird dabei in der iranischen – und exiliranischen – Elite eine Rolle zugeschrieben – etwa dem Kyros als dem angeblichen Begründer der Idee der Menschenrechte –, die ihnen historisch nicht zukommt; die in der iranischen Tradition stark verankerten Sasaniden werden hingegen in denselben Kreisen weniger als kulturelle Vermittler, vielmehr als die großen Gegenspieler der Turanier im Osten – die oft genug mit den Türken gleichgesetzt werden – und der Bewohner „Rums“ im Westen (Griechen und Römer, Europäer), zuweilen auch der Araber im Süden verstanden. Die Parther sind, aufs Ganze gesehen, in Ost wie in West gleichermaßen unbekannt.