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Von den Anfängen bis zur Entstehung der Monarchie
ОглавлениеDas „Land Israel“
Schauplatz der Geschichte des antiken Israel ist das „Land Israel“, das in der Bibel auch „Land Kanaan“ und in hellenistisch-römischen Quellen „Palästina“ (Philisterland) heißt. Das Land ist Teil der syrisch-palästinischen Landbrücke, die sich entlang der östlichen Mittelmeerküste erstreckt und im Westen das Meer, im Osten und Süden die Wüste sowie im Norden die Gebirge Kleinasiens als natürliche Grenzen hat. Es besteht aus zwei geographischen Zonen: der Küstenebene und einem Kalksteinmassiv, das durch den Jordan und seine Reliktseen in die zwei Hälften des West- und des Ostjordanlandes geteilt und auch in ostwestlicher Richtung durch tektonische Erschütterungen stark zerklüftet ist. Im Ostjordanland ist das ursprüngliche Tafelgebirge am besten erhalten und wird durch Flussläufe und Täler in verschiedene Regionen unterteilt. Das Westjordanland ist noch stärker zerklüftet und gliedert sich in folgende Landschaften: das galiläische Bergland im Norden, das sich südlich an Libanon und Antilibanon anschließt; die Ebene von Jesreel, die das Land in ostwestlicher Richtung durchschneidet; das zentralpalästinische Gebirge, das siedlungsgeschichtlich in das efraimitische und das judäische Bergland geteilt ist; die westlich vorgelagerte Schefela und der südliche Abfall zur Wüste. Im Westen liegt die Küstenebene, die nur einmal durch das Karmelgebirge durchbrochen ist.
Bedeutung der Geographie
Die Bedeutung der Geographie für die Lebensbedingungen der Menschen und die politische Entwicklung des Landes ist kaum zu überschätzen. Begehrt und stark besiedelt waren stets die regenreichen, fruchtbaren Gebiete der Küstenund der Jesreelebene, durch die auch die wichtigsten Straßen verliefen. Hier hatten die großen Stadtstaaten der Bronzezeit ihren Ort, und hier fanden in Friedenszeiten der Handel zu Wasser und zu Lande, in Kriegszeiten die militärischen Aufmärsche statt, die Palästina mit den Großmächten in Kleinasien, Ägypten und Mesopotamien verbanden und an ihrer Geschichte teilhaben ließen. Weniger stark besiedelt waren die Bergregionen und die Ränder zur Wüste, in denen das Wasser ablief oder der Niederschlag abnahm, sie wurden im Wesentlichen von Halbnomaden mit ihren Kleinviehherden genutzt. Geographie und Klima bargen große Gefahren für die wirtschaftliche Lebensgrundlage, Ackerbau und Viehzucht, in sich. Auch der Handel gestaltete sich schwierig und war abhängig von den Großmächten als Abnehmer agrarischer und handwerklicher Produkte im Austausch gegen Metalle und Rohstoffe. Schließlich war die Geographie auch politischen Zusammenschlüssen nicht günstig. Neben den Stadtstaaten in den Ebenen hat lediglich die Bildung eines kleinen Flächenstaates im zentralpalästinischen Bergland um Sichem herum eine Tradition, die bis in das 2. Jahrtausend v. Chr. zurückreicht. Doch im Wesentlichen war Palästina ein Durchgangsland, dessen Geschichte sich im Wechselspiel der Kräfte der dieses Land umgebenden und sie beherrschenden Großmächte bewegte.
Die Anfänge „Israels“
Die erste Erwähnung findet sich in einer Siegesstele des Pharao Merneptah (1224–1204), in der es heißt: „Verwüstet ist Israel, es hat kein Saatgut mehr.“ Demzufolge befand sich um 1200 v. Chr. eine Gruppe von Menschen, die den Namen „Israel“ trug, im Land Palästina, umgeben von kanaanäischen Städten, die der ägyptische König ebenfalls unterworfen hatte. Ob sich Israel zuvor in Mesopotamien oder in Ägypten aufgehalten hatte, wie es die hebräische Bibel, die literarische Hauptquelle für die Geschichte Israels, erzählt, lässt sich den archäologischen Quellen nicht entnehmen, ist jedoch, von Kriegsgefangenen oder Söldnern abgesehen, für Israel so viel oder so wenig wahrscheinlich wie für seine kanaanäischen Nachbarn. Außerhalb der Bibel ist der Name „Israel“ danach erst wieder in einer Inschrift des assyrischen Königs Salmanassar III. (858–824 v. Chr.) sowie in der etwa gleichzeitigen Inschrift des moabitischen Königs Mescha als Bezeichnung eines politischen Gemeinwesens unter dem König Ahab aus dem Hause Omri belegt. Zwischen diesen beiden Daten, 1200 und 850 v. Chr., liegen die historisch greifbaren Anfänge der Geschichte Israels.
Siedlungsgeschichte
Die Zeit des 12. bis 9. Jahrhunderts v. Chr. war eine Phase des politischen, ökonomischen und siedlungsgeschichtlichen Umbruchs, die im größeren Zusammenhang des Auf und Ab der bronzezeitlichen Stadtkulturen in Palästina zu sehen ist. Eine schon länger anhaltende Periode der Deurbanisierung führte um 1200 v. Chr. zum völligen Kollaps einstmals blühender Kulturen (Ugarit, Hethiter) und zur Aufgabe der Städte in Palästina. Im Gegenzug dazu kann man in der Eisenzeit I (1150–900 v. Chr.) eine allmähliche Aufsiedlung des Berglandes und der Wüstenränder beobachten. Mit dieser Entwicklung geht das Aufkommen eines neuen Haustyps (Drei- oder Vierraumhaus) sowie die Einführung neuer Techniken des Ackerbaus und der Vorratshaltung einher. Gegen Ende der Eisenzeit I, am Übergang zur Eisenzeit II (900–587 v. Chr.), setzte ein Prozess der Reurbanisierung ein, aus dem neue politische Gebilde hervorgegangen sind: im Norden die Stadt- und Flächenstaaten der Aramäer, im Westen die Stadtstaaten der Phönizier und Philister, im Westjordanland die kleinen Flächenstaaten Israel und Juda, im Ostjordanland die Staaten Ammon, Moab und Edom.
„Landnahme“ der Israeliten
Die Darstellung der Bibel vom 1. Buch Mose bis Josua erweckt den Anschein, als seien Israel und die anderen Bevölkerungsgruppen – als friedliche oder kriegerische Nomaden – von außen nach Palästina eingewandert und hätten sich gegen die einheimische, kanaanäische Bevölkerung durchsetzen müssen. Dieses Bild suggeriert einen Gegensatz von Einheimischen und Nomaden, der für die fragliche Zeit und Region so nicht nachweisbar ist. Im Lichte neuerer archäologischer Erkenntnisse und kritischer Analyse der biblischen Überlieferung bietet sich eine andere Erklärung an: die Annahme einer friedlichen Infiltration des Berglandes, doch mehrheitlich nicht von außen, sondern von innen. Die „Landnahme“ der Israeliten war demnach Teil eines internen bevölkerungsgeschichtlichen Umschichtungsprozesses, der im Zuge des Umbruchs an der Wende von der Spätbronze- zur Eisenzeit stattfand und bei dem der Gegensatz von Stadt und Land eine wesentliche Rolle spielte. Neben den „Seevölkern“ (Phönizier, Philister) im Westen und den Aramäern im Norden brachte dieser Prozess diejenigen Bevölkerungselemente hervor, von denen die Besiedlung des Berglands ausging und die auch die Führungsschicht in den neuen politischen Gebilden stellen sollten. An dem Vorgang waren sowohl (einheimische) Kulturland- und Bergland-Nomaden, die bereits in den Randzonen lebten, als auch Städter und Bauern beteiligt, die die Not in die Berge trieb, aber ihre Erfahrungen und Fertigkeiten mitbrachten und auf diese Weise zu den kulturellen Neuerungen in den Bergregionen beitrugen.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Leute von außen hinzustießen. Doch die einzigen, für die dies eindeutig belegt ist, sind die „Seevölker“, die sich aber nicht in den Bergen, sondern in den Städten der Ebenen festsetzten. Dies hat auch die hebräische Bibel im Blick, wenn sie von „den Philistern“ oder „den Kanaanäern“ spricht und einen scharfen ethnischen und religiösen Unterschied zwischen Kanaan und Israel macht. Doch dieser Unterschied ist eine literarische Konstruktion, die den Untergang des Reiches Israel um 720 v. Chr., in vielem auch den des Reiches Juda im Jahre 587 v. Chr., voraussetzt. Es ist die Sicht der heiligen Geschichte, die im Nachhinein die eigene kanaanäische Vergangenheit verwirft und in „Israel“ von Anfang an das heilige Volk erblickt, das sich von allem Fremden unterscheiden soll. Archäologisch lässt sich bei den Bevölkerungsschichten, die sich im palästinischen Bergland niederließen, jedoch kein Unterschied zwischen Kanaanäern und Israeliten feststellen. Historisch hat sich Israel zuerst mit der Staatengründung als eine gesonderte Größe innerhalb der kanaanäischen Mischbevölkerung hervorgetan.
Leben der Stämme
Die Bevölkerung, die sich in der Eisenzeit I im Bergland Palästinas ansiedelte und allmählich ausbreitete, war in Familien, Sippen und Stämmen organisiert. Über das Leben der Stämme und ihre geographische Verteilung geben in der Bibel die geographischen Listen im Josuabuch und das Buch der Richter Auskunft. Die hier geschilderten Verhältnisse sind jedoch nicht auf die Eisenzeit I beschränkt, sondern passen ebenso gut auf die Zeit vor wie nach der Staatengründung und haben auch nach dem Verlust der politischen Selbständigkeit weiter bestanden. In der Eisenzeit II wurde die tribale Verfassung lediglich von dem dynastischen Königtum überlagert.
Um zu verstehen, wie es vom einen zum anderen kam, hat man in der modernen Geschichtsschreibung die historische Analogie der griechisch-altitalischen Amphiktyonie („Gemeinschaft der Umwohnenden“) bemüht. Israel und seine Nachbarn, so meinte man, seien in vorstaatlicher Zeit in Verbänden zu sechs oder zwölf Stämmen um ein gemeinsames, zentrales Heiligtum versammelt und geeint gewesen. Auch wenn die Stämme politisch ein Eigenleben geführt hätten, sei auf diese Weise ein ethnisches und religiöses Gemeinbewusstsein entstanden, das die Voraussetzung für die Bildung des Königtums gewesen sei und auch nach dem Untergang der beiden Staaten Israels Selbstverständnis als das eine Volk des einen Gottes Jahweh gewährleistet habe. Die Hypothese hält einer kritischen Überprüfung jedoch nicht stand. Sie steht und fällt mit der Existenz eines zentralen Heiligtums, das für diese Zeit jedoch nicht nachzuweisen ist. Im Übrigen überträgt diese Hypothese Ideale der heiligen Geschichte, die erst nach dem Ende der Monarchie in Israel und Juda aufgekommen sind, auf die Vor- und Frühgeschichte.
Entstehung eines Gemeinbewusstseins
Der Übergang von der Tribalverfassung zur Monarchie dürfte freilich sehr viel unspektakulärer vor sich gegangen sein. Familien wuchsen zu Sippen heran, die den Sippenältesten unterstanden. Sippen wuchsen zu Stämmen heran, die den Stammeshäuptlingen unterstanden und sich in kriegerischen Konflikten gelegentlich zu Stammesverbänden zusammentaten. Solche Zusammenschlüsse waren nicht das Ergebnis, sondern die Voraussetzung für die Entstehung eines als Verwandtschaft definierten Gemeinbewusstseins, das weder ethnisch noch religiös, sondern in erster Linie geopolitisch, demographisch und militärisch motiviert war. Zur Verstetigung einer solchen sporadischen Stammeskonföderation konnte gelegentlich die tribale in eine monarchische (dynastische) Verfassung übergehen. Die Grenzen zwischen Stammeskönigtümern und staatlich verfassten Monarchien waren fließend. In Israel und Juda erfolgte der Übergang im Zuge der allgemeinen – von Norden nach Süden fortschreitenden – Reurbanisierung der Region. Die Voraussetzung dafür war ein Machtvakuum. Ägyptens Einfluss auf Palästina nahm kontinuierlich ab, und die neue Großmacht in Mesopotamien, das Neuassyrische Reich, war in Syrien gebunden, wo man seit Tiglatpileser I. (1114–1076 v. Chr.) auf die Aramäer traf. Von dort stießen die Assyrer erst im 9. und 8. Jahrhundert v. Chr. weiter nach Süden gegen Israel und Juda vor. Anders als die Nachfahren der „Seevölker“ im Westen und die Aramäer im Norden, die an die bronzezeitliche Kultur der Stadtstaaten anknüpften, bildeten Israel und Juda sowie ihre ostjordanischen Nachbarn kleine Flächenstaaten aus. Auch sie knüpften damit an eine bronzezeitliche Tradition an. Ein Unterschied zwischen „kanaanäischem“ und „israelitischem“ Königtum existierte nicht.