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Indirekte Herrschaft (883 bis 745 v. Chr.)
ОглавлениеAssurnasirpal II.
Assurnasirpal II. (883–859 v. Chr.) unternahm nach seinem Herrschaftsantritt zunächst neue Vorstöße in die östlich und nördlich von Assyrien gelegenen, schwer zu kontrollierenden Gebirgsregionen. Die östliche Berglandschaft war wohl vor allem deshalb für die Assyrer interessant, weil man durch sie zu den wichtigen Fernhandelsrouten und zu den Pferdezuchtgebieten Irans gelangte. Bemerkenswert ist die Schnelligkeit, mit der Assurnasirpal II. schon zu Beginn seiner Regierung auf eine veränderte politische Lage reagieren konnte. Als ihn am Oberlauf des Tigris die Nachricht von einer Rebellion im Haburgebiet erreichte, ließ er seine Armee umgehend nach Süden abschwenken. Obwohl Assurnasirpal II. den Aufstand bei seinem Eintreffen bereits niedergeschlagen und die Rebellen gefangengesetzt vorfand, ließ er sich diese ausliefern. Was dann folgte, waren bestialische Grausamkeiten, wie das Abziehen der Haut und Pfählungen, die Assurnasirpal II. den Ruf eines „Sadisten auf dem Königsthron“ eingebracht haben. In der Tat ist auffällig, dass solche entsetzlichen Details bei Assurnasirpal II. und Assurbanipal viel häufiger erwähnt werden als sonst. Generell gilt jedoch, dass die Verbreitung von Furcht und Schrecken zu allen Zeiten ein wesentliches Element neuassyrischer Herrschaftspraxis war.
Konzentration auf den Westen
Die Aufmerksamkeit Assurnasirpals II. galt eindeutig dem Westen. Wir sehen ihn am Habur reiche Tribute einsammeln, in den aramäischen Siedlungsgebieten am mittleren Euphrat einen großflächigen Aufstand niederschlagen und immer wieder als mächtigen Kriegsherrn, dem sich die Herrscher vieler und zumeist deutlich kleinerer Staaten schon bei seinem Erscheinen unterwerfen, spätestens aber dann, wenn seine Armee die ersten Städte geplündert und niedergebrannt hat. Unterwerfung bedeutete übrigens nicht allein, fortan Tribut zu zahlen, sondern auch, Truppenkontingente für die Feldzüge des assyrischen Königs abzustellen. Dessen Heer wuchs auf diese Weise kontinuierlich an, so dass immer weitere und anspruchsvollere Feldzüge möglich wurden.
Eine Kampagne führte schließlich über Karkemisch, wo der Euphrat überquert wurde, und das Gebiet am Unterlauf des Orontes bis ans Mittelmeer. Wohl schon in Sichtweite des Libanon-Gebirges reinigte Assurnasirpal II. gemäß einem alten Brauch seine Waffen im „Großen Meer“ und empfing zahlreiche Tribute aus den umliegenden Gebieten, darunter die der phönizischen Stadtstaaten Arwad, Tyros, Sidon und Byblos. Zuvor hatten sich ihm schon jene Fürstentümer unterworfen, die entlang der Marschroute lagen. Vor dem Rückmarsch ließ Assurnasirpal II. im Amanus-Gebirge Zedern und andere Bäume fällen. Neben dem praktischen Nutzen – Bäume, aus denen sich dicke Balken zur Bedachung weitläufiger Räume schlagen ließen, fanden sich in ganz Mesopotamien nicht – ist dies auch als Reminiszenz an eines der Abenteuer des mythischen Helden Gilgamesch zu verstehen. Dieser war in einer weit zurückliegenden Zeit zusammen mit seinem Freund Enkidu in den vom Ungeheuer Huwawa bewachten Zedernwald gezogen, um sich durch das Fällen der kostbaren Bäume „einen Namen zu machen“. Jeder mesopotamische Herrscher, der etwas auf sich hielt, versuchte dieses Abenteuer zu wiederholen.
Das Assyrische Reich im 2. und 1. Jt. v. Chr.
Bankett-Stele
Auf dem Höhepunkt seiner Macht sehen wir Assurnasirpal II. nach 866 v. Chr. bei der Einweihungsfeier für seine neue Residenz Kalchu (das heutige Nimrud, ca. 35 km südlich von Ninive am Tigris gelegen; bisherige Hauptstadt war Assur). Die sogenannte Bankett-Stele berichtet von 69.574 geladenen Gästen, die zehn Tage lang feierten. Auch die dort nachzulesende „Speisekarte“ ist beeindruckend: 100 fette Ochsen, 1000 Kälber und Schafe aus den Ställen, weitere 14.000 Schafe und 200 Ochsen aus dem Besitz der Göttin Ischtar, noch einmal 1000 Schafe, 1000 Frühlingslämmer, 2000 Enten und Gänse, 30.000 weitere kleine Vögel, 10.000 Fische, 1000 Hirsche, 10.000 Eier, 10.000 Brote, 10.000 Krüge Bier, 10.000 Schläuche Wein und vieles mehr. Bisher ging man davon aus, dass dies die Verpflegung für die menschlichen Gäste gewesen sei; es konnte jedoch jüngst nachgewiesen werden, dass stattdessen von den anlässlich der Einweihungsfeier dargebrachten Opfergaben für die Götter die Rede sein muss. Für jeweils sieben menschliche Gäste hätte sonst nur ein Brot und ein Fisch zur Verfügung gestanden. Hinzu kommt, dass diese ohnehin schon schmale Kost zehn Tage hätte reichen müssen. Ferner wäre ein so ausgestattetes Staatsbankett auch ziemlich trocken ausgefallen: Siebenhundert Personen hätten nämlich zehn Tage lang mit einem einzigen Schlauch Wein auskommen müssen. Das größte Problem bei der bisherigen Deutung dieses Abschnitts war jedoch, dass Assurnasirpal II. seinen Gästen wohl kaum Fleisch vorgesetzt haben wird, das eigentlich der Göttin Ischtar zustand – das Resultat wäre wohl dasselbe gewesen wie in der griechischen »Odyssee«, wo es von den Gefährten des Odysseus heißt: „die Toren verdarben am eigenen Frevel, aßen die Rinder des Helios Hyperion, und dieser machte zunichte den Tag ihrer Heimkehr“.
Salmanassar III.
Die Annalen Salmanassars III. (858–824 v. Chr.), des Sohnes und Nachfolgers Assurnasirpals II., verzeichnen für die ersten 31 Jahre seiner Herrschaft Feldzug auf Feldzug. Eine Version seiner Annalen, die nur bis zum 20. Regierungsjahr reicht, ist insofern interessant, als sie am Ende den Ertrag (wörtl. „die Beute“) der bisherigen Feldzüge beziffert: 110.610 Gefangene, 82.600 getötete Feinde, 9920 Pferde und Maultiere, 35.565 Ochsen, 19.690 Esel und 184.755 Schafe.
Gleich zu Beginn seiner Herrschaft konnte Salmanassar III. mit der Eroberung von Til-Barsip, der Hauptstadt des am Euphrat gelegenen aramäischen Fürstentums Bit-Adini, und einem erfolgreichen Feldzug gegen das aufstrebende Reich Urartu zwei große Erfolge verbuchen. Mit Til-Barsip, das durch eine lange, über die assyrische Feldzugsaison hinaus aufrechterhaltene Belagerung ausgehungert wurde, fiel die erste westlich von Assyrien gelegene Großstadt. Dies ist insofern bemerkenswert, als befestigte Städte mit einer hohen Einwohnerzahl für die assyrische Armee lange Zeit nahezu uneinnehmbar waren. Die einzige Möglichkeit, in Großstädten wie Til-Barsip oder Damaskus residierende Herrscher ohne langwierige Belagerung wenigstens zur förmlichen Unterwerfung und zu Tributzahlungen zu zwingen, bestand bis zur Herrschaft Tiglatpilesers III. (744–727 v. Chr.) darin, die Felder und Palmengärten im Umland zu verwüsten beziehungsweise die kleineren Siedlungen im Hinterland zu plündern und anschließend niederzubrennen. Die Eroberung von Til-Barsip war vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil Salmanassar III. nun einen Stützpunkt besaß, der einen sicheren Euphratübergang und damit weitere Feldzüge gegen die syrischen Kleinkönigtümer ermöglichte. Dass der assyrische König auf seinen Feldzügen nicht nur ein strategisches, sondern auch ein ideologisches Programm zu erfüllen suchte, zeigt die Umbenennung von Til-Barsip in Kar-Salmanassar („Hafen/Stützpunkt des Salmanassar“).
Umbenennung eroberter Städte
Die Praxis, eroberte Städte umzubenennen, kam vor allem in den nördlich und östlich des assyrischen Kernlandes gelegenen Gebirgsregionen, im Gebiet der aramäischen Stämme und in Ägypten zur Anwendung – in den knapp zweihundert Jahren zwischen dem Regierungsantritt Assurnasirpals II. und dem Tod Asarhaddons (680– 669 v. Chr.) ist sie fünfzig Mal bezeugt. Auffällig ist, dass 31 Umbenennungen in die Zeit Asarhaddons fallen, als das Assyrische Reich seine größte Ausdehnung erreichte, und dass unter diesem Herrscher auch ein neuer Namenstyp aufkam. Hatte vorher der Typ Kār („Hafen“) oder Dūr („Festung“) verbunden mit dem Götter- oder Königsnamen dominiert, so finden sich nun auch programmatische Namen wie „Wer-ist-der-Rivale(-des-Gottes)-Assur?“ oder „Wer-kommt(-dem-Gott)-Assur-gleich?“, die mehr als nur „Wegmarken“ der assyrischen Expansion sind. Die Vermutung, dass hier eine Art assyrischer „Kulturimperialismus“ greifbar wird, ist jedoch insofern unausgewogen, als das alleinige Ziel der assyrischen Könige die Durchsetzung der ihnen vom Reichsgott Assur verliehenen „Weltherrschaft“ – und die damit verbundene Ressourcenkontrolle – war. Kultur und Religion waren keine eigenständigen Größen in der assyrischen Politik. Maßnahmen, die auf diese beiden Bereiche zielten, waren immer auch solche, die den universalen Herrschaftsanspruch des Gottes Assurs und seines Statthalters, des Königs, festigen sollten.
Kämpfe gegen Damaskus
Die Jahre nach dem Fall von Til-Barsip (856 v. Chr.) waren vor allem durch die Kämpfe Salmanassars III. gegen das syrische Königreich Damaskus geprägt. Hadadezer von Damaskus konnte an der Spitze einer großen antiassyrischen Koalition, der sich auch König Ahab von Israel (873–852 v. Chr.) angeschlossen hatte, den weiteren assyrischen Vormarsch 853 v. Chr. bei Qarqar am Orontes zunächst stoppen. Weitere assyrische Vorstöße nach Westen (849, 848 und 845 v. Chr.) führten zu keinen nachhaltigen Veränderungen der Machtverhältnisse in Syrien. Nach dem Tod Hadad-ezers und dem Zerfall der von ihm geschmiedeten Koalition konnte Salmanassar III. zwar dessen Nachfolger Hasael in offener Feldschlacht besiegen, die große Oasenstadt Damaskus vermochten seine Truppen jedoch trotz mehrmaliger Versuche (841, 838, 837 v. Chr.) nicht einzunehmen. Auch die Verwüstung des Umlandes führte nicht zur Unterwerfung von Damaskus. Viele andere syrische, phönizische und anatolische Fürstentümer zahlten indes Tribut, wenn Salmanassar III. mit seiner Armee im Westen erschien. Auf dem im Britischen Museum in London ausgestellten „Schwarzen Obelisken“ sieht man noch heute, wie sich Jehu von Israel (842–814 v. Chr.) im Jahr 841 v. Chr. vor Salmanassar III. niederwirft. Über der Abbildung sind sein Name (Ja-ú-a mār Humri = „Jehu aus dem Hause Omri“) und sein Tribut (Silber) verzeichnet.
Einzig die Babylonienpolitik weicht von diesem Schema ab: 851/850 intervenierte Salmanassar III. erfolgreich zugunsten des neuen babylonischen Königs, der im Thronstreit mit seinem Bruder lag. Während dieser Kampagne huldigte Salmanassar III. den babylonischen Göttern (vor allem Marduk in Babylon); zudem schloss er mit dem babylonischen König einen umfassenden Frieden und vereinbarte feste Grenzen. Bei einem Abstecher zum Persischen Golf sehen wir Salmanassar III. hingegen wieder in der gewohnten Rolle als unbesiegbarer Heerführer, der Tribut von den in Südbabylonien siedelnden chaldäischen Stämmen empfängt.
Als Salmanassar III. 824 v. Chr. starb, tobte schon seit zwei Jahren ein Thronfolgekrieg zwischen zwei Prinzen, aus dem der vom babylonischen König unterstützte Schamschi-Adad V. (823–810 v. Chr.) als Sieger hervorging. Bemerkenswert ist, dass sich Schamschi-Adad V. trotz des Umstandes durchsetzte, dass er bei Ausbruch des Thronfolgekriegs praktisch nur auf die Hauptstadt Kalchu zählen konnte, während sein Rivale 27 Städte, darunter Assur und Ninive, auf seiner Seite wusste. Hierzu wurde bemerkt: „Das lag daran, dass die Könige stets bestrebt waren, alles, was ihnen nützlich schien, möglichst in ihrer Nähe zu halten. Deshalb waren in der jeweiligen Hauptstadt die besten Truppen, die angesammelten Schätze und nicht zuletzt die politische, administrative und militärische Kompetenz des Reiches konzentriert.“ Die Regierung Schamschi-Adads V. war nach dem Ende des Bürgerkriegs von Konsolidierungsmaßnahmen geprägt. Ausgedehnte Westfeldzüge wurden nicht unternommen; ein Vorstoß nach Osten, ins „Land der Zelte“, führte jedoch zum ersten Kontakt mit den Medern (815 v. Chr.). Wiederholte Feldzüge nach Süden zwischen 814 und 811 v. Chr. schwächten Babylonien nachhaltig.
Königsmütter und Eunuchen
Nach dem Tod Schamschi-Adads V. bestieg dessen Sohn Adad-nirari III. (809– 783 v. Chr.) den Thron. Gelenkt oder zumindest beeinflusst wurde der noch junge König von seiner Mutter Sammu-ramat, der berühmten Semiramis, und von hohen Würdenträgern wie Nergal-erisch (von 803 bis 775 v. Chr. aktiv), der ein großes Gebiet am Habur und mittleren Euphrat verwaltete, im Namen Adad-niraris III. Krieg führte und sogar eigene Inschriften verfassen ließ. Unter Adad-nirari III. begann auch der Aufstieg des Eunuchen Schamschi-ilu, der seit ca. 786 v. Chr. zugleich Oberbefehlshaber des Heeres und Statthalter von Til-Barsip war und diese Stellung auch unter den Nachfolgern Adad-niraris III. zu behaupten wusste (bis wenigstens 752 v. Chr.). Hier deutet sich zweierlei an: zum einen der nicht unerhebliche politische Einfluss der Königinnen beziehungsweise Königsmütter, die wie Sammuramat oft aus dem Westteil des Reiches stammten; zum anderen die sich im 9. Jahrhundert v. Chr. deutlich verschärfende Konkurrenzsituation zwischen dem mit einem absoluten Herrschaftsanspruch auftretenden König und der assyrischen Oberschicht, die mit der Verwaltung der verschiedenen Reichsteile betraut war und sich dort mehr und mehr selbst zu inszenieren begann. Letzteres führte schließlich dazu, dass wichtige Ämter wie etwa das eines Provinzgouverneurs vorzugsweise an Eunuchen vergeben wurden, die ihre Macht nicht vererben konnten. Adad-nirari III. vermochte ebenso wenig wie Schamschi-Adad V. an die Erfolge Salmanassars III. anzuknüpfen. Die Herrschaft seiner Söhne Salmanassar IV. (782–772 v. Chr.), Assur-dan III. (771–755 v. Chr.) und Assur-nirari V. (754–745 v. Chr.) war durch einen deutlichen Machtverlust im Westen, den Aufstieg des nördlichen Nachbarn Urartu, Pestepidemien (765 und 759 v. Chr.) und innenpolitische Auseinandersetzungen geprägt.