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absoluter Raum

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Der Begriff des a. R.s wird von Isaac Newton (1643–1727) im Rahmen seiner Mechanik eingeführt. In der endgültigen Fassung der erstmals 1687 veröffentlichten Philosophiae Naturalis principia mathematica schreibt Newton (1999, 28): „Der a. R., seiner ↗ Natur nach ohne Beziehung zu irgend etwas Äußerem (↗ Außen), bleibt immer gleichartig und unbeweglich. Ein relativer ↗ Raum ist für diesen Raum ein Maß (↗ Metrik) bzw. eine beliebige bewegliche ↗ Dimension, die von unseren Sinnen durch ihre ↗ Lage zu den Körpern bestimmt wird […]“. Relative Räume werden also durch Lagebeziehungen von Körpern bestimmt. Da Bezugskörper beweglich sein können, sind ↗ Bewegungen qua Lageveränderung prinzipiell relativ. Der a. R. ist, als sinnlich nicht wahrnehmbarer (↗ Wahrnehmung), unbeweglich und ungeteilt (↗ Unteilbarkeit). Wenn es also gelingen sollte, die Bewegtheit (↗ Fernwirkung) eines Körpers, auch unabhängig von anderen Körpern, zu erkennen, so hieße das, dass er in Bezug auf den a. R. als bewegt angesehen werden muss. Absolute und relative Bewegtheit eines Körpers unterscheiden sich durch ihre Eigenschaften, Ursachen (↗ Kausalität) und Wirkungen. Letztere sind für Newton (ebd., 30) entscheidend: „Die Wirkungen, durch welche sich die absoluten und relativen Bewegungen voneinander unterscheiden, sind die Kräfte beim Sich-Entfernen von der Achse einer Drehbewegung“. Das heißt, dass Bewegungsänderungen, also ↗ Beschleunigungen auch unabhängig von anderen Körpern erkannt werden können, nämlich durch die wirkenden ↗ Kräfte. Newtons Beispiele sind ein bewegtes Wasserglas, an dessen Wänden das Wasser hochsteigt, und zwei um ein ↗ Zentrum rotierende ↗ Kugeln, die durch einen zwischen ihnen gespannten Faden (↗ Mischung) verbunden sind. Bei Newton dient die Einführung des Begriffes des a. R.s also der Unterscheidung wahrer und bloß anscheinender (lat. verum et apparens) Bewegung. Er erhält dadurch auch eine metaphysische Bedeutung: Der a. R. ist, wie er 1706 in der lateinischen Fassung seiner Opticks ausführt (Koyré/Cohen 1961), der ‚↗ Sinn Gottes (lat. sensorium dei)‘, also das Organ seiner Ubiquität, seiner ↗ Allgegenwart. Die ↗ Differenz von a. R. und relativem Raum als Unterschied von Bezugssystemen erscheint dann in Immanuel Kants (1724–1804) Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft von 1786: Da Bezugssysteme auch bei Kant immer durch Körper definiert sind, ist der a. R. die Idee des umfassendsten Bezugssystems. Gleichwohl hält Kant an dem Gegensatz von wahrer und bloß anscheinender Bewegung fest: Die Kreisbewegung sei im Unterschied zur gradlinig gleichförmigen Bewegung ein wirkliches, nicht ein bloß mögliches Prädikat des Körpers, wie er im zweiten Lehrsatz (A 142) des Abschnittes zu deren ‚Phänomenologie‘ festhält. Der Unterschied von wahrer und bloß anscheinender Bewegung ist im Verständnis vieler Wissenschaftsphilosophen durch Albert Einsteins (1879–1955) Theorie der ↗ Relativität aufgehoben, der Begriff des a. R.s damit abgeschafft. Das trifft aber nicht auf die Spezielle Relativitätstheorie zu. Diese erweitert zwar die Menge aller zugelassenen Bezugssysteme gegenüber Newton auf die sog. Inertialsysteme, d.h. diejenigen, die sich bis auf geradlinig gleichförmige Bewegung nicht unterscheiden. Der Unterschied von Trägheitsbewegung und beschleunigter Bewegung bleibt dabei aber erhalten. Dieser wird erst in der Allgemeinen Relativitätstheorie aufgehoben, bei der eine beschleunigte Bewegung auch durch eine kräftefreie Bewegung auf einer geodätischen (↗ Geodäsie) ↗ Linie im gekrümmten Raum beschrieben werden kann.

Literatur: Gosztonyi 1976, 329–354; Heimsoeth 1956; Heuser 2005; Jammer 1960, 102–137.

Gosztonyi, Alexander (1976): Der Raum, Bd. 1, Freiburg i. Br./München.

Heimsoeth, Heinz (1956): Der Kampf um den Raum in der Metaphysik der Neuzeit, in: ders.: Studien zur Philosophie Immanuel Kants, Köln, 93–124.

Heuser, Harro (2005): Der Physiker Gottes, Freiburg i. Br.

Jammer, Max (1960): Das Problem des Raumes, Darmstadt [amerik. 1954].

Koyré, Alexandre/Cohen, Bernard I. (1961): The Case of the Missing ‚Tanquam‘, in: Isis 52/4, 555–566.

Newton, Isaac (1999): Die mathematischen Prinzipien der Physik, Berlin/New York [lat. 1726].

Gernot Böhme

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