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Der Kunsthistoriker Erwin Panofsky (1892–1968) prägt den Begriff A.raum in der 1927 veröffentlichten Abhandlung über Die Perspektive als ‚symbolische Form‘. Darin grenzt er die griechisch-antike Perspektivmalerei (↗ Perspektive) und ihren ↗ Raum der ↗ Anschauung von der Linearperspektive der Renaissance und ihrer mathematisch-diskreten Fluchtpunktkonstruktion ab und wertet den älteren A.raum zu Ungusten des neuzeitlichen Systemraums auf. Der A.raum ergebe sich nämlich aus einem körpernahen, haptischen (↗ Haptik) Verständnis der antiken ↗ Kunst. Die abgebildete ↗ Welt präsentiere sich noch nicht als ↗ Kontinuum mathematisierter Tiefenabstände (↗ Tiefe), das in einheitlicher Beleuchtung (↗ Strahl) auf einen einheitlichen ↗ Horizont zuläuft. Laut Panofsky (1998, 689 u. 691) bringe das jeweilige ↗ Bild stattdessen „tektonische“ und „plastische Gruppengefüge“ samt „umgebender und verbindender Räumlichkeit“ zur Darstellung. Die christliche Zersetzung dieses A.raums erfolge dann durch Auflösung des ‚Hintereinander‘ der Dinge zugunsten ihrer Über- und Nebenordnung in heilsgeschichtlich-flächigen Darstellungen (↗ flacher Raum). In Anlehnung an diese Unterscheidung führt der Kulturphilosoph Ernst Cassirer (1874–1945) in Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance von 1926 aus, dass die aristotelische Konzeption von Raum und ↗ Kosmos eher „einem bloßen A., als einem System“ ähnle und der ↗ Ort jedes einzelnen Körpers durch den nächsten angezeigt werde: Der „allgemeine“ Raum sei daher nicht die Bedingung für die Setzung einzelner ↗ Räume, sondern laut Cassirer (1963, 191f.) zugleich „Form des Ineinander“ und „letzte und äußerste Schale“ (↗ Kugel) des kosmischen Ganzen (↗ All), wobei das Renaissancedenken diesen A.raum durch den Systemraum bzw. den Raum als „Substrat“ durch den „Raum als Funktion“ und als „freies ideales Liniengefüge“ (↗ Linie) ersetzt habe. In Galileo Galileis (1564–1642) allgemeiner Bewegungslehre (↗ Bewegung) werde ihm schließlich Homogenität zuerkannt. Der Medientheoretiker Lev Manovich (2000, 193) gelangt in seinen Analysen der 1993 veröffentlichten Computerspiele Doom und Myst unter Rückgriff auf Panofskys Unterscheidung zu der Beobachtung, dass virtuelle (↗ virtueller Raum) 3D-Welten (↗ Freiheitsgrade) aus „A.en verschiedener Objekte bestehen, die keine Beziehung (↗ Relation) zueinander haben“, weshalb er schlussfolgert, dass der ↗ Cyberspace noch nicht in der Renaissance angekommen sei.

Literatur: Günzel 2012; Thaliat 2005.

Cassirer, Ernst (1963): Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance, Darmstadt [1926].

Günzel, Stephan (2012): Zur ästhetischen Form des Computerspielbildes, in: Erzählformen im Computerspiel, hg. v. J. Sorg u. J. Venus, Bielefeld, 10–18.

Manovich, Lev (2000): Navigable Space, in: Onscreen/Offscreen, hg. v. H. Beller, M. Emele u. M. Schuster, Ostfildern b. Stuttgart, 185–207.

Panofsky, Erwin (1998): Die Perspektive als symbolische Form, in: ders., Deutschsprachige Aufsätze, Bd. 2, Berlin, 664–757 [1927].

Thaliath, Babu (2005): Perspektivierung als Modalität der Symbolisierung, Würzburg.

Michaela Ott

Lexikon Raumphilosophie

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