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Affekt
ОглавлениеDen Begriff A., der auf die Wiedergabe von gr. pathos als lat. affectio oder affectus in De civitate dei von Augustinus (354–430) zurückgeht, setzt erstmalig der französische Philosoph Gilles Deleuze (1925–1995), in Weiterführung phänomenologischer Überlegungen, in ein Verhältnis zum ↗ Raum. In seinen filmphilosophischen Schriften bestimmt er – auch dank seiner Anlehnung an Spinozas A.verständnis – einen Typus des filmischen Bewegungsbildes (↗ Bewegung) als ‚A.bild‘. Dieses soll sich vom ‚Wahrnehmungs-, und ‚Aktionsbild‘ (↗ Handlung) durch die Transformation von Bewegungswiedergabe in Ausdrucksqualität (↗ Ausdruck) unterscheiden (↗ Wahrnehmungsraum). Indem es in Groß- und Naheinstellungen das Gezeigte ‚vergesichtlicht‘ und die Bildgebung (↗ Bildraum), losgelöst von Koordinaten der ↗ Raumzeit, als solche präsentiert, lädt es sich und den gesamten Film mit affektiven Qualitäten auf. Häufig bietet es einen der Dimension der ↗ Tiefe beraubten, flächigen (↗ Fläche), „einzigartigen“ Raum, der dank seiner nichtmetrischen (↗ Metrik) und vergleichsweise ‚haptischen‘ Qualität (↗ Haptik) von Deleuze (1997, 153) als „beliebiger Raum“ bezeichnet wird. In Weiterführung dessen erklärt Deleuze mit Félix Guattari (1996, 191–237) den A. – in seiner Wechselwirkung mit der Wahrnehmungsgröße ‚Perzept‘ – zum spezifischen Ausdruckmodus von ↗ Kunst. Dabei wird er als Ausdrucksqualität gedeutet, die dank zeichenbedingter Steigerung anthropomorphe (↗ Mensch) Empfindungen unterläuft und unbekannte Intensitäten präsentiert. Auf das A.ive und seine grenz- und gattungsüberschreitenden Raumbildungen wird in der zeitgenössischen Filmwissenschaft Phänomenologie und Medienphilosophie häufig rekurriert (Angerer 2007). In Nähe dazu sucht Peter Eisenman die Architektur der 1990er Jahre vom A. her zu konzipieren, wobei unklar bleibt, ob er diesen vom Gebäude (↗ Haus), der Psyche des Architekten oder des Benutzers her denkt. Zum einen geht es Eisenman (1995, 224 u. 217) darum, die „Architektur in den Bereich des A.s zurückzuführen“, zum anderen relationiert er den A. mit dem Autor-Architekten-Subjekt und bestimmt ihn als „sinnliche Reaktion auf eine physische Umgebung (↗ Umwelt)“.
Literatur: Lehnert 2011; Ott 2010.
Angerer, Marie-Luise (2007): Vom Begehren nach dem Affekt, Berlin.
Deleuze, Gilles (1997): Das Bewegungs-Bild, Frankfurt a. M. [frz. 1983].
Ders./Guattari, Félix (1996): Was ist Philosophie?, Frankfurt a. M. [frz. 1991].
Eisenman, Peter (1995): Aura und Exzeß, Wien [amerik. 1993].
Lehnert, Gertrud [Hg.] (2001): Räume und Affekte, Bielefeld.
Ott, Michaela (2010): Affizierung, München.
Michaela Ott